Kurz nachdem sie das iranische Atomabkommen mit sich selbst unterzeichnet hatten – der Iran selbst hat es noch nicht unterschrieben, und selbst wenn er dies täte, wäre der Deal nicht rechtlich bindend – haben Mitglieder der 5+1-Gruppe (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) gezeigt, wie eifrig sie die verbesserten Beziehungen zu ihrem imaginären Partner etablieren wollen.
Im vergangenen Monat, nach der Aufhebung der internationalen Sanktionen, unternahm der iranische Präsident Hassan Rohani eine fünftägige Reise nach Italien und Frankreich.
Die Vertreter der Gastgeberländer zeigten sich anlässlich des Besuchs des iranischen Präsidenten begeistert. Es schien so, als ob sie sich der zahlreichen Verstösse des Iran gegen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVK) – den der Iran im Jahr 1968 tatsächlich unterzeichnet hatte – nicht bewusst waren. Auch schienen sie sich der Expansion des Iran in Syrien, im Libanon und im Jemen sowie der fortbestehenden Rolle des Iran bei der Finanzierung des internationalen Terrorismus nicht bewusst gewesen zu sein.
Während sich die Staatsoberhäupter Frankreichs und Italiens scheinbar eifrig bemühten, den iranischen Präsidenten zu beschwichtigen, versammelten sich in Paris tausende Demonstranten auf den Strassen. Sie protestierten gegen Rohanis Besuch und inszenierten Scheinhinrichtungen, um auf Irans verheerende Verstösse gegen die Menschenrechte hinzuweisen. Im Jahr 2014 beispielsweise wurden mindestens neun Personen wegen des Verbrechens der muharaba ("Kriegsführung gegen Gott") hingerichtet.
Auch heute sitzen noch Dutzende minderjährige Straftäter in iranischen Todeszellen. Nach iranischem Recht können Mädchen ab einem Alter von 9 Jahren und Jungen ab einem Alter von 15 Jahren zum Tode verurteilt werden. Laut einem aktuellen Bericht von Amnesty International, zählt der Iran zu den weltweit führenden Staaten bei der Vollstreckung der Todesstrafe an Jugendlichen. Obwohl das Land die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert hat – die die Anwendung der Todesstrafe bei Straftätern unter 18 Jahren verbietet – schätzen die Vereinten Nationen, das immer noch 160 Minderjährige in Todeszellen warten.
Der New York Times zufolge hatte die iranische Delegation die italienischen Vertreter gebeten, alle Statuen auf dem Weg zur grossen Halle der Kapitolinischen Museen – wo eine Pressekonferenz zwischen Premierminister Matteo Renzi und dem iranischen Präsidenten stattfand – zu verhüllen, um Rohani, der sich selbst als moderat und reformsuchend verkauft, nicht in "Verlegenheit" zu bringen. Also wurden die Statuen beim ersten Stopp auf Rohanis Europabesuch mit grossen weissen Boxen verhüllt. Zudem wurde "das Rednerpult neben – und nicht vor – ein Reiterstandbild des Kaisers Mark Aurel gestellt, offenbar um zu verhindern, dass die Genitalien des Pferdes auf Pressebildern abgebildet werden."
Da im Islam jegliche Formen von Abbildungen haram (verboten) sind, gelten Statuen allgemein als Götzenverehrung.
Viele Italiener zeigten sich empört angesichts der Entscheidung, die Statuen zu zensieren. Sie beschuldigten die Regierung, die italienische Geschichte und Kultur für wirtschaftliche Interessen zu verraten.
Die iranische Frauenrechtsorganisation My Stealthy Freedom verurteilte die Entscheidung der italienischen Regierung. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb die Gruppe:
"Ihr Politikerinnen Italiens, ihr seid keine Statuen, wehrt euch. Rom verhüllt Aktstatuen aus Respekt vor dem iranischen Präsidenten in Italien und die Islamische Republik Iran verhüllt italienische Politikerinnen im Iran. Liebes Italien. Offenbar respektierst du die Werte der Islamischen Republik, doch das Problem ist, dass die Islamische Republik Iran weder unsere Werte noch unsere Entscheidungsfreiheit respektiert. Sogar nichtmuslimische Frauen werden im Iran dazu gezwungen, sich zu verhüllen ..."
In Frankreich forderten Demonstranten, dass Präsident François Hollande den iranischen Präsidenten zu den Menschenrechtsverletzungen in seinem Land befragen sollte. Die französische Regierung stellte jedoch keinerlei Fragen dieser Art. Stattdessen wurde Rohani wie ein Superstar willkommen geheissen.
Umfangreiche Geschäftsvereinbarungen wurden unterzeichnet. Frankreichs Autobauer Peugeot und Irans führender Fahrzeughersteller Khodro gingen eine 400-Millionen-Euro-Partnerschaft ein. Frankreichs Energieriese Total unterschrieb eine Absichtserklärung, um Rohöl aus dem Iran zu kaufen. Berichten zufolge wird Total vom 16. Februar an täglich 160.000 Barrel Öl importieren. Zwölf Tage nach dem Aufheben der wirtschaftlichen Sanktionen kündigte Airbus an, dass Iran Air dem Kauf von 118 neuen Flugzeugen zugestimmt habe. Der Deal wird auf 25 Milliarden Dollar geschätzt.
Der französische Premierminister Manuel Valls begrüsste die Handelsabkommen seines Landes mit dem Iran. "Frankreich steht dem Iran zur Verfügung", sagte er.
Deutschlands Aussenminister Frank-Walter Steinmeier bat den iranischen Präsidenten vor Kurzem während eines Besuchs in Teheran, Deutschland als Stopp auf seiner nächsten Reise nach Europa vorzumerken.
Währenddessen hat der Iran nach einem Bericht des US-Aussenministeriums versprochen, weiterhin die schiitischen Milizen im Irak zu unterstützen. Viele dieser Milizen sind in Syrien eingefallen und kämpfen nun auf der Seite des Assad-Regimes. Rohanis Regierung unterstützt zudem weiterhin die Hisbollah, ihre libanesische Vertretung und palästinensische Kämpfer im Gazastreifen.
Seit vielen Jahren pflegt der iranische Präsident enge Beziehungen zu den Anführern der Hisbollah, darunter Abbas al-Musawi (der frühere Anführer der Hisbollah, der 1992 getötet wurde) und Hassan Nasrallah. Im März 2014 sicherte Rohani der Hisbollah öffentlich Unterstützung zu.
Rohanis Verteidigungsminister ist Brigadegeneral Hosein Dehghan, ein ehemaliger Offizier der Iranischen Revolutionsgarde. Von 1982 bis 1984 befehligte er die Truppen der Revolutionsgarde im Libanon und in Syrien während der Gründungsjahre der Hisbollah.
Im vergangenen September sagte Dehghan, dass Teheran weiterhin die Hisbollah, die Hamas und jede Gruppe mit Waffen ausrüsten werde, die Teil des "Widerstands" gegen die USA und Israel seien. Er erklärte, dass der Iran Amerika als den "Grossen Satan" betrachte.
"Die Hisbollah", so Dehghan, "ist nicht auf unsere Raketen und Waffen angewiesen. Israel und die USA müssen das verstehen. Heute können die Hamas, der Islamische Dschihad und die Hisbollah selbst ihre eigenen Ressourcen und Waffen herstellen. Trotzdem werden wir nicht aufhören, sie zu unterstützen."
So wie Dehghan sind fast alle der von Rohani ernannten Minister entweder Mitglieder der Revolutionsgarde oder anderer revolutionärer Einrichtungen, wie der iranischen Justiz- und Nachrichtendienstministerien.
Unter der Regierung Rohani ist die Anzahl der Menschenrechtsverletzungen gestiegen. Ein von Human Rights Watch veröffentlichter 659-seitiger Bericht kommt zu dem Schluss, dass iranische Behörden wiederholt scharf gegen freie Meinungsäusserung und Dissens vorgegangen sind. "Zudem richtete der Iran mehr als 830 Strafgefangene hin, was einen sprunghaften Anstieg gegenüber den Vorjahren darstellt."
Social-Media-Nutzer, Künstler und Journalisten müssen mit harten Strafen und dubiosen "Sicherheits-"Gebühren rechnen. Im Mai 2014 wurden vier junge Männer und drei unverschleierte Frauen festgenommen, nachdem sich ein YouTube-Video, in dem sie zu dem bekannten Lied "Happy" tanzten, viral verbreitet hatte. Sie wurden wegen verschiedener Vergehen, darunter "gesetzwidriger Beziehungen", zu bis zu einem Jahr Gefängnis und 91 Peitschenhieben verurteilt.
Im November bestätigte das Oberste Gericht des Iran das Urteil eines Strafgerichts, das Soheil Arabi zum Tode verurteilt hatte. Er habe in Facebook-Posts "den Propheten beleidigt" und "Korruption auf der Erde ausgesät".