Die Ernennung von Boris Johnson zum britischen Außenminister löste in seinem Heimatland eine Sturm an Beschimpfungen und Händeringen aus, der ungefähr der Reaktion der Demokraten auf Donald Trump entspricht. Ohne weiter in die britischen Politik einzutauchen gibt es einen besonderen Vorfall, den die Daily Mail eine politisch unkluge "Entgleisung" nannte; dieser sollte ausführlicher bewertet werden - aus einem anderen Blickwinkel:
Letzten November sagten örtliche [palästinensische] Vertreter aus Sicherheitsgründen einen Besuch des damaligen Bürgermeistern von London in Palästina ab, nachdem dieser einem Publikum in Tel Aviv sagte, ein Handelsboykott israelischer Waren sie "völlig irre" und würde von Cordjacken tragenden, linken britischen Akademikern mit schiefen Zähnen" unterstützt.
Offizielle Vertreter der Palästinenser beschuldigten ihn eine "fehlinformierte und respektlose", proisraelische Haltung einzunehmen und sagte, er riskiere Prostete zu erzeugen, wenn er die Westbank besucht.
Johnson hatte im Grunde recht: Die Bewegung Boykott, De-Investitionen und Sanktionen (BDS) hängt weitgehend von Universitäts-Campi ab und hat wenig mit dem robusten und zunehmenden Handel zwischen Israel und dem Königreich zu tun. Aber der Vorfall sollte als Fenster in palästinensische Strategie verstanden und als solches nicht übersehen werden.
PA-Präsident Mahmud Abbas nutzte die von Herrn Johnsons Besuch gebotene Gelegenheit nicht, seine eigenen Sicht zu offerieren, zu erklären, warum Johnson falsch lag, für den Handel zwischen Britannien und den Palästinensern zu werben oder gar für BDS einzutreten. Reflexartig drohte er einem prominenten europäischen Gast mit Gewalt. Die wäre mit Sicherheit wie geplant ausgebrochen, hätte Johnson seinen Besuch fortgesetzt. Die Palästinenser sind nicht länger daran interessiert ihre Interessen/Forderungen/Wünsche zu diskutieren. Sie sind in eine Phase der Ultimaten eingetreten: einhundert Prozent oder gar nichts; so, wie ich es will oder Gewalt - selbst gegen die eigenen Freunde.
In dieser Atmosphäre des "keine Kritik/keine Verhandlungen" reiste Abbas im Juni zu einem Treffen mit dem Europaparlament in Brüssel an, das einem von den Franzosen protegierten, ergebnislosen Treffen zum "Friedensprozess" folgte, bei dem weder Israelis noch Palästinenser dazugehörten - ein Mechanismus, von dem Abbas annahm, dass er französische Forderungen an Israel zur Folge haben würde. Die hatte es nicht - was Abbas für das Treffen im EU-Parlament in schlechte Laune versetzte, das der Veröffentlichung des Berichts des Nahost-Quaretts zu Aussichten für israelisch-palästinensischen Frieden voranging. Wieder erwartete Abbas, ausschließlich Kritik an Israel zu hören.
Dann versuchte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ein Treffen von Abbas mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin zu arrangieren. Rivlin stimmte zu, Abbas lehnte ab - und später wurde verraten, dass Abbas sogar das Hotel wechselte, als er entdeckte, dass Rivlin und er unter einem Dach weilten. Es war in Brüssel, dass Abbas behauptete einige israelische Rabbiner würden dazu aufrufen, Israel solle palästinensisches Wasser vergiften - ein Anklang an Suha Rafats Behauptung im Jahr 1999, dass die Israelis Luft und Wasser der Palästinenser vergiften würden. Abbas erhielt am Ende seiner Ausführungen stehende Ovationen; Suha erhielt einen Kuss der damaligen First Lady Hillary Clinton.
PA-Präsident Mahmud Abbas erhielt im Europaparlament in Brüssel stehende Ovationen, nachdem er in seiner Rede fälschlich behauptete, israelische Rabbiner würden dazu aufrufen palästinensisches Wasser zu vergiften. Abbas nahm das später zurück und gestand ein, dass seine Behauptung falsch gewesen ist. (Bildquelle: Europaparlament) |
Unter dem Druck von Leuten, die einen Jahrhunderte alten Beitrag des Antisemitismus erkannten, wiederrief Abbas und gab zu, dass seine Behauptung falsch gewesen ist. Der Wunsch der Europaparlamentarier ihn zu schützen war allerdings so stark, dass seine Ritualmordlegende aus allen offiziellen Dokumenten gestrichen wurde. Was seinen nächsten Schritt noch unverständlicher macht.
Nach einigem Hickhack wurde der Bericht des Nahost-Quartetts über die Zukunft der israelisch-palästinensischen Verhandlungen und der "Zweistaatenlösung" am 1. Juli veröffentlicht. Vor der Veröffentlichung legten an die Presse durchgesickerte Informationen deutlich nahe, dass
"die Konzentration auf Israel sein umstrittenster Aspekt sein wird" [Ha'aretz], wie ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter zitiert wird: "Die Hauptfrage lautet, wie brutal die Kritik an den Siedlungen ausfallen wird. Alle Mitglieder des Quartetts können sich problemlos um dieses Thema scharen."
Reuters bezeichnete ihn als "ungeduldig erwarteten Bericht" und sagt, er würde fordern: "Israel sollte aufhören Siedlungen zu bauen, palästinensische Entwicklung zu verweigern und Land für exklusive Nutzung durch Israelis auszuweisen, das die Palästinenser für einen zukünftigen Staat begehren."
Und das geschah, wie hier, hier, hier und sogar hier berichtet wurde. Das Quartett sagte, israelische Baupolitik werfe
"legitime Fragen zu Israels langfristigen Absichten auf, die von den Äußerungen einiger israelischer Minister verschlimmert werden, es solle niemals einen Palästinenserstaat geben... Israel sollte die Politik des Siedlungsbaus und der Expansion einstellen..."
Doch das reichte Abbas nicht, denn selbst die Mitglieder des Quartetts sahen sich nicht in der Lage die sieben Monate andauernde, sogenannte "Messerintifada" und dem Trommelwirbel der Hetze aus der palästinensischen Autonomiebehörde zu ignorieren, die die Mörder israelischer Zivilisten ermutigt und ehrt. Genauso wenig konnten die Mitglieder eindeutige Beweise dafür ignorieren, dass die Hamas Gazas Tunnelinfrastruktur wieder aufbaut, um Israel anzugreifen. In einem relativ milden Abschnitt kritisierte das Quartett Palästinenserführer dafür, dass sie "nicht konsequent und klar" Terroranschläge verurteilen und - zum ersten Mal - sagte, die Rüstungsaktivitäten und die militärischen Aktivitäten im Gazastreifen müssten aufhören.
Nabil Abu Rudeineh, Mahmud Abbas' Sprecher, war erbost; er sagte:
"Jeder Bericht, der nicht den vollen Rückzug auf die Grenzen von 1967, einschließlich des besetzten Jerusalem beinhaltet und nicht die Anerkennung der Illegalität der Siedlungen, wird nicht zu echtem und dauerhaftem Frieden führen, sondern zu mehr Spannungen und mehr Instabilität in der Region."
Mit anderen Worten: mehr von den Palästinensern angestachelte Gewalt.
Die plötzliche Gereiztheit ging weiter, als Abbas ankündigte, die PA würde das Quartett boykottieren - seine besten Freunde in Europa plus Russland und die USA - und versuchte die Beachtung des Berichts in der UNO zu blockieren.
Unfähig, auch nur milde Kritik zu dulden und nicht bereit oder nicht in der Lage, ernste Gespräche selbst mit europäischen Gesprächspartnern zu führen, ganz zu schweigen mit solchen mit Israel, könnte Abbas schließlich die Sache der Palästinenser für die Europäer zu schwierig gemacht haben, was den Kreis zu Boris Johnson schließt. Der kritisierte nicht nur BDS (wobei er eindeutig britische Akademiker stärker kritisierte als die Palästinenser); er fuhr fort: "Ich kann mir nichts Dümmeres vorstellen als ein Land zu boykottieren, das letzten Endes die einzige Demokratie der Region ist, der einzige Ort, der aus meiner Sicht eine pluralistische, offene Gesellschaft hat."
Wenn es eine Entgleisung gab, dann nicht von Johnson.