Sowohl der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas als auch König Abdullah von Jordanien sind immer rigoros gegen jene vorgegangen, die im Verdacht standen, Kritik an Seiner Exzellenz dem Präsidenten oder Seiner Majestät dem König zu äussern, oder auch an jedem anderen arabischen Diktator; indem zum Verbrechen deklariert wurde, was "die Zunge vergrössern" genannt wird.
Erst kürzlich wurden in Jordanien zwei junge Männer zu Haftstrafen verurteilt, weil sie "ihre Zungen" gegen König Abdullah "vergrösserten"; weitere sechs Jordanier warten mit gleicher Anschuldigung auf ihre Verhandlung. Diese Männer sind von jordanischen Sicherheitsleuten bei Demonstrationen und Kundgebungen für Reformen und Demokratie im Königreich verhaftet worden; einer, weil er ein Bild des Monarchen verbrannt hatte; die Anklage der anderen lautet auf Verbreitung von Slogans gegen das Regime und zugunsten von Demokratie und Reform. In einem weiteren Fall wurde ein arabischer Bürger Israels von den Jordaniern mit dem Verdacht der üblen Nachrede gegen den König verhaftet. Nach Intervention israelischer Behörden wurde der Mann freigelassen.
Nicht viel anders als arabische Diktaturen geht auch die PA rigoros gegen Palästinenser vor, die sich für Redefreiheit und Demokratie ausgesprochen haben. In den vergangenen zwei Wochen haben von Amerikanern und Europäern ausgebildete und finanzierte PA-Polizisten drei Journalisten festgenommen, weil sie angeblich gegen Abbas und Beamte der PA-Regierung "ihre Zunge vergrössert" haben. Die Journalistin und Bloggerin Ismat Abdel Khalik, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern aus dem Westjordanland, ist eine der Inhaftierten. Ihr Verbrechen war, auf Facebook einen Kommentar zu posten, der Abbas als "Verräter" und "Faschisten" bezeichnet und dazu aufruft, die Palästinensische Autonomiebehörde zu entmachten.
Abdel Khalik, die auch Dozentin an der Universität ist, erwartet nun ein Prozess wegen "Vergrösserung der Zunge" gegen den palästinensischen Präsidenten. Sie wird in Einzelhaft in einem palästinensischen Gefängnis festgehalten. Verwandte und Freunde berichten, dass sich kurz nach ihrer Inhaftierung ihr Gesundheitszustand verschlechterte und sie ins Spital eingeliefert wurde. Einige ihrer Kollegen beklagten sich darüber, dass internationale Menschenrechtsorganisationen es ablehnten, ihren Fall aufzugreifen – aus Angst, die palästinensische Führung im Westjordanland zu verprellen.
Abdel Khalik würde es wohl besser ergehen, wenn sie von Israel verhaftet worden wäre. Sie wäre von westlichen Medien als Heldin dargestellt worden, und der UN-Menschenrechtsrat hätte eine Sondersitzung abgehalten, um Israel zu verurteilen und ihre sofortige Freilassung zu fordern.
Als der palästinensische Journalist Tareq Khamis mit einem kritischen Kommentar auf Facebook gegen ihre Verhaftung protestierte, wurde er gleich zu einem Verhör abgeholt – von Agenten, die zu Abbas' gefürchteten Präventiv-Sicherheitskräften gehören. Auch ihm wird vorgeworfen, "seine Zunge" gegen den Präsidenten "vergrössert" zu haben.
Im Lichte dieses harten Durchgreifens kann Jordaniern und Palästinensern nur geraten werden, ihre Zunge im Zaun zu halten, um Verhaftung und Verfolgung zu vermeiden. So kämpfen arabische Despoten gegen die, die es wagen, sie zu kritisieren oder Demokratie und Meinungsfreiheit fordern. Ironischerweise wird das Durchgreifen gegen "vergrösserte Zungen" von den beiden arabischen Führern angeführt, die im Westen als die besten Verbündeten im Nahen Osten gelten: Mahmud Abbas und König Abdullah.