Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Italiens Innenminister Matteo Salvini haben versprochen, eine "Anti-Einwanderungs-Achse" zu schaffen, die darauf zielt, der Pro-Migrations-Politik der Europäischen Union etwas entgegenzusetzen.
Bei ihrem Treffen in Mailand am 28. August gelobten die beiden, mit Österreich und der Visegrad-Gruppe – dazu gehören die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und die Slowakei – zusammenzuarbeiten, um sich der Pro-Migrations-Gruppe von EU-Ländern zu widersetzen, die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angeführt wird.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Italien Innenminister Matteo Salvini bei ihrem Treffen in Mailand am 28. August (Foto: RT France Video-Screenshot) |
Orbán und Salvini streben nach einer koordinierten Strategie, um bei den im Mai 2019 stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament die Pro-Einwanderungs-Partei Sozialdemokratische Partei Europas (Party of European Socialists/ Parti socialiste européen) zu besiegen, eine paneuropäische Partei, die die sozialistischen Parteien aller EU-Mitgliedsländer repräsentiert. Das Ziel ist es, die politische Zusammensetzung der europäischen Institutionen zu verändern, darunter das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, und so die von der EU betriebene Einwanderungspolitik der offenen Tür umzukehren.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Salvini:
"Heute beginnt eine Reise, die in den kommenden Monaten weitergehen wird, für ein anderes Europa, für eine Veränderung der Europäischen Kommission, der europäischen Politik, die in ihren Mittelpunkt das Recht auf Leben, auf Arbeit, auf Gesundheit und Sicherheit stellt, all das, was die europäischen Eliten verneinen, die von [dem ungarischen Milliardär und Philanthropen George] Soros finanziert und von Macron vertreten werden."
"Wir stehen auf der kontinentalen Ebene kurz vor einem historischen Wendepunkt. Ich bin erstaunt über die Abstumpfung einer politischen Linken, die nur noch existiert, um andere zu bekämpfen, und die glaubt, dass Mailand nicht Gastgeber für den Präsidenten eines europäischen Landes [Ungarn] sein soll, so, als wenn die Linke die Autorität hätte, zu entscheiden, wer das Recht hat, zu reden und wer nicht – und sich dann wundert, dass sie keiner mehr wählt."
"Dies ist das erste in einer langen Reihe von Treffen, um die Geschicke zu wenden, nicht nur die Italiens und Ungarns, sondern des ganzen europäischen Kontinents."
Orbán fügte hinzu:
"Bald werden europäische Wahlen stattfinden, und vieles muss sich ändern. Im Moment gibt es in Europa zwei Seiten: Die eine wird von Macron geführt, der die Massenmigration unterstützt. Die andere wird von Ländern geführt, die ihre Grenzen schützen wollen. Ungarn und Italien gehören zur letzteren."
"Ungarn hat gezeigt, dass wir Migranten auf dem Land stoppen können. Salvini hat gezeigt, dass Migranten auf See gestoppt werden können. Wir danken ihm dafür, dass er Europas Grenzen schützt."
"Migranten müssen zurück in ihre Länder geschickt werden. Brüssel sagt, dass wir das nicht können. Sie haben auch gesagt, dass es unmöglich sei, Migranten auf dem Landweg zu stoppen, doch wir haben das geschafft."
"Salvini und ich, wir scheinen das gleiche Schicksal zu teilen. Er ist mein Held."
Macron antwortete:
"Wenn sie mich als ihren Hauptgegner betrachten wollten, dann hatten sie recht. Es ist klar, dass sich heutzutage ein starker Gegensatz aufbaut zwischen Nationalisten und Progressiven, und ich werde den Nationalisten und denen, die Hassreden befürworten, nicht nachgeben."
Salvini schoss zurück:
"Von Anfang 2017 bis zum heutigen Tag hat das Frankreich des 'Weltverbesserers Macron' mehr als 48.000 Einwanderer an der italienischen Grenze zurückgewiesen, darunter Frauen und Kinder. Ist dies das 'willkommen heißende und unterstützende' Europa, von dem Macron und die Weltverbesserer reden?"
"Statt anderen Lektionen zu erteilen, würde ich den heuchlerischen französischen Präsidenten dazu einladen, seine Grenzen wieder zu öffnen und die Tausenden von Flüchtlingen willkommen zu heißen, die aufzunehmen er versprochen hat."
"Italien ist nicht mehr länger das Flüchtlingslager von Europa. Die Party für Schmuggler und Weltverbesserer ist zu Ende!"
Im Juli erklärte Salvini, dass er ein gesamteuropäisches Netzwerk von gleichgesinnten nationalistischen Parteien schaffen wolle:
"Um [die italienischen Wahlen] zu gewinnen, mussten wir Italien einen, nun müssen wir Europa einen. Ich denke an eine 'Liga der Ligen von Europa', die alle freien und souveränen Bewegungen zusammenbringt, die ihre Völker und ihre Grenzen verteidigen wollen."
Salvini schlug vor, zu dem Netzwerk sollten u.a. der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Führer der niederländischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders, die Vorsitzende von Frankreichs Front National, Marine Le Pen, und Ungarns Orbán gehören. Zudem sagte er, die Europawahl 2019 solle ein Referendum sein über "ein Europa ohne Grenzen" gegenüber "einem Europa, das seine Bürger schützt".
Salvini hat die Europäische Union wiederholt wegen der Massenmigration kritisiert und den Staatenblock bezichtigt, Italien – das mit mehr als 600.000 Migranten zu kämpfen hat, die in dem Land seit 2014 angekommen sind – im Stich zu lassen. Das Problem wird durch die EU-Regeln verschärft.
Laut den EU-Bestimmungen – bekannt als Dublin-Abkommen – müssen Migranten in dem Land Asyl beantragen, in dem sie zuerst die EU betreten. Dies bedeutet für Italien wegen seiner geografischen Nähe zu Afrika eine unverhältnismäßige Belastung.
Italien strebt seit langem danach, die Dublin-Regeln zu reformieren, doch andere EU-Staaten und vor allem Ungarn lehnen sich gegen eine Änderung des Abkommens. Der Streit wirft ein Licht auf die Schwierigkeiten einer vereinten Anti-Einwanderungs-Achse auf EU-Ebene: Die Interessen vieler EU-Mitgliedsstaaten sind einander diametral entgegengesetzt.
Obwohl beispielsweise Italien und Ungarn darin übereinstimmen, dass die Massenmigration komplett gestoppt werden soll, sind sie uneins in der Frage, wie mit den Migranten zu verfahren ist, die bereits in der EU sind. Während Italien die Migranten auf andere EU-Länder verteilen will, lehnen Ungarn und die Visegrad-Staaten es vehement ab, überhaupt Migranten aufzunehmen.
In einem Interview, das der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš der tschechischen Zeitung DNES kurz vor seinem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte gab, das am 28. August in Rom stattfand, sagte Babiš:
"Ich bestehe darauf, dass wir keine illegalen Migranten aus Italien oder sonst woher aufnehmen. Das richtet sich nicht gegen Italien, mit dem wir sympathisieren; es ist eine ausschlaggebende Strategie. Es ist in meinen Augen ein Schlüsselsignal, ein Symbol und eine Botschaft an Migranten und Schmuggler, dass es keinen Sinn hat, nach Europa zu segeln ..."
Babiš fügte hinzu, dass die Europäische Union ihre Differenzen überwinden und sich auf eine gemeinsame, gesamteuropäische Migrationspolitik verständigen müsse:
"Wenn Italien keine Migranten aufnimmt, wenn Malta sie nicht aufnimmt, dann wird es Spanien tun. Wir senden eine Botschaft aus, dass es möglich ist, von Marokko über Spanien nach Europa zu gelangen. Wir müssen den Migrationsstrom stoppen. Darüber will ich mit meinen Partnern in Italien und Malta und natürlich mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel reden, die nun mit Spanien zusammen agiert. Wir müssen sehr hart an einer Lösung arbeiten, denn wir haben bereits unnötigerweise drei Jahre mit der Debatte über Quoten verloren ..."
"Wir müssen beschützen, was unsere Vorfahren in mehr als tausend Jahren aufgebaut haben. Das ist kein Slogan, sondern eine Tatsache."
Salvinis Umarmung Orbáns deckt zudem Differenzen in Italiens Regierungskoalition auf, die aus Salvinis Liga und der von Luigi Di Maio geführten populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) besteht.
Am 23. August drohte er an, die Zahlungen an die Europäische Union zurückzuhalten, sollte es auf einem für den 24. August anberaumten Spitzentreffen in Brüssel nicht zu einer langfristigen Lösung beim Thema der Migrantenrettung kommen. In einem Interview, das er einem italienischen Fernsehsender gab und das er auch auf seinem Facebookaccount postete, sagte Di Maio:
"Wenn beim morgigen Treffen der EU-Kommission nichts herauskommt, wenn keine Entscheidung über die Diciotti und die Umverteilung der Migranten gefällt wird, werden die gesamte Fünf-Sterne-Bewegung und ich nicht mehr länger bereit sein, der Europäischen Union jedes Jahr 20 Milliarden Euro zu geben."
Nachdem es bei dem EU-Treffen nicht zu einer Lösung gekommen war, gaben die Führer der M5S in Italiens Abgeordnetenkammer und dem Senat, Francesco D'Uva und Stefano Patuanelli, eine Erklärung ab:
"Länder, die sich nicht an der Verteilung [von Migranten] beteiligen und nicht einmal geruhen, auf Italiens Ruf nach Hilfe zu antworten, sollten nicht mehr länger Zahlungen von uns erhalten, und unter diesen ist derzeit Ungarn."
In einem am 27. August veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung La Stampa teilte Di Maio noch einmal gegen Orbán aus:
"Orbáns Ungarn errichtet Mauern mit Stacheldraht und verweigert die Umverteilung von Migranten. Jene, die die Umverteilung nicht akzeptieren, sollten kein Anrecht auf europäische Gelder haben."
Salvini verteidigte Orbán: "Ich respektiere Ungarns absolutes Recht, seine Grenzen und die Sicherheit seiner Bevölkerung zu verteidigen. Das gemeinsame Ziel ist die Verteidigung der Außengrenzen."
Orbán antwortete: "Wir brauchen eine neue Europäische Kommission, die der Verteidigung von Europas Grenzen verpflichtet ist. Wir brauchen nach den Europawahlen eine Kommission, die nicht jene Länder bestraft, die – wie Ungarn – seine Grenzen schützen."
Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute.