Was hat die Terrorgruppe Hamas mit der Antigewaltgruppe Black Lives Matter gemeinsam? Was haben die israelische Demokratie und der antisemitische Ku-Klux-Klan gemein? Oder die Islamische Republik Iran, die Schwule von Dächern wirft, und Schwulenrechtsaktivisten? Oder Feministinnen und radikale islamische Sexisten, die Ehrenmorde und weibliche Genitalverstümmelung unterstützen? Selbstverständlich nichts. Es sei denn, man ist ein Anhänger des pseudoakademischen Konzepts der Intersektionalität.
Intersektionalität – eine radikale Theorie, die davon ausgeht, dass alle Formen gesellschaftlicher Unterdrückung zwangsläufig miteinander verquickt sind – ist zu einem Codewort für antiamerikanischen, antiwestlichen, antiisraelischen und antisemitischen Fanatismus geworden. Nirgendwo wird dieses radikale Paradigma so stark aufgegriffen wie an Universitäten, wo es unter dem Banner der "Identitätenpolitik" und der "Solidarität" künstliche Koalitionen verschiedener Bewegungen erzwingt, die nichts miteinander gemein haben ausser dem Hass auf Mitstudenten, die "privilegiert" sind, weil sie weiss, heterosexuell, männlich und vor allem jüdisch sind.
Studenten an der Universität von Illinois meldeten sich kürzlich in den sozialen Medien zu Wort, um ihre Bestürzung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass ihr Campus mit Flugblättern überschüttet worden war, auf denen gefordert wurde, "den jüdischen Privilegien ein Ende zu bereiten". In fetter Schrift stand dort zu lesen: "Die Priviliegien der Weissen zu beenden, fängt damit an, den jüdischen Privilegien ein Ende zu bereiten." Es waren Umrisse des Davidsterns zu sehen, auf die ein Pfeil zeigte; die Bildunterschrift lautete: "Die 1%". Obwohl auf einigen der Flugblätter Black Lives Matter als Verantwortlicher genannt war, ist unklar, ob sie von rechtsextremen Gruppen stammen, die sich linker Sprachbilder bedienen, oder ob es linksextreme Antisemiten sind. In mancherlei Hinsicht macht es keinen wirklichen Unterschied, denn viele auf der äussersten Rechten und Linken teilen die Abneigung gegen Juden, deren Nationalstaat und das sogenannte "jüdische Privileg".
Schon der Begriff "Privileg" – die Vorstellung, dass Weisse in westlichen Gesellschaften Nutzen aus bestimmten Privilegien ziehen, im Unterschied zu Nichtweissen, die in derselben gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Umgebung leben – hat in den Vereinigten Staaten eine lange und komplexe Geschichte. Die Unterdrückung schwarzer Amerikaner und anderer Nichtweisser ist ein grassierendes Problem, das weitreichendes Handeln vonseiten des Gesetzgebers und aller Bürger erfordert. Indem sie dieses hausgemachte soziale Problem auf das sogenannte "jüdische Privileg" zurückführen, betreiben diese Radikalen traditionellen ökonomischen Antisemitismus; für tiefsitzende gesellschaftliche Probleme machen sie den jüdischen Status quo, Besatzung oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verantwortlich.
Diese Praxis ähnelt der widerwärtigen antisemitischen Propaganda der 1930er Jahre, als Juden – und der sogenannte jüdische Reichtum – in deutschen Zeitungen für Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg und den nachfolgenden wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich gemacht wurden. Lügengeschichten darüber, wie die Juden die Weltfinanzen kontrollieren – die zum ersten Mal in einer zaristischen Fälschung, den Protokollen der Weisen von Zion formuliert wurden – waren damals antisemitisch und sind es heute, egal, ob sie von der extremen Linken oder Rechten kommen. Dafür, dass Juden an der ökonomischen und sozialen Ungleichheit im gegenwärtigen Amerika schuld wären, gibt es nicht mehr Belege als dafür, dass Juden für irgendeines der anderen Verbrechen verantwortlich wären, die die Basis für die traditionellen Blutgerüchte bilden.
In Wirklichkeit unterstützen Juden in überproportional hoher Zahl Rassengleichheit und andere liberale Anliegen. Die meisten erfolgreichen Juden verdanken ihren Erfolg, so wie die meisten erfolgreichen Leute anderer Religionen und Ethnien, harter Arbeit, nicht einem besonderen Privileg. Ich habe mein Leben sicherlich nicht mit irgendeinem Privileg begonnen – obwohl ich an der Yale Law School der Klassenbeste war, wurde ich von allen 32 Anwaltskanzleien, bei denen ich mich bewarb, abgelehnt.
Dass verschiedene "Diskriminierungen" auf höchst dürftiger Grundlage in einen Zusammenhang miteinander gesetzt werden, spiegelt einen grösseren Trend in der linksradikalen Politik wider, wo radikale Aktivisten immer öfter verlangen, dass die Dämonisierung von "Zionisten" – oft als Euphemismus für Juden benutzt – in das Paket aufgenommen wird, das jeder annehmen muss, der das Etikett progressive tragen will. Verschiedenartige Gruppen unter dem "Dach der Unterdrückung" zusammenzuwerfen, führt zur Bildung von Allianzen unterschiedlicher Anliegen, die nichts miteinander zu tun haben oder deren postulierte Ziele einander sogar widersprechen. Das einzige gemeinsame Merkmal ist, dass man, um beizutreten, den Nationalstaat des jüdischen Volkes dämonisieren muss.
So geben etwa einige intersektionelle Feministinnen, die an dem jüngsten Frauenmarsch in Washington beteiligt waren, vor, natürliche Verbündete von antiisraelischen muslimischen Gruppen zu sein, die "Ehrenmorde" und weibliche Genitalverstümmelung tolerieren, wenn nicht sogar billigen. Und Jewish Voices for Peace (JVP) – eine Organisation, die "ein Ende der Gewalt gegen Zivilisten, Frieden und Gerechtigkeit für alle Völker des Nahen Ostens" fordert – lud Rasmieh Odeh, ein Mitglied der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und verurteilte Terroristin, zu einer ihrer nationalen Konferenzen ein. Die Vorstellung, dass Odeh, eine Terroristin, die ziemlich buchstäblich Blut an ihren Händen hat, vor einer jüdischen Organisation spricht, die den Frieden propagiert, spricht jeder Logik Hohn. Zum Glück wurde Odeh [aus den USA] abgeschoben, weil sie einen Meineid geleistet hat, als sie ihre Verurteilung wegen Mordes verschwieg. Vielleicht werden die friedliebenden Mitglieder der JVP ihr auf Skype Beifall klatschen müssen.
Im Folgenden ein paar der vielen Beispiele dafür, wie radikale Linke Missstände miteinander verschmelzen, die nichts miteinander zu tun haben. So wird etwa die Art und Weise, wie unsere Regierung auf die Wasserkrise in Flint reagiert hat, mit der "schweren" Wasserkrise in Gaza in Verbindung gesetzt. Aktivisten von Black Lives Matter haben Gaza besucht, um Solidarität mit der Terrorgruppe Hamas und mit Palästinensern zu bekunden, die durch die Selbstverteidigungsmassnahmen der sogenannten israelischen Rassisten unterdrückt werden. Während Black Lives Matter behauptet, ihre Ziele ohne den Einsatz von Gewalt erreichen zu wollen, sind viele ihrer bekanntesten Mitglieder viel stärker darauf bedacht, den "israelischen Genozid an den Palästinensern" zu kritisieren, als die Hamas dafür, dass sie mit Raketen auf israelische Zivilisten zielt.
Während eines Interviews, das er kürzlich dem Moderator Charlie Rose auf [dem amerikanischen Fernsehsender] PBS gab, sagte Jonathan Haidt – ein Sozialpsychologe und Professor für ethische Führung an der New York University's Stern School of Business – über die Verschmelzung verschiedener linker Anliegen unter dem Banner der Intersektionalität:
"Es gibt eine gute Art von Identitätenpolitik: dann, wenn Schwarzen Rechte vorenthalten werden, zu sagen, lasst uns für ihre Rechte kämpfen. Das ist die gute Art. Aber es gibt auch eine schlechte. Sie besteht darin, Studenten und jungen Menschen überhaupt anzuerziehen, dass sie alle Menschen anhand von Rasse, Geschlecht und anderen Kategorien einteilen sollen. Deren moralischer Verdienst wird nach ihrem Mass an Privilegien bemessen – die etwas Schlechtes sind –, und anhand ihrer Opferrolle – die etwas Gutes ist. Man schaue, was passiert, wenn man alles durch diese Brille sieht. Nehmen wir Israel; die Palästinenser sind die Opfer. Darum sind sie die Guten und die Juden oder Israelis sind die Bösen. ... Es gibt die eine, alles umfassende Perspektive. Alle sozialen Probleme werden so reduziert, dass sie in diesen simplen Rahmen passen. Ich finde, wir tun ihnen keinen Gefallen. Ich glaube, wir machen die Studenten dadurch weniger vernünftig."
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass viele Feministinnen und Aktivisten für Schwulenrechte sich weigern, den Sexismus und die Homophobie in der arabischen Welt zu verurteilen. Mehr und mehr versuchen sie, anderen Progressiven eine "Kein wahrer Schotte"-Weltanschauung aufzuzwingen, laut der man, um ein "wahrer Progressiver" zu sein, eine Vielzahl von angeblich linken Anliegen akzeptieren muss, die nichts miteinander zu tun haben, solange darunter auch das Verdammen Israels ist.
Das Wesen des Antisemitismus ist die fanatische Behauptung, dass wenn es ein Problem gibt, die Juden die Ursache sein müssen. Hitler fing damit an, den Juden die Schuld an Deutschlands wirtschaftlichem Niedergang zu geben. Heutzutage machen viele linksradikale Aktivisten Israel und Zionisten direkt oder indirekt für die Missstände in der Welt verantwortlich. Alle anständigen Menschen müssen sich daran beteiligen, Intersektionalität als das blosszustellen, was es ist: ein Euphemismus für antiamerikanische, antisemitische und antiisraelische Hetze. Diese Hetze, die sich hinter dem Begriff "Intersektionalität" verbirgt, muss man aufdecken und verurteilen – damit es den repressiven Extremisten, die sich fälschlich in den Mantel der Progressiven hüllen, nicht gelingt, wichtige liberale Bewegungen zu kapern und in den Dienst ihrer fanatischen Agenda zu stellen.
WERK in Solidarity- Celebrating Intersectionality & Resistance Washington. (Foto: Ted Eytan / Flickr) |
Professor Alan M. Dershowitz ist Inhaber des Felix Frankfurter-Lehrstuhls für Rechtswissenschaften, emeritierter Professor und Autor des Buchs "Taking the Stand: My Life in the Law and Electile Dysfunction."