Türkische Militärflugzeuge verletzten am 15. April 90 Mal den griechischen Luftraum und überflogen dreimal bewohnte griechische Inseln, wie griechische Medien berichteten. Tatsächlich verletzen türkische Flugzeuge den griechischen Luftraum seit Anfang des Jahres fast ununterbrochen. Die Türkei droht seit Jahren offen damit, griechische Inseln in der Ägäis zu erobern. Im Bild: Eine F-16 der türkischen Luftwaffe über Eskisehir, Türkei, am 13. September 2020. (Foto von Adem Altan/AFP via Getty Images) |
Während die Welt durch Russlands Einmarsch in der Ukraine abgelenkt war, war die Türkei, ein Mitglied des NATO-Bündnisses, damit beschäftigt, ein anderes NATO-Mitglied, ihren westlichen Nachbarn Griechenland, zu schikanieren.
Türkische Militärflugzeuge verletzten den griechischen Luftraum am 15. April 90 Mal an einem Tag und überflogen griechischen Medien zufolge dreimal bewohnte Inseln.
Tatsächlich verletzen türkische Flugzeuge den griechischen Luftraum seit Anfang des Jahres fast ununterbrochen.
Nach Angaben des griechischen Generalstabs für nationale Verteidigung verletzte die Türkei den griechischen Luftraum vom 11. bis 13. April an jedem einzelnen Tag. Ihre F-16-Kampfjets flogen über die griechischen Inseln Panagia, Oinousses und Farmakonisi. "Die türkischen Jets wurden von griechischen Kampfjets identifiziert und abgefangen, wie es internationales Recht und Praxis vorsehen", berichtete die Zeitung Kathimerini.
Währenddessen stellte der türkische Waffenhersteller und Verteidigungsunternehmer Roketsan, eine Tochtergesellschaft der Stiftung der türkischen Streitkräfte, am 31. März in einem Video seine neue Rakete vor, die auf eine griechische Insel in der Ägäis zielt.
Das berichtete die Nachrichten-Website Nordic Monitor:
"Ein Simulationsvideo, das als Werbespot für die neue Rakete produziert wurde, enthält Botschaften an Griechenland. Militärexperten, die mit Nordic Monitor sprachen, erklärten, dass große waffenproduzierende Unternehmen wie Roketsan mehr globale Werbung für ihre internationalen Kunden gemacht haben, aber dass türkische Unternehmen schon seit Jahren Simulationen produzieren, die auf Griechenland und andere Nachbarn zielen.
"Experten, die die Bilder für Nordic Monitor analysiert haben, sagen, dass der Ort, von dem aus die Raketen im Video abgefeuert werden, die Küste von Çeşme im Westen der Türkei ist und dass die Satellitenkarte im Video nur mit kleinen Änderungen wiedergegeben wurde.
"Sie erklären außerdem, dass die im Video gezeigten realen Insel- und Felsenbilder bestätigen, dass es sich um die Küste von Çeşme handelt. In diesem Fall ist der Ort, der im Video als Feind dargestellt wird, die griechische Insel Chios, die 4,1 Meilen von der türkischen Küste entfernt ist.
"In dem Video erscheint die türkische Seite unterschwellig als befreundete Seite, oder nach militärischer Terminologie als blaue Seite, während die andere Seite durch die Farbe Rot definiert wird, was Feind bedeutet.
"In diesem Fall ist es sicherlich kein Zufall, dass die Raketen in dem Video von Osten nach Westen abgefeuert wurden. In solchen Videos werden Raketen in der Regel von links nach rechts simuliert, aber in dem ÇAKIR-Video werden die Raketen von rechts nach links abgefeuert und die feindlichen Ziele zerstört, was unterschwellig die Botschaft vermittelt, dass das Ziel Griechenland ist."
In der Tat droht die Türkei – sowohl ihre Regierung als auch die politische Opposition – seit Jahren offen damit, griechische Inseln in der Ägäis zu erobern. Und wie die jüngsten Verletzungen des griechischen Luftraums durch die Türkei, das Roketsan-Video und die Erklärungen türkischer Beamter zeigen, scheint der Einmarsch Russlands in die Ukraine einen geeigneten Präzedenzfall für die Türkei zu bieten, um ihre militärische Aggression gegen Griechenland zu verstärken.
Die Türkei behauptet, dass Griechenland durch die Stationierung von Truppen und Rüstungsgütern auf den östlichen Inseln in der Ägäis gegen internationale Vereinbarungen verstoßen habe. Griechenland hat diese Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und geantwortet, dass die Inseln nicht entmilitarisiert werden, solange eine militärische Bedrohung durch die Türkei besteht.
Der rechtliche Status der griechischen Inseln in der Ägäis ist eindeutig: Im Vertrag von Lausanne wurden die Grenzen zwischen der Türkei und Griechenland festgelegt, mit Ausnahme der damals von Italien besetzten Dodekanes-Inseln, die 1947 nach der Unterzeichnung des Pariser Friedensvertrags zwischen Italien und den Alliierten des Zweiten Weltkriegs mit Griechenland wiedervereint wurden.
Die griechische Souveränität über diese Inseln ist in internationalen Übereinkommen festgeschrieben: Dem Vertrag von Lausanne von 1923, dem Vertrag von Montreux von 1936 und dem Pariser Vertrag von 1947.
Im Juli 2021 reichte die Türkei jedoch bei den Vereinten Nationen eine Beschwerde in dieser Angelegenheit ein. In dem an Generalsekretär Antonio Guterres gerichteten und von Feridun Sinirlioğlu, dem Ständigen Vertreter der Türkei bei den Vereinten Nationen, unterzeichneten Schreiben heißt es:
"Auf Anweisung meiner Regierung möchte ich Sie erneut darauf aufmerksam machen, daß Griechenland seine förmlichen vertraglichen Verpflichtungen sowohl in der Ägäis als auch im Mittelmeer in bezug auf die Inseln, deren Souveränität an Griechenland unter der ausdrücklichen und strengen Bedingung abgetreten wurde, daß sie entmilitarisiert bleiben, weiterhin in eklatanter Weise verletzt...
"Die fortgesetzte, vorsätzliche und beharrliche Verletzung der Entmilitarisierungsbestimmungen der Friedensverträge von Lausanne und Paris durch Griechenland, die für die Verwirklichung ihres Ziels und Zwecks wesentlich sind, stellt eine ernste Bedrohung für die Sicherheit der Türkei dar."
Daraufhin hat die Ständige Vertreterin Griechenlands bei den Vereinten Nationen, Maria Theofili, ein Schreiben an UNO-Generalsekretär Antonio Guterres gerichtet, in dem es unter anderem heißt:
"Die in dem oben genannten türkischen Schreiben enthaltenen Argumente, dass die Souveränität über die griechischen Inseln der Ägäis und des östlichen Mittelmeers durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 und den Vertrag von Paris vom 10. Februar 1947 '...unter der besonderen und strengen Bedingung, dass sie entmilitarisiert bleiben', an Griechenland abgetreten wurde, sind nicht nur offensichtlich unbegründet, sondern auch rechtlich und historisch inkorrekt. Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass die Souveränität über die Inseln, Inselchen und Felsen der Ägäis durch die oben genannten Verträge endgültig und bedingungslos an Griechenland abgetreten wurde und dass jede Auslegung, die gegen den Buchstaben oder den Geist dieser grundlegenden Verträge verstößt, einem unerlaubten Versuch gleichkäme, sie einseitig zu revidieren und abzuändern."
Im Januar wurde in den türkischen Medien ein Video veröffentlicht, in dem behauptet wird, dass Studenten der türkischen Marineakademie die griechische Insel Kastellorizo ("Meis" auf Türkisch) leicht erreichen könnten, indem sie von der Türkei aus dorthin schwimmen. Das Video wurde auch auf dem offiziellen Twitter-Account des türkischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht. Das Video beginnt mit der Aussage des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar:
"Es gibt die Insel Meis, 1950 Meter von der Türkei entfernt. Der Schwimmstandard unserer Militärakademieschüler liegt bei 2.000 Metern. Sie können also schwimmend dorthin gelangen."
Das Video zeigt dann einige türkische Studenten der Militärakademie, die zur Insel Tuzla schwimmen, die ebenfalls 1.950 Meter von Istanbul entfernt ist, wo sie stationiert sind.
Wenn die Türkei keine militärischen oder aggressiven Ambitionen gegenüber diesen griechischen Inseln hat, warum will sie dann so hartnäckig keine griechische Militärpräsenz auf diesen Inseln, die rechtmäßig griechisches Hoheitsgebiet sind?
Leider scheint die Türkei eine expansionistische Agenda zu verfolgen, die eine jahrhundertelange Geschichte hat und die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan artikuliert hat.
Griechenland hat keine solche Agenda. Griechenland war nicht damit beschäftigt, seine Nachbarn oder andere Nationen im Nahen Osten zu überfallen oder zu bedrohen.
Die Türkei hingegen ist 1974 in Nordzypern einmarschiert, hat die dort lebenden griechischen Christen gewaltsam vertrieben und versucht seither, sich den Rest anzueignen. Im Jahr 2018 ist die Türkei auch in Nordsyrien einmarschiert und hält die Region seitdem mit Hilfe dschihadistischer paramilitärischer Kräfte besetzt.
Da die türkische Wirtschaft immer weiter zurückgeht, sinkt auch die Unterstützung der türkischen Öffentlichkeit für die Regierung. Laut einer Umfrage der Meinungsforschungsgruppe Yoneylem aus dem Jahr 2021 haben 53 % der türkischen Bürger das Vertrauen in den türkischen Präsidenten verloren. Nach den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts ORC zwischen Februar 2021 und März 2022 hat die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) im vergangenen Jahr in jedem einzelnen Monat Stimmen verloren. Könnte es also sein, dass die türkische Regierung einen militärischen Sieg gegen Griechenland für nötig hält, um Erdogans Stimmenanteil bei den kommenden Parlamentswahlen 2023 zu erhöhen?
Außerdem jährt sich 2023 die Gründung der türkischen Republik und die Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne. Erdogan erklärte, seine Regierung habe sich für 2023 einige Ziele gesetzt. Angesichts der Handlungen und Äußerungen der türkischen Regierung dürften diese Ziele auch eine territoriale Expansion beinhalten. Am 19. Oktober sagte Erdogan:
"[1914] war unser Territorium 2,5 Millionen Quadratkilometer groß, und nach neun Jahren, zur Zeit des Vertrags von Lausanne, war es auf 780.000 Quadratkilometer geschrumpft... Das Beharren auf [den Grenzen von 1923] ist die größte Ungerechtigkeit, die man dem Land und der Nation antun kann. Während sich in der heutigen Welt alles verändert, können wir die Beibehaltung unseres Status von 1923 nicht als Erfolg ansehen."
Am 22. Oktober 2016 sagte er:
"Wir haben unsere Grenzen nicht freiwillig akzeptiert... Zu der Zeit [als die aktuellen Grenzen gezogen wurden] haben wir vielleicht zugestimmt, aber der wahre Fehler ist, sich diesem Opfer zu ergeben."
Im Monat davor bezog sich Erdogan direkt auf die Inseln in der Ägäis, als er sagte:
"Sie können die Ägäis jetzt sehen, nicht wahr? In Lausanne haben wir die Inseln verschenkt, auf denen man euren Schrei hier [in der Türkei] hören kann. Ist das ein Sieg? Diese Orte gehörten früher uns."
In einem Interview mit dem staatlichen Fernsehsender TRT am 10. Februar sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu:
"Wir haben zwei Briefe an die UNO geschickt, weil diese Inseln Griechenland mit dem Vertrag von Lausanne 1923 und dem Pariser Friedensvertrag 1947 unter der Bedingung überlassen wurden, dass es sie nicht bewaffnet. Aber Griechenland hat in den 60er Jahren begonnen, diese Bedingung zu verletzen... Diese Inseln wurden unter bestimmten Bedingungen abgetreten. Wenn Griechenland nicht aufhört, wird die Souveränität dieser Inseln in Frage gestellt... Wenn nötig, werden wir eine letzte Warnung aussprechen."
Daraufhin gab der federführende Sprecher für Außenbeziehungen der Europäischen Union, Peter Spano, eine Erklärung ab:
"Die Souveränität Griechenlands über diese Inseln ist unbestreitbar. Die Türkei sollte sie respektieren, auf provokative Äußerungen und Handlungen in dieser Hinsicht verzichten, sich eindeutig zu gutnachbarlichen Beziehungen verpflichten und sich für eine friedliche Beilegung etwaiger Streitigkeiten einsetzen. Internationale Vereinbarungen müssen respektiert werden."
Die türkischen Behörden haben es jedoch weiterhin auf die griechischen Inseln abgesehen. Am 18. Februar sagte Erdogan:
"Es ist uns nicht möglich, zu den militärischen Aktivitäten zu schweigen, die unter Verletzung der Vereinbarungen auf den Inseln mit entwaffnetem Status durchgeführt werden. Wir haben dieses Thema auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen gesetzt. Es wird auch in der kommenden Periode auf der Tagesordnung stehen".
Trotz einer Vereinbarung über die Einhaltung wichtiger nationaler und religiöser Feiertage zwischen den beiden Ländern drang die Türkei am 6. Januar, dem Dreikönigstag, an dem die orthodoxen Christen die Offenbarung Christi feiern, 37 Mal mit F-16-Kampfjets und CN 235-Transportflugzeugen in den griechischen Luftraum ein. Am 7. Februar verletzte die Türkei den griechischen Luftraum 60 Mal an einem einzigen Tag. Am 14. März, einen Tag nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs Griechenlands und der Türkei in Istanbul, bei dem ein Abbau der Spannungen in der Ägäis vereinbart wurde, gaben griechische Militärquellen bekannt, dass die Türkei 25 Mal den griechischen Luftraum verletzt hat.
Währenddessen bezeichnete der griechische Außenminister Nikos Dendias die Haltung der Türkei gegenüber Griechenland als "Inbegriff der Irrationalität" und fügte hinzu:
"Die Türkei hat vor unseren Inseln die größte Landungstruppe und die größte Landungsflotte im Mittelmeer aufgestellt und verlangt gleichzeitig, dass wir unsere Inseln entmilitarisieren – mit anderen Worten, dass wir auf unser anerkanntes Recht auf Selbstverteidigung, wie es in der UNO-Charta vorgesehen ist, verzichten."
Die Aggression der Türkei gegen die griechischen Inseln und das übrige Griechenland sollte im historischen Kontext der türkischen Eroberungen, des Imperialismus und der Islamisierung über die Jahrhunderte hinweg analysiert werden. Die ursprünglich aus Zentralasien stammenden Türken fielen im 11. Jahrhundert in Kleinasien ein, das damals innerhalb der Grenzen des griechisch-byzantinischen Reiches lag, und begannen mit der Eroberung und Türkisierung des Landes. Die osmanischen Türken fielen im 15. Jahrhundert in die damals griechische Stadt Konstantinopel (das heutige Istanbul) ein und zerstörten das Byzantinische Reich. Nach fast vier Jahrhunderten osmanischer Unterdrückung erlangten die Griechen im Unabhängigkeitskrieg (1821-32) ihre Unabhängigkeit und wurden als erstes der vom Osmanischen Reich besetzten Völker als souveräne Nation anerkannt.
Von 1913 bis 1923 wurden die Griechen in Anatolien, die unter der osmanischen Herrschaft verblieben, einem Völkermord ausgesetzt, der die anatolischen Christen, einschließlich Armenier und Assyrer, fast vollständig auslöschte. Die türkische Verfolgung von Griechen und anderen Christen setzte sich nach der Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923 fort und gipfelte in dem antigriechischen Pogrom in Istanbul im Jahr 1955 und der gewaltsamen Vertreibung praktisch aller verbliebenen ethnischen Griechen aus Istanbul im Jahr 1964. Zehn Jahre später marschierte die Türkei in den Norden der Republik Zypern ein und besetzt seit 48 Jahren unrechtmäßig 36 Prozent der Insel.
Bei den Aktionen der Türkei gegen Griechenland und Zypern geht es um das Streben der Türkei nach geostrategischer Überlegenheit in der Region auf Kosten des Völkerrechts sowie um das islamische Streben der Türkei nach Expansion und Vorherrschaft über Griechen und andere Nicht-Türken in der Region. Infolge der gewalttätigen und feindseligen Politik der Türkei gegenüber Griechen leben heute nur noch etwa 1.800 Griechen in Istanbul, einer Stadt, die von Griechen erbaut wurde.
Die Aggression und die Gräueltaten der Türkei haben unzählige Menschenleben gekostet und schreckliches menschliches Leid verursacht. Solange der Westen die systematischen Verstöße der Türkei gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht zulässt, werden Stabilität und Frieden in der Region ein ferner Traum bleiben.
Uzay Bulut, eine türkische Journalistin, ist Distinguished Senior Fellow am Gatestone Institute.