In der Türkei wirkte alles surreal; Soldaten, die den Leiter der Terrorbekämpfungseinheit der Polizei zu einem "Treffen" einluden, nur um ihm in den Kopf zu schießen; die hohen Tiere des Militärs, einschließlich des Generalstabschefs, des Oberkommandierenden der Luftwaffe, der des Heeres und der der Gendarmerie, die von ihren eigenen Ordonnanzen wurden als Geiseln genommen; dann Menschen, die zu tausenden auf die Straße gingen, um dem Staatsstreich Widerstand zu leisten, Panzer zu besetzen, getötet zu werden, Soldaten, die das Feuer auf Zivilisten eröffneten und schließlich die siegreichen Erdoğan-Fans, die am Putsch beteiligte Soldaten lynchten, wo immer sie ihrer habhaft werden konnten.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan beschuldigte seinen ehemals treuesten politischen Verbündeten, einen muslimischen Kleriker im Exil in den USA - Fethullah Gülen - und dessen Getreuen im Militär. Vor einer Menschenmenge seiner Parteianhänger ersuchte Erdoğan Washington "den Terroristen" Gülen auszuliefern.
Erdoğans Geheimdienst und loyale Polizeikräfte verhafteten sofort fast 6.000 Offiziere und Mitglieder des Justizsystems; es wurde behauptet, sie gehörten zur "gülenistischen Terrororganisation". Justizminister Bekir Bozdag sagte, weitere Verhaftungen stünden bevor, was eine Hexenjagd im ganzen Land erkennen lässt. Sofort nach diesem Schritt entließ das Innenministerium 8.777 Beamte, darunter Gouverneure, die verdächtigt werden "Gülenisten" zu sein; zudem wurden tausende Angehörige des Justizsystems verhaftet. Viele Liberale glauben, dass die Regierung den Putsch als Vorwand nutzen wird ihre Gegner einzuschüchtern, ob sie nun irgendwelche Verbindungen zu Gülen haben oder nicht.
"Er [Erdoğan] geht daraus enorm gestärkt hervor", sagt Howard Eissenstat, Lehrbeauftragter für Geschichte des Nahen Ostens an der St. Lawrence University in Canton (New York). "Das hat seine Basis mobilisiert, die seiner so langsam müde wurde. Es gab ihm zumindest einen Moment, in dem er alle Elemente der Gesellschaft gegen eine klare Bedrohung einen konnte."
Die Türkei wird für Dissidenten heute ein noch schwierigerer Ort sein, um dort zu leben. Erdoğan spricht bereits von der Wiedereinführung der Todesstrafe. "Unsere Regierung wird [die Todesstrafe] mit der Opposition diskutieren", sagte er, als er vor einer Menschenmenge Parteifans sprach, die seine Rede mit dem Slogan "Wir wollen die Todesstrafe" unterbrachen. Dann sagte er, er würde die Wiedereinführung der Todesstrafe unterstützen, wenn das Parlament sie genehmigt.
Derweil gab die Generalabteilung Sicherheit (die die Polizeikräfte führt) eine Erklärung aus, die die Bürger aufrief sie über alles Material aus sozialen Medien zu informieren, mit dem Terroristen oder die Organisation Gülen unterstützt wird oder das Propagandamaterial gegen die Regierung zum Inhalt hat.
All diese türkischen Turbulenzen erinnert an den Reichstagsbrand, einen Brandanschlag auf das deutsche Parlamentsgebäude in Berlin am 27. Februar 1933. Der junge niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe wurde wegen des Verbrechens verhaftet. Er war erst vor kurzem in Deutschland eingetroffen; er bekannte ich schuldig und wurde zum Tode verurteilt. Der Reichstagsbrand wurde von der Nazi-Partei als Vorwand genutzt seiner Öffentlichkeit zu erzählen, dass Kommunisten ein Komplott gegen die deutsche Regierung planten - ein Schlüsselereignis bei der Etablierung Nazideutschlands.
Wir mögen nie erfahren, ob der gescheiterte Putsch vom 15. Juli eine türkische Version des Reichstagsbrand war. Aber wir wissen, dass er als Vorwand für die Behauptung genutzt werden wird zu behaupten, eine Vielzahl an Feinden innerhalb wie außerhalb der Türkei habe sich gegen die Regierung verschworen.
Burak Bekdil lebt in Ankara und ist ein türkischer Kolumnist für die Zeitung Hürriyet Daily und Mitglied des Middle East Forums.