Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek gilt als Europas "Terroristenfabrik". Von dort kamen mindestens drei der Drahtzieher der Terroranschläge vom 13. November: Ibrahim Abdeslam, Abdelhamid Abaaoud und der immer noch flüchtige Salah Abdeslam. Und da hört die Liste noch lange nicht auf. Die Wiener Tageszeitung "Die Presse" schreibt:
"Zum ersten Mal kam Molenbeek bereits im Jahr 2001 in die Schlagzeilen: Abdessatar Dahmane, der Mörder des afghanischen Kriegshelden und Schrecken der Taliban, Ahmed Schah Massoud, war ebenso ein Stammgast des für seine radikalen Positionen bekannten Islamischen Zentrums in der Rue du Manchester Nr. 18 wie Hassan El Haski, der mutmassliche Drahtzieher der Anschläge von Casablanca (2003, 41 Tote) und Madrid (2004, 200 Opfer). Aus Molenbeek stammten die Waffen, die im Jänner 2015 beim Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" zum Einsatz kamen. Hier wohnte der französische Jihadist Mehdi Nemouche, der im Vorjahr im jüdischen Museum in Brüssel ein Blutbad anrichtete. Von hier aus brach im August 2015 Ayoub El Khazzani zum versuchten Anschlag auf den Schnellzug Amsterdam-Paris auf."
Auch die beiden Dschihadisten, die die belgische Polizei im Januar in Verviers tötete, stammten aus Molenbeek. Der Terrorist Amedy Coulibaly, der den koscheren Pariser Supermarkt HyperCacher überfiel, hatte sich einige Zeit in Molenbeek aufgehalten.
Die Mehrheit der in jüngster Zeit in Europa in Erscheinung getretenen Terroristen stammt aus einem einzigen, sechs Quadratkilometer grossen Viertel – eine verblüffende Konzentration. Belgien ist, im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl, der grösste europäische Exporteur von Kämpfern des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak. Die meisten davon – mindestens 48 – kommen wiederum aus Molenbeek. Der französische Journalist Eric Zemmour sagt: "Frankreich müsste Molenbeek bombardieren, nicht Rakka."
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Molenbeeks ist muslimisch, ein Viertel stammt – wie die Attentäter – aus Marokko. "Wissen Sie, hier in Molenbeek gibt es mehr verschleierte Frauen als in Casablanca", sagt einer der Bewohner dem Reporter des französischen Nachrichtenportals "Atlantico". Dieser schreibt, das sei "sicherlich eine Übetreibung", muss allerdings selbst zugeben: "Wenn man sich in den Strassen dieses Aussenbezirks von Brüssel mit seinen knapp 96.000 Einwohnern bewegt, beschleicht einen ein bizarrer Eindruck. Nicht nur, weil man glaubt, nicht im Königreich Belgien zu sein, sondern auch, weil eine drückende Atmosphäre herrscht."
Auswärtige Reporter entdecken Molenbeek erst jetzt. Diejenigen, die dort leben müssen, klagen schon lange über die dortigen Zustände. Der folgende Abschnitt stammt aus einer Reportage des belgischen Wochenmagazins "Le Vif L'Express" von 2011:
"Einsturzgefährdete Gebäude, Strassenecken, die zu Mülldeponien umfunktioniert sind, ein abgestelltes Auto rostet auf einem Parkplatz vor sich hin: Hier täte Stadterneuerung not. 'Dies ist ein Ganovenviertel. Hier wird man wegen fünf Euro zusammengeschlagen', sagt Karim. Der Händler ist nicht glücklich. Er erzählt, wie er kürzlich mit dem Messer in der Hand einen Teenager verfolgt hat, der 'Kippen geklaut' habe. Die Szene ereignete sich nur wenige Schritte von der U-Bahn-Station Ribaucourt entfernt. 'Die Rue Piers ist um diese Uhrzeit nicht sehr vertrauenerweckend', sagt eine junge Frau, die sich nach 18 Uhr entweder nach Hause begleiten lässt oder ein Taxi nimmt. Seit drei Jahren wohnt sie mit Freunden zusammen in einer Wohnung im Viertel. Die Wohnung ist gross, und nicht zu teuer. 'Aber ich bin auf der Hut', sagt sie. Vor allem dann, wenn sie einen Rock trägt. 'Beleidigungen, Anspucken, Betatschen: Ich kenne das.' Andere Anwohner ziehen weg. 'In mein Haus wurde innerhalb eines Jahres zweimal eingebrochen', sagt ein Zeuge. 'Wenn ich jetzt zum Supermarkt an der Ecke gehe, schliesse ich zweimal ab und schalte den Alarm ein.'"
Zeugnisse einer Stadt in Angst. Die Verantwortung dafür trägt Philippe Moureaux, Mitglied der Parti Socialiste und von 1992 bis 2012 Bürgermeister von Molenbeek. Mit den Klagen seiner Bürger konfrontiert, bestritt er stets die unhaltbaren Zustände in seiner Stadt: "Es macht mich wütend, wenn Leute winzige Punkte rausgreifen und darüber nach Kräften lügen", sagte er in der zitierten Reportage. Molenbeek sei "nicht die Bronx"; die Probleme mit der Kriminalität beträfen nur wenige Strassenzüge, so Moureaux. Dann verriet er, wes Geistes Kind er ist: "Molenbeek ist ein Symbol, das bestimmte Leute kaputt machen wollen. Doch nur über meine Leiche." Bestimmte Leute? Glaubt der Bürgermeister ernsthaft an eine Verschwörung gegen sein Elendsviertel? Man muss nicht lange suchen, um festzustellen, dass Moureaux – auf dessen Initiative Belgien 1981 ein "Anti-Rassismus-Gesetz" verabschiedet hat – ein Antisemit ist, wie er selbst in Belgien nicht ganz häufig ist. Gleichzeitig hat er die Gewalt junger Muslime beschönigt und unterstützt – auch die gegen Juden.
Während des Ramadan 2009 gab es in Molenbeek schwere Ausschreitungen. Muslimische Jugendliche errichteten Barrikaden aus brennenden Autoreifen, zündeten Autos an, warfen Steine auf Feuerwehrleute, die zum Löschen kamen, und plünderten, mit Steinen und Brechstangen ausgestattet, die Geschäfte. Unbestätigten Berichten zufolge hatte die Polizei die Anweisung erhalten: "Reizt sie nicht, durchsucht sie nicht, interveniert nicht, selbst wenn sich Dutzende von ihnen zusammentun, sprecht keine Verwarnungen wegen Belästigung aus, nicht einmal, wenn sie Steine auf euch werfen."
Jüdische Ladenbesitzer wurden auch ausserhalb des Ramadan schikaniert. 2008 berichtete das flämische Magazin "Dag Allemaal" darüber, wie "Jugendliche" in den Strassen Molenbeeks rufen: "Die Juden sind unsere schlimmsten Feinde". Entlang der Rue du Prado und der Chaussée de Gand in Molenbeek hatte es früher viele von Juden geführte Geschäfte gegeben, doch 2008 waren sie, mit Ausnahme eines Möbelgeschäfts, alle verschwunden. Und niemanden störte das, ganz bestimmt nicht Bürgermeister Moureaux.
Aus Angst vor Rache wollte keiner der Juden mit dem Journalisten sprechen, mit Ausnahme eines Mannes, den die Zeitung "René" nannte. René betrieb über 30 Jahre lang ein Friseurgeschäft in der Chaussée de Gand. Dann kam es zu einer Reihe von Gewalttaten. Es begann mit Schmierereien an seinem Schaufenster: "Sale youpin" ("Drecksjude") und anderen antisemitischen Slogans. Später stürmten sechs jugendliche Muslime in seinen Laden, zerbrachen die Einrichtung und schlugen René ins Gesicht. Er rief die Polizei. Eine Stunde später kamen die Täter zurück, um ihn zu "bestrafen". Sie zerbrachen alle Spiegel. In 35 Jahren hatte sich René eine grosse loyale Kundschaft aufgebaut, doch nach diesem Vorfall trauten sich die meisten nicht mehr in sein Geschäft. Er hatte keine andere Wahl, als es zu schliessen.
Wie reagierte Moureaux? Indem er den belgischen Juden vorwarf, sie wollten den Muslimen das "Recht auf Abweichung" verweigern. Das sagte er 2008, in der Wochenzeitung "Le Vif L'Express". Es war eine Reportage mit dem Titel: "Moureaux, Shérif de Molenbeek, drogué du pouvoir – Son islamo-municipalisme". Dass er "süchtig nach Macht" ("drogué du pouvoir") sei, waren seine eigenen Worte. Das Blatt beschrieb ihn als einen "hochfliegenden Intellektuellen, Universitätsprofessor und brillanten Minister, der in dem schönen Viertel Uccle (!) residiert". Doch zurück zu Moureaux' Juden: "Mit 20", sagte er, sei er Marxist gewesen und habe niemandem ein Recht auf Abweichung zugestanden; doch er habe sich "weiterentwickelt": "Was mich umgestimmt hat, das waren genau die Gespräche mit Vertretern der jüdischen Gemeinde. Es macht mich heute traurig zu sehen, wie sie den Muslimen das Recht auf Abweichung verweigern."
Kein Recht auf Abweichung räumte Moureaux den Bürgern während des Ramadan ein. In einer Pressemitteilung mit dem Titel "Ramadan-Regelung für alle", rief Moureaux die Bürger im August 2011 dazu auf, während des Monats Ramadan ab dem Nachmittag nicht mehr mit dem Auto ins Zentrum von Molenbeek zu fahren, da dann Muslime ihre Einkäufe erledigten.
Im Januar 2015, nach dem Massaker in der Redaktion von "Charlie Hebdo" und dem Mord an vier Juden im HyperCacher-Markt, gab der nunmehr pensionierte Bürgermeister ein Interview auf Maghreb TV, einem über das Internet übertragenen Fernsehsender, der sich an ein aus Nordafrika stammendes Publikum in Belgien richtet. Nachdem er, wie viele andere, dazu aufgerufen hatte, nicht alle Muslime für die Taten einiger Terroristen verantwortlich zu machen, wurde es wild:
"Einige haben ein Interesse daran, uns zu spalten. ... Diese Leute findet man leider vielerorts. Es gibt eine Ansteckung der Probleme im Mittleren Osten, im Nahen Osten, des israelisch-palästinensischen Problems, welches dazu führt, dass einige ein Interesse daran haben, die hiesigen Streitigkeiten anzufachen, wie eine Art von Reflex auf das, was dort passiert. ... Man wird sagen, das komme von beiden Seiten. Aber es ist offensichtlich, dass hier im Westen vor allem versucht wird, Hass auf Araber zu schüren, um die Politik des Staates Israel zu rechtfertigen, eine Politik, die mir inakzeptabel erscheint."
Israel ist schuld daran, wenn Belgiens – und vor allem Molenbeeks – Araber einen schlechten Ruf haben? Diese Art von antisemitischem Ressentiment ist leider nicht nur für Moureaux typisch, sondern für seine ganze Partei. Im März 2013 luden die Sozialisten Molenbeeks zu einer Veranstaltung ein, die den Titel trug: "Und wenn wir gelassen über den Zionismus reden würden?" Auf dem Einladungsflugblatt war eine im Stürmerstil gezeichnete antisemitische Karikatur des arabischen Neonazis "Zéon". Nach heftigen Protesten sagten die Sozialisten die Veranstaltung ab – mit der Begründung, dass die angestrebte "gelassene" Diskussion nun leider nicht mehr möglich sei.
Man kann viele Beispiele dafür anführen, was für ein antisemitisches Biotop Molenbeek ist. In der offiziellen Stadtteilzeitschrift, dem "Molenbeek Info", findet man einen Text, in dem die stalinistische Partei der Arbeit zu einer Feier für die gerade aus Gaza zurückgekehrte Ärztin Dr. Hanne Bosselaers aufruft: "Kommt zahlreich!"
In Molenbeek, das muss man wissen, gibt es ein von den Stalinisten unter dem Namen "Medécine pour le peuple" betriebenes Krankenhaus, das 2013 eine "Partnerschaft" mit dem Al-Quds-Krankenhaus in Gaza initiiert hat. Folglich hatte Bosselaers viel zu erzählen. Etwa: "Die Palästinenser wollen, dass wir Israel boykottieren."
Und die Hamas?
"Hinter dem Versuch einiger unserer Politiker, die palästinensische Widerstandsorganisation in ein schlechtes Licht zu stellen, steckt ein politisches Ziel. Gewisse Kreise dreschen immer auf den 'islamischen Charakter' der Hamas ein, in der Hoffnung, die Bevölkerung von Solidarität mit den Palästinensern abzuhalten. ... Der palästinensische Widerstand ist viel grösser als die Hamas, und es ist allein Sache der Palästinenser, zu entscheiden, welche Art des Widerstands gegen ihre Unterdrückung sie wählen."
Willkommen in Molenbeek. Der Jurist Etienne Dujardin schrieb dieser Tage auf dem Nachrichtenportal Levif.be, die Zustände in islamischen Terrorvierteln wie Molenbeek, Verviers oder Saint Denis hätten auch etwas mit gezielten Bestrebungen einiger Politiker zu tun, die in den radikalen islamischen Zirkeln willkommene Wahlkampfhelfer fänden:
"Die Parteien haben eine auf Wahlen ausgerichtete Klientelwirtschaft betrieben, sie alle haben dieselben radikalen Moscheen als Sprachrohr ihres Wahlkampfes benutzt. Manche betrachteten sie als ein grosses Reservoir leicht verfügbarer Wählerstimmen."
Und so kam es, dass Bürgermeister Moureaux die Verwandlung Molenbeeks in eine Bastion des Dschihad als etwas wahrnahm, aus dem er persönlichen Profit ziehen konnte. Da er selbst in einem Viertel der Reichen wohnt, konnte er mit grosser Überheblichkeit Bürger abkanzeln, die sich über die ausufernde Kriminalität beschwerten. Die Wahlen gewann er, indem er sich den radikalen Islam gewogen machte. Wieder einmal wird die Regel bestätigt: Wenn jemand gegen Israel hetzt, ist dies immer auch ein Symptom für andere schwerwiegende Charakterfehler einer Person. Hinter der Anti-Israel-Hetze von Moureaux steckte ein korrupter Bürgermeister, dem es nur um sein Amt und seine Bezüge ging, der, wie er selbst sagte, "machtsüchtig" war. Dass sich seine Stadt in eine Hölle der Kriminalität, des Antisemitismus und der Scharia verwandelte, war ihm entweder gleichgültig oder er begrüsste es. Diejenigen, die aus Molenbeek flohen, konnten ja an den Bürgermeisterwahlen nicht mehr teilnehmen; und diejenigen, die dort hinzogen, fanden gut, was Moureaux machte: die Islamisierung fördern und gegen Israel und die Juden hetzen. So wurde Molenbeek in der Amtszeit eines Mannes das, was es heute ist.
Stefan Frank ist ein unabhängiger Publizist. Der Artikel erschien zuerst auf "Audiatur Online".