
"Macht Deutschland wieder groß!" Mit diesem Slogan ist Friedrich Merz am vergangenen Sonntag als klarer Sieger der Bundestagswahl hervorgegangen.
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Genauer gesagt hat der Mann, der Deutschlands nächster Bundeskanzler werden soll, den Satz übernommen, den Präsident Donald Trump in den Vereinigten Staaten populär gemacht hat. Der von Merz verwendete Slogan "Wir müssen Deutschland wieder in Ordnung bringen!" drückt dasselbe Sentiment aus.
Bei der deutschen Wahl erreichten die beiden Mitte-Rechts-Parteien CDU/CSU die Spitze, mit ihrem höchsten Ergebnis seit den goldenen Tagen Konrad Adenauers und Ludwig Erhards, der Männer, die das Nachkriegsdeutschland zu einer robusten Demokratie wieder aufbauten. In den Mittelpunkt der Debatte rückten die CDU/CSU zudem die Idee eines Nationalstaates Deutschland und nicht eines Teils eines globalisierten Konglomerats. Dabei schoben sie das 80-jährige Trauma beiseite, als der Nationalismus sich in eine Form des Nationalsozialismus verwandelte.
Der dramatische Aufstieg der rechtsgerichteten Partei Alternative für Deutschland (AfD), die ihre Stimmenzahl verdoppelte, wird noch immer von jenen instrumentalisiert, die dieses Trauma aus einer Vielzahl von Gründen am Leben erhalten möchten.
Alles in allem ist die AfD jedoch trotz der Bemühungen von Etiketten-Verteiler-Kreisen nicht das, was die NSDAP in den 1930er Jahren war. Sie kann als Teil der rechtsradikalen Bewegung gesehen werden, die Großbritannien zum Brexit führte, Viktor Orbán in Ungarn an die Macht brachte, Giorgia Meloni zur italienischen Ministerpräsidentin machte und Marine Le Pens Rassemblement National zur größten politischen Partei Frankreichs machte.
Die Wahl brachte auch den Aufstieg der radikalen Linkspartei "Die Linke" mit sich, die einige Analysten als kryptokommunistische Organisation mit einer Unterstützerbasis in der ehemaligen DDR betrachten.
Allerdings ist die Bezeichnung "Die Linke" als kommunistisch ebenso eine Übertreibung wie die AfD eine Nazipartei zu nennen.
Tatsächlich führten beide Parteien ihren Wahlkampf über Themen wie illegale Einwanderung, Angst vor Massenarbeitslosigkeit und Unbehagen über den Verlust nationaler Autorität an transnationale Organisationen wie die Europäische Union und die NATO.
Mit anderen Worten: Diese beiden radikalen Parteien gehören zu der unerklärten Koalition "Deutschland zuerst", die sich vom Schlagwort "Amerika zuerst" der Trump-Bewegung inspirieren ließ und das Pendel vom Globalismus weggeschoben hat.
Die größten Verlierer der Wahl waren die Sozialdemokratische Partei (SPD), die in einer verkleinerten Fassung überlebte, und die Freie Demokratische Partei (FDP), die gar nicht in den Bundestag einzieht.
Auch die Grünen, die auch als Wassermelonenpartei bekannt sind, weil sie außen grün und innen rot – also antikapitalistisch – sind, mussten Niederlagen hinnehmen. Sie büßten vor allem bei den jüngeren Wählern viele Stimmen ein, die in Scharen zur Linken oder zur AfD überliefen.
Unabhängig von der Parteizugehörigkeit gaben die deutschen Wähler an, dass sie das seit den 1950er Jahren entwickelte politisch-ökonomische Modell für in einer tiefen Krise begriffen halten.
Dieses Modell basierte auf fünf Säulen.
Erstens verfügte Deutschland über eine amerikanische Versicherungspolice für seine nationale Sicherheit, die es dem Land ermöglichte, etwa ein Prozent seines BIP für die Verteidigung auszugeben. Viele Deutsche glauben inzwischen, die guten alten Zeiten seien vorbei und unterstützen Merz' Plan für eine massive Erhöhung der Militärausgaben.
Trumps zweideutige Haltung gegenüber der NATO und seine Kritik an den Europäern als "Schmarotzer" haben ein Gefühl der Unsicherheit erzeugt, wie man es seit den 1930er Jahren nicht mehr gekannt hat.
Die zweite Säule war eine gesunde Demografie, die zunächst durch Masseneinwanderung angekurbelt wurde, um die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste an Menschenleben auszugleichen. Bei den Einwanderern handelte es sich zunächst um ethnische Deutsche aus Russland, Polen, der Tschechoslowakei und sogar aus weit entfernten Ländern wie Rumänien und Bulgarien.
Viele Nichtdeutsche kamen auch aus der Türkei, die bis in die 1980er Jahre der größte Arbeitskräfteexporteur Europas war.
In den vergangenen drei Jahrzehnten kam jedoch die Mehrheit der neuen Einwanderer aus kriegszerrütteten Ländern wie dem ehemaligen Jugoslawien, dem Irak, Afghanistan, den Ländern Afrikas südlich der Sahara und – am dramatischsten – Syrien.
Diese Neuankömmlinge trugen zwar dazu bei, Deutschlands demografisches Defizit zu verringern, das auf eine sinkende Geburtenrate zurückzuführen ist, schufen jedoch auch enorme kulturelle, religiöse und sicherheitspolitische Probleme, die Fremdenfeindlichkeit schüren. Ein Einwanderer, der aus einem kriegszerrütteten Land geflohen ist, ist nicht dasselbe wie jemand, der aus einem friedlichen Land kommt und in der Hoffnung lebt, zu arbeiten und sich und seinen Angehörigen ein besseres Leben in seiner alten Heimat aufzubauen.
Die dritte Säule war die Stabilität, da Deutschland zum ersten Mal seit seiner Entstehung als Nationalstaat im Jahr 1870 eine sieben Jahrzehnte währende Entwicklung als fest etablierte Demokratie durchlaufen hatte. Doch auch diese Säule schien in den vergangenen Jahren angesichts der zunehmenden Unsicherheit, die sich in zahllosen Messerangriffen, der Ermordung ausländischer politischer Exilanten, der Entstehung extremistischer Kleingruppen und Krisen im intra-industriellen Dialog - einem Kennzeichen der deutschen Demokratie - niederschlug, ins Wanken zu geraten.
Die vierte Säule, die in der postsowjetischen Ära geschaffen wurde, war der Zugang zu billigen Öl- und Gasvorkommen in Russland, der es Deutschland ermöglichte, seine Abhängigkeit von den teureren Produzenten im Nahen Osten und in Afrika zu reduzieren.
Schließlich verfügte Deutschland über eine fünfte Säule, die durch den nahezu uneingeschränkten Zugang zum rasch wachsenden chinesischen Markt repräsentiert wurde, was Deutschland zur weltgrößten Exportmacht aller Zeiten machte. Doch auch diese Säule steht auf wackligen Beinen, denn die Volksrepublik gerät in einen Zyklus der Konjunkturabschwächung, der Wirtschaftsnationalismus und die Pflege von Zöllen und Tarifen nährt.
Die Wahl brachte einige beunruhigende Tendenzen ans Licht. Sollten sie sich verstärken, könnte dies die vorbildliche Demokratie gefährden, die bei der Wahl am Sonntag mit einer enormen Wahlbeteiligung von 82,5% – der höchsten in der Europäischen Union – brillierte. Fast 60 Prozent der jungen Wähler im Alter zwischen 18 und 25 Jahren wählten radikal linke und rechte Parteien sowie die "Wassermelonen".
Deutschland steht allem Anschein nach ein holpriger Weg bevor. Die Verhandlungen darüber werden durch das hybride Wahlsystem mit teilweisem Proporzwahlrecht erschwert, das die Entstehung eines mehrheitlichen Konsenses über die Bewältigung der großen Herausforderungen, vor denen jedes Land stehen könnte, verhindert. Endloses Feilschen um die Bildung von Koalitionen und die Annahme widersprüchlicher Optionen verbrauchen einen Großteil der Energie, die zur Regierung eines Landes in der Krise nötig ist.
Ist Merz dieser gewaltigen Aufgabe gewachsen, die vor ihm liegt, in einer Zeit, in der die gesamte Europäische Union in einer Krise steckt? Dabei dürfte die Tatsache hilfreich sein, dass er der erste Geschäftsmann ist, der das Kanzleramt übernimmt, und zudem derjenige mit dem "amerikanischsten" Stil.
Er ist außerdem ein eifriger Leser von Nietzsche, der glaubte: "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker." Aber wer weiß?
Amir Taheri war von 1972 bis 1979 leitender Chefredakteur der iranischen Tageszeitung Kayhan. Er hat für unzählige Publikationen gearbeitet oder geschrieben, elf Bücher veröffentlicht und ist seit 1987 Kolumnist bei Asharq Al-Awsat. Er fungiert verdankenswerterweise als Vorsitzender von Gatestone Europe.