Letzte Woche erhielt die Türkei die ersten Teile für die von ihr bestellten Boden-Luft-Raketensysteme S-400 aus Russland. Das S-400 kann Ziele in einer Distanz von bis zu 400 km erreichen. Es wurde entwickelt, um NATO-Flugzeuge - einschließlich der in den USA hergestellten F-35 Kampfjets - abzuschießen. Abgebildet: Eine russische S-400 Raketenbatterie. (Bildquelle: Vitaly Kuzmin/Wikimedia Commons) |
Seitdem die Türkei Ende 2017 offiziell das russische Boden-Luft-Raketensystem S-400 für ihre Langstrecken-Luftabwehr- und Raketenabwehr-Architektur ausgewählt hat, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine Rhetorik nicht geändert, dass der Kauf "ein in sich abgeschlossenes Geschäft" sei und dass es "die souveräne Entscheidung der Türkei [sei], das auf ihrem Boden befindliche Luftverteidigungssystem einzusetzen". Als Reaktion darauf drohte die US-Regierung damit, die Mitgliedschaft der Türkei im multinationalen Joint Strike Fighter-Programm auszusetzen, das den Bau des Kampfflugzeugs der fünften Generation F-35 Lightning II vorsieht.
Die USA haben der Türkei auch mit weiteren Sanktionen im Rahmen des Countering American Adversaries Through Sanctions Act gedroht. Sprecher der Industrie sagen, dass die CAATSA-Sanktionen türkische Unternehmen mehr als 10 Milliarden Dollar an verlorenen (Unter-) Verträgen kosten können. Die Türkei hat sich verpflichtet, mindestens 100 F-35 zu kaufen und hat bereits 1,4 Milliarden Dollar bezahlt.
Erdoğan zuckt einfach mit den Schultern. Er sagt, dass die Türkei die Koproduktion der S-400 und des noch fortgeschritteneren S-500-Systems mit Russland in Betracht zieht; dass das S-400 die souveräne Entscheidung der Türkei sei und dass die Türkei auch Verhandlungen über den Erwerb oder die Koproduktion des russischen Su-57-Kampfflugzeugs anstelle der F-35 aufnehmen werde.
Das S-400 kann Ziele in einer Distanz von bis zu 400 km erreichen. Es wurde entwickelt, um die Luftwaffe der NATO abzuschiessen - einschließlich der in der Entwicklung befindlichen F-35.
Die ersten Teile der S-400-Systeme kamen am 13. Juli in Ankara an.
Der US-Repräsentant John Sarbanes (D-Md.) veröffentlichte am 12. Juli die folgende Erklärung:
"Die Entscheidung der Türkei, die Beschaffung des russischen Boden-Luft-Raketensystems S-400 fortzusetzen, stellt eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten und unserer NATO-Verbündeten dar. Durch den Kauf und die Integration eines hochentwickelten russischen Raketenabwehrsystems in die NATO-Hardware gefährdet die Türkei nicht nur die NATO-Sicherheit in der Region, sondern repräsentiert auch Russland mit einen Sieg in seinen laufenden Bemühungen um Spaltung und Misstrauen unter den NATO-Mitgliedstaaten. Unter Präsident Erdogan hat sich die Türkei - gefährlicherweise - zu einem antidemokratischen, autoritären Regime entwickelt, dessen Aktionen die NATO-Verteidigung wiederholt untergraben haben. Um zu beweisen, dass die Türkei als vertrauenswürdiger und zuverlässiger Partner in der Region agieren kann, muss die Türkei unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um das S-400-System vollständig abzubauen und nach Russland zurückzubringen."
Inzwischen ist die türkische Lira gefallen und die Wirtschaft des Landes ist in diesem Jahr wieder geschrumpft.
Die Beziehung zwischen Ankara und Washington könnte in einen Sturm ausbrechen, wenn die USA sich in der versprochenen Weise revanchieren: Die Mitgliedschaft der Türkei im JSF-Programm aussetzen, die Ausbildung türkischer Piloten beenden, andere kritische militärische Ausrüstung, insbesondere die intelligente Munition, die die Türkei gegen kurdische Militante im eigenen Südosten und/oder in Nordsyrien und Nordirak einsetzt, nicht liefern, hohe türkische Beamte und Rüstungsfirmen, die am S-400-Programm beteiligt sind, sanktionieren, und eine neue Welle von Wirtschaftssanktionen könnte die ohnehin schon fragile finanzielle Stellung des Landes im freien Fall abstürzen lassen.
Man könnte hier ein wenig politische Akrobatik benutzen: Man setze Erdoğan weiter (wirtschaftlich) unter Druck, aber ohne Brücken zu verbrennen: Erdogan wird bis, sagen wir, 2074, nichts mehr zu Sagen haben.
In Washington gibt es drei Möglichkeiten, mit einem zur-Bedrohung-gewordenen Verbündeten umzugehen:
- Da es noch einige andere transaktionale Bereiche gibt, bei denen die USA und die Türkei weiterhin voneinander abhängig sind, werden die Sanktionen nachlässig sein.
- Man erinnere sich an den Fall von Pastor Andrew Brunson, als der wirtschaftliche Abschwung in der Türkei dazu beigetragen hat, die Freilassung des amerikanischen Pastors sicherzustellen, indem die Türkei wirtschaftlich unter Druck gesetzt wurde. Was Erdogan am meisten fürchtet sind die US-CAATSA-Sanktionen. Nach den neuesten offiziellen Statistiken liegt die Arbeitslosenquote in der Türkei bei 13%, wobei 4,2 Millionen Menschen auf der Suche nach Arbeit sind. Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession und die Lira ist instabil.
- Man entwickle eine pragmatische Mischung aus beiden Plänen, um dauerhaft explosive Schäden für das Land zu vermeiden.
Indem sie der erste NATO-Verbündete sind, der das russische Boden-Luft-Raketensystem S-400 auf seinem Boden einsetzt und die Interoperabilität ignoriert, müssen die NATO-Mitglieder herausfinden, wie sie mit einem neuen "Freind" umgehen sollen.
Burak Bekdil, einer der führenden Journalisten der Türkei, wurde kürzlich nach 29 Jahren von der renommiertesten Zeitung des Landes entlassen, weil er in Gatestone geschrieben hat, was in der Türkei geschieht. Er ist Fellow beim Middle East Forum.