Am 30. März begann mit einem Versuch von Zehntausenden Palästinensern im Gazastreifen, über die Grenze nach Israel einzudringen, eine sechswöchige Kampagne von Massenprotesten, bezeichnet als "Marsch der Rückkehr". Organisiert wurde die Aktion von der Hamas, dem Islamischen Dschihad und anderen radikalen Palästinensergruppen.
Die Gruppen riefen Palästinenser im Gazastreifen dazu auf, sich in die Gebiete zu begeben, die an der Grenze zu Israel liegen. Die Demonstranten wurden darüber hinaus ermuntert, über die Grenze nach Israel einzudringen und so ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Die Hamas und ihre Verbündeten sagten den Demonstranten, der "Marsch der Rückkehr" markiere den Beginn der "Befreiung ganz Palästinas, vom Mittelmeer bis zum Jordan." Mit anderen Worten, man hat den Palästinensern gesagt, das Eindringen über die Grenze sei der erste Schritt zur Vernichtung Israels.
Die Hamasführer Ismail Haniyeh und Yehya Sinwar, die sich am 30. März den Massenprotesten entlang der Grenze zu Israel anschlossen, machten sich nicht die Mühe, das wahre Ziel hinter dem "Marsch der Rückkehr" zu verbergen – Israel zu vernichten und den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump für den Nahen Osten, der noch nicht einmal veröffentlicht ist, zu vereiteln.
Die beiden Hamasführer sagten den Demonstranten, die Demonstrationen vom 30. März markierten den Beginn einer "neuen Phase im nationalen Kampf der Palästinenser auf dem Weg zur Befreiung ganz Palästinas, vom Fluss bis zum Meer." Haniyeh und Sinwar machten ausserdem deutlich, dass der "Marsch der Rückkehr" ein anderes Ziel hatte: alle Versuche der Araber zu durchkreuzen, Frieden zu schliessen oder ihr Verhältnis zu Israel zu normalisieren.
Wenn man von den Erklärungen der beiden Hamasführer ausgeht, geht es bei der Kampagne "Marsch der Rückkehr" nicht darum, die Lebensbedingungen der Palästinenser im Gazastreifen zu verbessern. Und es geht auch nicht darum, wie man die "humanitäre" und "ökonomische" Krise im Gazastreifen lösen könnte.
Die Hamas und ihre Verbündeten haben die Demonstranten nicht an die Grenze zu Israel geschickt, damit sie Jobs und Medikamente verlangen. Sie haben die Palästinenser nicht wegen der fehlenden Energieversorgung im Gazastreifen dazu aufgerufen, ihr Leben an der Grenze zu Israel aufs Spiel zu setzen.
Nein, die Organisatoren haben die Palästinenser an die Grenze geschickt, nachdem sie ihnen versichert haben, dies sei der einzige Weg, Israel mit Hundertausenden palästinensischer "Flüchtlinge" zu fluten, als Teil des "Rechts auf Rückkehr". Das "Recht auf Rückkehr" bezieht sich auf die palästinensische Forderung, Israel solle palästinensischen "Flüchtlingen" und ihren Nachkommen erlauben, nach Israel zu ziehen.
Wie Zaher Birawi, einer der Organisatoren des "Marsches der Rückkehr" erklärte: "Das Recht auf Rückkehr ist heilig und stellt eine rote Linie dar, die nicht überschritten werden darf. Die Palästinenser werden alles dafür tun, dieses Recht zu bekommen."
Seine Worte und die der beiden Hamasführer belegen, dass die Massenproteste darauf abzielen, dass Israel Millionen von palästinensischen "Flüchtlingen" akzeptiert – als erster Schritt auf dem Weg, Juden zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land zu machen. Der nächste Schritt wäre dann, die Juden umzubringen oder auszuweisen und Israel durch einen islamischen Staat zu ersetzen.
Entscheidend ist hierbei die Tatsache, dass das, was wir an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel am 30. März erleben konnten, nicht ein Protest verarmter und elender Palästinenser gegen irgendeine Blockade war.
Wäre das so, warum forderten die Organisatoren die Palästinenser dann nicht auf, zur Grenze mit Ägypten zu marschieren? Die eigentliche Blockade des Gazastreifens erfolgt durch Ägypten, nicht durch Israel.
Im Jahr 2017 war der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen insgesamt nur 30 Tage lang geöffnet; die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen hingegen war im gleichen Jahr mehr als 280 Tage geöffnet.
Israel setzt eine Seeblockade im Gazastreifen durch, die verhindern soll, dass der Iran, die Hisbollah und andere Terrorparteien Waffen in die von der Hamas kontrollierte Küstenenklave schmuggeln. Gleichzeitig hat Israel seine Grenzübergänge zu Gaza für den Waren- und Personenverkehr beibehalten.
Israel erlaubt Palästinensern, den Gazastreifen über den Grenzübergang Erez zu betreten und zu verlassen. Im vergangenen Monat betrat der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde den Gazastreifen über den Grenzübergang Erez, nur um erleben zu müssen, wie sein Konvoi zum Ziel einer Sprengbombe am Strassenrand wurde, sobald er sich im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen befand. Israel gestattet auch Ausländern, den Gazastreifen über den gleichen Grenzübergang zu betreten. Dazu gehören Journalisten, Diplomaten und Hunderte Ausländer, die für verschiedene internationale Hilfsagenturen arbeiten, darunter auch die Vereinten Nationen.
Und all dies, während der Grenzübergang Rafah zu Ägypten geschlossen bleibt. Seit Beginn dieses Jahres haben die Ägypter den Grenzübergang nur unregelmässig und immer nur für zwei oder drei Tage geöffnet. Ägypten verwehrt auch Ausländern weiterhin das Betreten des Gazastreifens über die Grenzabfertigungsstelle Rafah. Sogar Araber, die den Menschen im Gazastreifen helfen wollen, sind gezwungen, über den Grenzübergang Erez einzureisen, weil sie von Ägypten keine Erlaubnis erhalten, die Abfertigungsstelle Rafah zu nutzen.
Im Jahr 2017 war der Grenzübergang Rafah (im Bild) zwischen Ägypten und dem Gazastreifen insgesamt nur 30 Tage lang geöffnet; die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen hingegen war im gleichen Jahr mehr als 280 Tage geöffnet. (Foto: Chris McGrath/Getty Images) |
Nehmen wir zum Beispiel den Gesandten Katars im Gazastreifen, Botschafter Mohammed Al Emadi. Jedes Mal, wenn er den Gazastreifen betritt oder ihn verlässt, nutzt er den Grenzübergang Erez zu Israel. Die Ägypter erlauben weder ihm noch anderen Arabern, die den Palästinensern im Gazastreifen helfen möchten, über die Abfertigungsstelle Rafah einzureisen.
Vor dem Hintergrund dieser Fakten stellt sich die Frage: Warum richten sich die palästinensischen Proteste nicht gegen Ägypten? Die Antwort liegt auf der Hand.
Die Palästinenser wissen, dass sie einen hohen Preis zahlen, wenn sie sich mit der ägyptischen Armee anlegen. Wo Israel Scharfschützen einsetzte, um zu verhindern, dass die Demonstranten des 30.März die Grenze überschritten, wäre die ägyptische Reaktion zweifellos wesentlich heftiger ausgefallen. Die Ägypter hätten Artillerie und Kampfflugzeuge gegen die palästinensischen Demonstranten eingesetzt. Den Palästinensern ist sehr wohl klar, dass die ägyptische Armee den gesamten Gazastreifen dem Erdboden gleichmachen würde, wenn die Palästinenser die Grenze verletzen und die nationale Sicherheit Ägyptens untergraben würden.
Ausserdem ist der "Marsch der Rückkehr" als Teil des nationalen Kampfes der Palästinenser gegen das "zionistische Gebilde" – Israel – gedacht und hat nichts mit irgendwelchen Grenzschliessungen zu tun.
Er ist Teil des palästinensischen Dschihad (heiligen Krieges) zur Auslöschung Israels, das sie als "kolonialistisches Projekt" betrachten, welches den Arabern nach dem zweiten Weltkrieg von den Westmächten aufgezwungen wurde. In einem seltenen Moment der Aufrichtigkeit gab der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, Anfang dieses Jahres zu, dass Palästinenser und Araber Israel genau so wahrnähmen.
Die Organisatoren des "Marsches der Rückkehr" haben deutlich gemacht, dass die Kampagne neben der Flutung Israels mit Millionen palästinensischer "Flüchtlinge" zwei weitere Ziele hat: den "Jahrhundertdeal" Trumps zu durchkreuzen und jede Form der Normalisierung des Verhältnisses zwischen Arabern und Israel zu beenden.
Die Palästinenser haben verkündet, dass sie Trumps Plan rundweg ablehnen, weil sie wissen, dass damit nicht ihrem Ziel, Juden in ihrem eigenen Land zu einer Minderheit zu machen, gedient wird. Trumps Plan, so glauben sie, erkenne das palästinensische "Recht auf Rückkehr" nicht an, was bedeutet, dass "Flüchtlingen" und ihren Nachkommen nicht erlaubt wird, nach Israel zu ziehen und es in ein Land mit arabischer Mehrheit zu verwandeln.
Die Organisatoren des "Marsches der Rückkehr" haben deutlich gesagt, dass dies die treibende Kraft hinter den Massenprotesten ist – der Trump-Administration eine Botschaft zu senden, dass Palästinenser keinen Deal akzeptieren werden, der ihrem Traum, Israel durch einen arabisch-islamischen Staat zu ersetzen, nicht förderlich ist.
Der "Marsch der Rückkehr" zielt auch darauf ab, die Palästinensische Autonomiebehörde und die arabischen Länder vor Zugeständnissen gegenüber Israel oder einer Zusammenarbeit mit der Trump-Administration zu warnen.
Aber noch einmal, das ist nicht das, was politische Berater sagen. Vielmehr sind es genau die Worte und Sätze, die von den Organisatoren dieser Veranstaltung verwendet werden. Ihr ultimatives Ziel: Mahmud Abbas und seine Palästinensische Autonomiebehörde daran zu hindern, an den Verhandlungstisch mit Israel zurückzukehren und ausserdem arabischen Staaten zu drohen, keine Friedensabkommen mit Israel zu unterzeichnen.
Nun teilen uns die Organisatoren mit, dass der "Marsch der Rückkehr" weitergehen und seinen Höhepunkt Mitte Mai, zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels, erreichen wird.
Der "Marsch der Rückkehr" ist nur eine weitere Phase in dem palästinensischen Versuch, die Existenz Israels im Nahen Osten auszulöschen; es geht nicht um irgendwelche Blockaden. Der "Marsch der Rückkehr" ist eine Anti-Friedens-Kampagne, die jeden Versuch, Frieden zwischen Israel und den arabischen Ländern zu erzielen, vereiteln soll.
Die Führer von Hamas, Islamischem Dschihad und der anderen Gruppen, die die Massenproteste organisiert haben, beklagen jetzt die hohe Zahl der Toten und beschuldigen Israel, das Feuer auf "unbewaffnete und friedliche" Demonstranten eröffnet zu haben. Das sind dieselben Führer, die ihr Volk gedrängt haben, zur Grenze mit Israel zu marschieren und zu versuchen, gewaltsam nach Israel einzudringen. Das sind dieselben Führer, die ihre Leute ermuntert haben, den Sicherheitszaun entlang der Grenze zu Israel zu beschädigen. Haben sie geglaubt, die israelischen Soldaten würden sie mit Blumen begrüssen?
Was Mahmud Abbas angeht, hat er wieder einmal seine grenzenlose Heuchelei unter Beweis gestellt. Stunden nach den gewalttätigen Zusammenstössen entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel, erschien Abbas im palästinensischen Fernsehen und machte Israel "allein verantwortlich" für die Gewalt, den Tod und die Verwundung von Demonstranten.
Dies ist derselbe Abbas, der uns vor Kurzem sagte, die Hamas sei eine Terrorgruppe, die hinter dem vereitelten Mordanschlag auf seinen Premierminister vom 13. März stünde. Dies ist derselbe Abbas, der im letzten Jahr Sanktionen gegen den Gazastreifen verhängte, indem er Zahlungen für von Israel in den Gazastreifen gelieferte Energie ebenso wie die Bezahlung Tausender Staatsbediensteter dort aussetzte. Anstatt die Hamas dafür zu verurteilen, dass sie die Palästinenser zu den Zusammenstössen mit der israelischen Armee schickte und damit ihr Leben in Gefahr brachte, entschied sich Abbas, Israel dafür anzuprangern, dass es seine Grenze schützt.
Der palästinensische "Marsch der Rückkehr" wird von einigen Journalisten und politischen Analysten fälschlicherweise als "friedliche und populäre" Kampagne von Palästinensern bezeichnet, die Freiheit und bessere Lebensbedingungen fordern.
Die Lebensbedingungen von Palästinensern im Gazastreifen könnten verbessert werden, wenn nur die Ägypter die Grenzstation Rafah öffneten und Palästinenser dort ausreisen liessen sowie Arabern und anderen erlaubten, den Menschen dort zu Hilfe zu kommen. Ihr Leben könnte sich verbessern, wenn die Hamas nicht länger Terrortunnel baute und Waffen schmuggelte.
Doch wie sich inzwischen gezeigt hat, ist der "Marsch der Rückkehr" nichts anderes als eine Kriegserklärung an Israel und die Trump-Administration.
Bassam Tawil ist Muslim und lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.