Italien, ein Haupteinfallstor für Migranten, die über den Seeweg kommen, hat ein scharfes neues Einwanderungsgesetz eingeführt, das es einfacher machen wird, Migranten abzuschieben, die Verbrechen verüben. Foto: Migranten in einem Holzboot warten am 10. Juni 2017 vor der italienischen Insel Lampedusa darauf, von dem Migrantenhilfsschiff Phoenix an Bord genommen zu werden. (Foto: Chris McGrath/Getty Images) |
Das italienische Parlament hat ein scharfes neues Einwanderungs- und Sicherheitsgesetz gebilligt, das es erleichtern wird, Migranten abzuschieben, die Straftaten verüben und jenen, die wegen Terrorismus verurteilt wurden, die italienische Staatsangehörigkeit zu entziehen.
Italiens Unterhaus, die Camera dei Deputati, votierte am 28. November mit 396 zu 99 Stimmen für das neue Gesetz, das von Innenminister Matteo Salvini eingebracht worden war. Schon am 7. November hatte die Gesetzesvorlage den Senat passiert. Am 3. Dezember wurden die neuen Regeln von Präsident Sergio Mattarella verkündet.
Das neue Gesetz, das auch als das "Sicherheitsdekret" bzw. "Salvini-Dekret" bekannt ist, hat mehrere Schlüsselelemente:
Es beendet humanitären Schutz. Ein vorrangiges Ziel ist es, die Zahl der Migranten zu verringern, die in Italien Asyl erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, schafft Artikel 1 des Dekrets die Aufenthaltsgenehmigung für diejenigen ab, die sogenannten "humanitären Schutz" genießen, eine Duldung derjenigen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt sind.
Im alten System waren die Bedingungen, um sich für humanitären Schutz zu qualifizieren – eine der drei Formen des Schutzes, der Asylbewerbern gewährt wird, zusätzlich zu politischem Asyl und subsidiärem Schutz – vage und anfällig für Missbrauch. Migranten, die in Italien ankamen, konnten humanitären Schutz einfordern, der zwei Jahre dauerte und den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zu einer Wohnung öffnete.
Nach dem neuen Gesetz werden die italienischen Behörden nur echten Flüchtlingen, die vor Krieg oder politischer Verfolgung geflohen sind, Asyl erteilen. Das neue Gesetz führt zudem eine Reihe von Sondergenehmigungen (etwa bei vorliegenden Gesundheitsgründen oder Naturkatastrophen im Herkunftsland) ein, mit einer Maximaldauer zwischen sechs Monaten und einem Jahr.
Verlängerung der Internierung von Migranten. Artikel 2 des neuen Gesetzes erlaubt es den italienischen Behörden, Migranten für maximal 180 Tage in sogenannten Rückführungszentren (Centri di permanenza per il rimpatrio, CPR) festzuhalten. Die Verlängerung steht in Einklang mit der Frist, die für nötig erachtet wird, um die Identität und Nationalität eines Migranten zu überprüfen.
Zusätzlich ermöglicht Artikel 3, dass Asylsuchende für eine Dauer von maximal 30 Tagen in sogenannten Hotspots festgehalten werden können, das sind Identifizierungseinrichtungen an den EU-Außengrenzen. Wird die Identität dort nicht innerhalb von 30 Tagen ermittelt, kann ein Asylbewerber für 180 Tage in einem Rückführungszentrum untergebracht werden. Mit anderen Worten: Asylsuchende können für 210 Tage festgehalten werden, um ihre Identität zu prüfen.
Aufstockung der Mittel für Abschiebungen. Artikel 6 sieht vor, zusätzliche Gelder für Rückführungen zur Verfügung zu stellen: 500.000 Euro im Jahr 2018, 1,5 Millionen 2019 und weitere 1,5 Millionen 2020.
Erleichterter Widerruf von Schutz. Artikel 7 erweitert die Liste von Straftaten, bei denen der Flüchtlingsstatus oder subsidiäre Schutz entzogen werden kann. Asylbewerber können ab sofort ihren Schutz verlieren, wenn sie wegen einer der folgenden Straftaten verurteilt wurden: Drohungen oder Gewalt gegenüber Beamten; Körperverletzung; weibliche Genitalverstümmelung; sowie verschiedene Diebstahlsdelikte.
Das Asylverfahren kann unterbrochen werden, wenn gegen den Antragsteller wegen einer der genannten Straftaten ermittelt wird und eine Verurteilung zur Verweigerung des Asyls führen würde. Zudem verlieren Flüchtlinge, die auch nur kurzfristig in ihr Herkunftsland zurückkehren, den internationalen und subsidiären Schutz.
Liste sicherer Herkunftsländer. Artikel 7-bis ermöglicht die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsländer, namentlich solcher mit einem demokratischen politischen System, in denen es "im Allgemeinen und fortdauernd" keine politische Verfolgung, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, drohende Gewalt oder bewaffnete Konflikte gibt. Mindestens zwölf EU-Länder haben bereits solche Listen, die verwendet werden, um einen Missbrauch der nationalen und EU-Asylsysteme zu verhindern.
Laut dem Dekret müssen Asylbewerber, die aus einem Land der Liste kommen, den Beweis erbringen, dass ihnen in ihren Heimatländern Gefahren drohen. Das Gesetz führt zudem neue Kategorien ein, die Asylanträge "offensichtlich unbegründet" machen. Das gilt etwa für Personen, die widersprüchliche Angaben gemacht haben; Personen, die falsche Angaben gemacht oder sich mit falschen Dokumenten ausgewiesen haben; Personen, die den Fingerabdruck verweigern; Personen, gegen die ein Abschiebebefehl vorliegt; Personen, die eine Bedrohung der Ordnung und Sicherheit darstellen; Ausländer, die Italien auf regelwidrige Weise betreten und nicht sofort einen Asylantrag gestellt haben.
Zusätzlich zu der Liste der sicheren Herkunftsländer führt Artikel 10 das Prinzip der "Binnenflucht" ein; das bedeutet: "Wenn ein ausländischer Bürger in Regionen des Herkunftslandes zurückgeführt werden kann, wo es kein Verfolgungsrisiko gibt, wird der Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt."
Schrumpfung des Systems der Asylunterkünfte. Artikel 12 besagt, dass ab sofort nur noch unbegleitete Minderjährige und jene, die sich für internationalen Schutz qualifizieren, die bisherigen, von den italienischen Kommunen verwalteten Empfangseinrichtungen für Asylsuchende und Flüchtlinge (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati, SPRAR) nutzen dürfen. Alle anderen Asylbewerber werden entweder in "unkonventionellen" Empfangszentren (Centri di Accoglienza Straordinaria, CAS) oder in Empfangszentren für Asylbewerber (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo, CARA) untergebracht. Diese Änderungen zielen darauf, nicht nur eine zentrale Aufsicht über den Asylprozess wiederherzustellen, sondern auch den Zugang zu Sozialleistungen auf Grundleistungen zu beschränken.
Aberkennung der Staatsbürgerschaft. Artikel 14 ermöglicht die Aberkennung der italienischen Staatsbürgerschaft bei allen, die nicht durch Geburt Italiener sind und wegen Straftaten verurteilt wurden, die mit Terrorismus zu tun haben. Zu den Personengruppen, bei denen das möglich ist, gehören u.a.: Ausländer, die die Staatsangehörigkeit nach zehnjährigem Aufenthalt erworben haben; Staatenlose, die die Staatsangehörigkeit nach fünfjährigem Aufenthalt erworben haben; Kinder von Ausländern, die in Italien geboren wurden und die Staatsangehörigkeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit erworben haben; Ehepartner italienischer Bürger sowie erwachsene Ausländer, die von einem italienischem Bürger adoptiert wurden.
Der Widerruf der Staatsangehörigkeit ist innerhalb von drei Jahren nach der abschließenden Verurteilung wegen Straftaten möglich, die in Verbindung mit Terrorismus stehen, durch Dekret des Präsidenten der Republik, auf Vorschlag des Innenministers.
Artikel 14 verlängert zudem die Wartezeit zur Erlangung der Staatsbürgerschaft von 24 auf 48 Monate.
Stärkung der Sicherheitsmaßnahmen. Das neue Gesetz führt zudem Regeln ein, die darauf zielen, Maßnahmen zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit zu stärken; dabei geht es vor allem um die Bedrohung durch den Terrorismus und den Kampf gegen kriminelle Infiltration bei öffentlichen Ausschreibungen.
Um mit Fahrzeugen verübte Anschläge auf Fußgänger an Orten mit dichtem Gedränge zu verhindern, ermöglicht es Artikel 17 Autoverleihern, Personen, die einen PKW oder LKW mieten wollen, besser zu kontrollieren. Artikel 19 erlaubt es der Polizei in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern, Elektroschocker (Taser) einzusetzen. Artikel 24 enthält Maßnahmen zur Stärkung der Anti-Mafia-Gesetze und Vorbeugemaßnahmen. Die italienische Mafia nämlich hat von der Migrationskrise profitiert, heißt es.
Auf einer Pressekonferenz sagte Innenminister Salvini, das neue Gesetz bringe Ordnung in ein funktionsuntüchtiges Asylsystem. "Mit festen Kriterien, gesundem Menschenverstand und exzellenten Ergebnissen führen wir Ordnung, Regeln, Ernsthaftigkeit, Transparenz und gleiche Verhältnisse in das Asylempfangssystem ein, in ein System, das zu einer Ware geworden ist, einem Geschäft, das außer Kontrolle geraten ist und für das das italienische Volk zahlt." Er fügte hinzu:
"Wir müssen diejenigen willkommen heißen, die vor Kriegen fliehen, aber es gibt keinen Platz für Wirtschaftsmigranten. Im Zeitalter der globalen Kommunikation muss eine klare Botschaft an Migranten in allen Herkunftsländern ausgesandt werden und auch an die Schlepper, die kapieren werden, dass sie sich andere Jobs suchen müssen. Der, der vor Krieg flieht, ist mein Bruder, doch der, der hierherkommt, um Drogen zu verkaufen und Chaos zu veranstalten, muss in sein Land zurückkehren."
Von Italiens Mainstreammedien, linksgerichteten politischen Parteien und NGOs und anderen Gruppen, die sich mit Einwanderung beschäftigen, wurde das neue Gesetz entschieden verurteilt. Salvatore Geraci von der italienischen Wohlfahrtsorganisation Caritas Italia nannte das Gesetz "das schlimmste in der italienischen Geschichte", es sei "krankmachend, nutzlos und schädlich". Er fügte hinzu: "Der Text ist weitgehend das Ergebnis von Vorurteilen und Wahltaktik, von vereinfachender Herangehensweise an ein komplexes Phänomen."
Salvini erwiderte: "Ich frage mich, ob diejenigen, die das Sicherheitsdekret in Frage stellen, es überhaupt gelesen haben. Ich verstehe nicht wirklich, wo das Problem liegt: Kriminelle werden abgeschoben und gleichzeitig der Kampf gegen die Mafia, das Bandenwesen und Drogen verstärkt."
Salvini, der Vorsitzende der Anti-Einwanderungspartei Lega, hat mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) am 1. Juni eine neue Regierung gebildet. Das Regierungsprogramm, das in einem 39-seitigen Aktionsplan skizziert ist, verspricht ein hartes Vorgehen gegen illegale Einwanderung und die Abschiebung von bis zu 500.000 Migranten ohne Papiere.
Italien ist Europas Haupteinfallstor für Migranten, die auf dem Seeweg kommen: Laut Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen 2017 119.369 Personen an, nach 181.436 im Jahr 2016. Schätzungsweise 700.000 Migranten kamen in den letzten fünf Jahren nach Italien, doch seit Salvini im Amt ist, ist die Zahl stark zurückgegangen. Während der ersten elf Monate von 2018 kamen laut der IOM lediglich 23.000 Migranten an.
Unterdessen hat Salvini angekündigt, dass Italien nicht den Globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen unterzeichnen werde, es werden auch keine italienischen Vertreter zur Konferenz reisen, die am 10. und 11. Dezember im marokkanischen Marrakesch stattfindet. Der Globale Migrationspakt zielt nicht nur darauf, Migration als ein Menschenrecht festzuschreiben, sondern auch darauf, Kritik an Migration mithilfe von Gesetzen gegen Hassverbrechen zu verbieten.
Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte am 28. November vor dem Parlament:
"Der Globale Migrationspakt ist ein Dokument, das Dinge und Fragen anspricht, zu denen viele Bürger eine klare Meinung haben. Darum erachten wir es für richtig, die Debatte ins Parlament zu bringen und jegliche endgültige Entscheidung vom Ausgang der Debatte abhängig zu machen, so wie es auch die Schweiz getan hat. Darum wird die Regierung in Marrakesch nicht mitmachen und sich die Option vorbehalten, das Dokument erst dann anzunehmen oder abzulehnen, wenn das Parlament seine Meinung kundgetan hat."
Mehr als ein Dutzend Länder haben angekündigt, dass sie das Abkommen nicht unterzeichnen werden. Unter den westlichen Ländern sind: Australien, Österreich, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Ungarn, Israel, Italien, Litauen, Polen, die Slowakei, die Schweiz und die Vereinigten Staaten.
Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute.