Der ehemalige Präsident des Iran, Mahmud Ahmadinedschad, der sagt, er wolle "die revolutionären Ideale neu definieren" die vom Führer der Islamischen Revolution von 1979, Ajatollah Ruhollah Chomeini, aufgestellt worden waren, startet offenbar eine Kampagne um bei den bevorstehenden iranischen Präsidentschaftswahlen im Februar 2017 zu kandidieren.
Ahmadinedschad war allseits bekannt für seine Hetztiraden und provozierenden Reden, in denen er auch immer wieder den Holocaust leugnete. Am Ende seiner von 2005–2013 währenden Amtszeit waren seine Zustimmungswerte extrem niedrig und es gelang ihm, nahezu alle Wähler des gesamten politischen Spektrums, einschliesslich der höchsten konservativen Führungspersönlichkeiten, zu vertreiben. Er war ausserdem seit 1979 der erste Präsident des Iran, der vom Parlament (Majlis) vorgeladen wurde, um Fragen bezüglich seiner Aktivitäten und seiner politischen Massnahmen zu beantworten.
Nach alldem herrschte unter Politikern, Wissenschaftlern und Politikanalysten die gängige Meinung, dass Ahmadinedschad nie wieder in die Politik zurückkehren würde. Es sah so aus, als ob sich seine Pläne für den Ruhestand auf die Gründung einer Universität und die Ausübung einer Lehrtätigkeit konzentrieren würden. Der Plan, eine Universität zu gründen, scheiterte allerdings.
Trotz seiner geringen Popularität in der Bevölkerung standen die "Prinzipalisten" (Ultra-Konservative) jedoch immer noch auf seiner Seite – aufgrund seiner scharfen anti-amerikanischen, anti-westlichen und anti-israelischen Politik und Rhetorik sowie der Tatsache, dass er nach wie vor eine zentrale Figur in der Koalition mehrerer konservativer Gruppen, der Allianz der Erbauer des Islamischen Iran, ist.
Nach Ahmadinedschads Präsidentschaft berief ihn der Oberste Religionsführer des Iran, Ajatollah Ali Chameneʾi, in den Schlichtungsrat, die höchste politische Schiedsinstanz des Iran, die zwischen dem Wächterrat (Aufsichtsorgan über Parlament und Wahlen) und dem iranischen Parlament, dem Majlis, vermittelt. Der Schlichtungsrat besteht in erster Linie aus den konservativen Klerikern des Iran und dient als beratende Institution für den Obersten Religionsführer.
Auch wenn es so aussah, als ob Ahmadinedschad keinerlei Interesse daran habe zurückzukehren, nachdem er zwei Jahre lang aus dem internationalen Rampenlicht verschwunden war, machen andere Faktoren deutlich, dass er nie ganz von der Bildfläche verschwunden war. Innenpolitisch blieb Ahmadinedschad weiterhin politisch aktiv, indem er versuchte, die Konservativen zu vereinen und anzuführen. Auch nachdem er aus dem Amt geschieden war, traf er sich weiterhin mit ehemaligen Ministern in Teheran.
In den vergangenen Monaten wurde jedoch Ahmadinedschads Wunsch, seinen Wahlkampf mit mehr Nachdruck und Bestimmtheit voranzubringen, zunehmend deutlicher, und er begann erneut, ins internationale Blickfeld zu rücken, so z. B. als er einen offenen Brief an US-Präsident Barack Obama schrieb, in dem er den Transfer von 2 Milliarden Dollar an den Iran forderte.
Um Kapital aus der Volksabstimmung und den Präsidentschaftswahlen von 2017 zu schlagen, hat sich Ahmadinedschad darauf konzentriert, Wähler aus dem gesamten Iran für sich zu gewinnen, indem er durch Kleinstädte und Ortschaften reist und Vorträge und Reden hält; die Unterstützer von Ahmadinedschad hatten seine Rückkehr verlangt.
Während seiner Präsidentschaft erhielten die Menschen Zuschüsse für bestimmte Produkte, wie z. B. Benzin, Erdgas und Strom, und seine Regierung verteilte monatliche Bargeldzahlungen in Höhe von ca. 17 Dollar an alle Bürger. Diese Massnahmen sowie seine Kritik an Korruption, Ungerechtigkeit und Kapitalismus wirkten anziehend auf die ländliche und weniger begüterte Bevölkerung.
Des Weiteren hat Ahmadinedschad Hassan Rohani, den derzeitigen Präsidenten des Iran, heftig als inkompetent kritisiert und dessen Wirtschafts- und Aussenpolitik in Frage gestellt sowie darauf hingewiesen, dass "es Stolpersteine und satanische Hindernisse auf unserem Weg geben wird ... Man darf nicht vergessen, dass die USA unser Feind sind."
Die jüngste Meinungsumfrage des Center for International and Security Studies an der University of Maryland ergab, dass "Ahmadinedschad derzeit die einzige und grösste Bedrohung für Rohanis Wiederwahl darstellt und dass er nur 8 Punkte hinter dem einst beliebten Amtsinhaber liegt. Plötzlich scheint der Ex-Präsident wieder ein echter politischer Konkurrent zu sein."
Die aktuelle Situation ist aus mehreren Gründen ein günstiges Klima für ihn.
Zuerst einmal hat sich der Atomdeal zu einem beliebten Thema bei den Konservativen entwickelt. Der Oberste Religionsführer und der Führungskader der Iranischen Revolutionsgarde haben den Atomdeal lautstark kritisiert. Jetzt, da sie ihr Ziel erreicht haben, die vier grössten Sanktionsrunden des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aufzuheben, fürchten sie weitere, erneute diplomatische und politische Annäherungen zwischen den USA und dem Iran.
Ajatollah Chamenei warnte vor jeglichen Beziehungen zu den USA und er hinterfragte ausserdem die ökonomischen Vorteile der Atomvereinbarung: "Wurden die unterdrückerischen Sanktionen nicht aufgehoben, damit die Menschen eine Veränderung in ihrem Leben erfahren sollten? Hat es in den vergangenen sechs Monaten eine spürbare Auswirkung auf das Leben der Menschen gegeben?"
Zweitens sinkt die Popularität des Atomdeals auch innerhalb der Bevölkerung. Nach Unterzeichnung der Vereinbarung ergaben Meinungsumfragen, dass 63 % der Iraner innerhalb eines Jahres Verbesserungen in der Wirtschaft und dem Lebensstandard erwarteten. Aktuell gaben jedoch in einer neuen Meinungsumfrage 74 % der Iraner an, es habe keine wirtschaftlichen Verbesserungen im vergangenen Jahr gegeben.
Ahmadinedschad ist möglicherweise tatsächlich ein realistischer Herausforderer für Hassan Rohani und er ist die wahrscheinlichere Wahl des Obersten Religionsführers und der Führer der Iranischen Revolutionsgarde sowie der von den Konservativen und Prinzipalisten favorisierte Kandidat.
Dr. Majid Rafizadeh ist Politikwissenschaftler, Harvard-Gelehrter und Vorsitzender des International American Council on the Middle East.