In einem historischen Wiedererwachen mischt sich der Iran einmal mehr in die internen Angelegenheiten der Palästinenser ein. Dies lässt nichts Gutes für die Zukunft der "Versöhnung" zwischen der Hamas und der Fatah-Fraktion der Palästinensischen Autonomiebehörde unter Führung von Präsident Mahmoud Abbas erahnen. Das erneute Auftreten des Iran im Zuge seiner Bestrebungen, die eigene politische und militärische Präsenz in der Region auszubauen, ist kein gutes Zeichen für die Zukunft der Stabilität im Nahen Osten.
Die Iraner drängen die Hamas, auch trotz der vor Kurzem unter der Schirmherrschaft Ägyptens zwischen Hamas und Fatah unterzeichneten "Versöhnungs"-Vereinbarung, an ihren Waffen festzuhalten. Was ist dabei das Ziel des Iran? Dass die Hamas ihre Vorbereitungen für einen Krieg gegen Israel fortsetzt und sogar verstärkt.
Eine hochrangige Hamas-Delegation, angeführt von Saleh Arouri, dem stellvertretenden Vorsitzenden des "Politbüros" der Hamas, reiste letzte Woche nach Teheran, um die iranische Führung über den "Versöhnungsdeal" mit der Fatah zu unterrichten. Bei diesem Besuch lobte die iranische Führung die Hamas dafür, dass sie den Forderungen (der Fatah) sich zu entwaffnen und die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen aufzugeben, Widerstand geleistet hatte.
"Wir beglückwünschen Sie zu Ihrer Weigerung, Ihre Waffen niederzulegen – ein Thema, das für Sie eine rote Linie darstellt," lobte Ali Velayati, ein führender iranischer Politiker und Berater des Obersten Religionsführers der Islamischen Revolution, Ajatollah Khamenei, die angereisten Hamas-Vertreter. "Die Sache der Palästinenser ist die wichtigste Angelegenheit der islamischen Welt und nach all dieser Zeit halten Sie unverändert am Prinzip des Widerstands gegen die Zionisten fest, trotz all des Drucks, der auf Sie ausgeübt wird."
Arouri und seine Kollegen waren nach Teheran geeilt, um Unterstützung vom iranischen Regime zu ersuchen, nachdem Abbas verlangt hatte, die Hamas solle der Palästinensischen Autonomiebehörde erlauben, die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen. Die "Versöhnungs"-Vereinbarung sieht für die Hamas nicht die Notwendigkeit vor, sich zu entwaffnen und Hamas-Offizielle haben in den vergangenen zwei Wochen wiederholt betont, dass sie nicht beabsichtigen, ihre Waffen niederzulegen oder ihren Sicherheitsapparat im Gazastreifen aufzulösen.
Die Hamas betrachtet die Forderung zur Entwaffnung als Teil einer israelisch-amerikanischen "Verschwörung" mit dem Ziel, den palästinensischen "Widerstand" zu eliminieren und das "Versöhnungsabkommen" mit Abbas' Fatah zu torpedieren. Bereits jetzt droht die Weigerung der Hamas zur Entwaffnung die "Versöhnung" zu vereiteln.
Arouri soll bei seinem Besuch in Teheran gesagt haben, die Hamas werde "nicht von der Möglichkeit ablassen, das palästinensische Volk zu verteidigen." Er stellte fest, dass die "Versöhnungs"-Vereinbarung mit der Fatah die Waffen des palästinensischen "Widerstands" nicht beeinträchtigen würde, dies schliesse auch die Hamas mit ein. Die Hamas, so fügte er hinzu, wird sich "der israelisch-amerikanischen Verschwörung durch nationale Einheit und Versöhnung sowie fortgesetzten Widerstand entgegensetzen. Die palästinensischen Widerstandskräfte werden an ihren Waffen festhalten und sie nicht niederlegen."
Hamas Treffen im Iran. (Foto: Tasnim News Agency / Mahmod Hosseini. CC BY 4.0) |
Die Hamas sieht den Besuch ihrer führenden Vertreter ausserdem als eine Absage an die Forderung Israels zum Abbruch der Beziehungen der Hamas zum Iran. Hamas-Vertreter sagen, sie sehen ihre Beziehung zum Iran weiterhin als "strategisch und massgeblich" an, insbesondere nach Teherans finanzieller und militärischer Unterstützung für ihre Organisation im Gazastreifen.
Indem sie sich mit dem Iran abstimmt, will sich die Hamas auch Forderungen entgegenstellen, sie solle ihre Ideologie und ihre Charta aufgeben, welche die Vernichtung Israels sowie die Verweigerung jedes Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern verlangt.
Dir iranischen Regierungsvertreter hegen offensichtlich keine Sympathien für Mahmoud Abbas und die Palästinensische Autonomiebehörde und haben kein Interesse daran, diese in den Gazastreifen zurückkehren zu sehen. Der Iran hält Abbas für einen "Verräter", weil seine Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland Sicherheitskoordination mit Israel betreibt und vorgibt, sich für einen "Friedensprozess" mit Israel einzusetzen. Diese Haltung läuft dem Wunsch des Iran zur Vernichtung des "Zionistischen Gebildes" zuwider.
Abbas seinerseits hat den Iran stets als eine Bedrohung für sein Regime und die Stabilität in der Region betrachtet. In der Vergangenheit kritisierte er den Iran, weil er sich in die internen Angelegenheiten der Palästinenser "einmische", indem er die Hamas und den palästinensischen islamischen Dschihad im Gazastreifen unterstützte.
Anfang des Jahres verurteilte die Palästinensische Autonomiebehörde dann den Iran aufs Schärfste, nachdem ein hochrangiger Regierungsvertreter des Iran Abbas beschuldigt hatte, im Namen Israels Krieg im Gazastreifen zu führen. Die Erklärung des Regierungsvertreters war eine Reaktion auf eine Reihe von Strafmassnahmen, die Abbas über den Gazastreifen verhängt hatte.
Abbas' Pressesprecher, Nabil Abu Rudaineh, beschuldigte den Iran, sich in die internen Angelegenheiten der Palästinenser und anderer arabischer Länder einzumischen. Er erklärte, dass die Aktionen des Iran die "Spaltungen [zwischen den Palästinensern] fördern". "Der Iran muss aufhören, Bürgerkriege in der arabischen Welt zu schüren", stellte er fest. "Der Iran muss aufhören, eine Rhetorik zu verwenden, die einzig Israel und den Feinden der Araber dient."
Abbas und die Palästinensische Autonomiebehörde sind nun überzeugt, dass der Iran sich bemüht, die "Versöhnungs"-Vereinbarung mit der Hamas zu vereiteln. Sie glauben, der Iran habe die Hamas-Führer nach Teheran eingeladen, um sie zu drängen, ihre Waffen nicht niederzulegen.
Abbas und die Ägypter waren vermutlich naiv, als sie geglaubt hatten, die Hamas würde sich entwaffnen und loyalen Abbas-Anhängern erlauben, sich nach der Unterzeichnung der "Versöhnungs"-Vereinbarung im Gazastreifen zu niederzulassen. Es ist möglich, dass einige der führenden Hamas-Vertreter Abbas und die Ägypter anlogen, als sie andeuteten, die Hamas würde die Sicherheitskontrolle im Gazastreifen aufgeben.
Es ist davon auszugehen, dass auch die Ägypter, die eine zentrale Rolle als Vermittler in dem Abkommen zwischen Hamas und Fatah spielten, besorgt sind wegen der erneuten Einmischung des Iran in die internen Angelegenheiten der Palästinenser. Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde als auch Ägypten betrachten den Besuch der Hamas-Delegation im Iran als einen gravierenden Rückschlag für die "Versöhnungs"-Vereinbarung und als ein Zeichen dafür, dass es der Hamas nicht ernst mit der Umsetzung des Abkommens ist.
Einige offizielle Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas behaupteten vor Kurzem, Israel sei nicht glücklich über ihre "Versöhnungs"-Vereinbarung und tue alles in seiner Macht Stehende, um sie zu torpedieren. Die Wahrheit ist jedoch, dass es der Iran und die Hamas sind, die alles dafür tun, um die Vereinbarung zu vereiteln, indem sie auf der Wahrung des Status Quo im Gazastreifen bestehen. Die Botschaft des Iran an die Hamas lautet: Wenn ihr wollt, dass wir euch weiterhin finanziell und militärisch unterstützen, müsst ihr an euren Waffen festhalten und alle Forderungen, euch zu entwaffnen, zurückweisen.
Und was springt für den Iran dabei heraus? Der Iran will, dass die Hamas die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behält, damit die Iraner über eine weitere Machtbasis im Nahen Osten verfügen.
Der Iran will, dass die Hamas weiterhin die Rolle des Erfüllungsgehilfen übernimmt, genau wie die Hisbollah im Libanon.
Das Letzte, was der Iran will, ist dass die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde in den Gazastreifen zurückkehren: dies würde die Pläne Teherans, sein Ziel der Zerstörung Israels voranzutreiben, untergraben.
Die fortgesetzte Unterstützung des Iran für die Hamas ist weder in der Liebe zur Hamas, noch zu den Palästinensern begründet, sondern einzig in seinem eigenen Interesse zur Verstärkung seiner Präsenz im Nahen Osten.
Viele Palästinenser betrachten den "erfolgreichen" Besuch der Hamas-Vertreter in Teheran als einen schweren Rückschlag für die Bestrebungen, den seit zehn Jahren andauernden Konflikt zwischen Hamas und Fatah zu beenden. Ganz ähnlich sind auch die Ägypter nun wachsam angesichts der plötzlichen Wiederannäherung zwischen dem Iran und der Hamas und beginnen sich zu fragen, ob sie von der Hamas übers Ohr gehauen wurden. Eine israelische Delegation, die im Vorfeld der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Hamas und Fatah Kairo besuchte, soll die Ägypter angeblich gewarnt haben, dass die "Versöhnung" nicht funktionieren würde, sofern die Hamas nicht ihre Waffen niederlegen und die Beziehungen zum Iran abbrechen würde. Wie verlautet, haben die Ägypter jedoch nicht auf die israelische Warnung gehört.
Was Israel, die USA und andere westliche Parteien anbetrifft, so muss die Lektion aus der Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der Hamas und dem Iran lauten, dass die Hamas sich nicht im Geringsten geändert hat.
Ganz im Gegensatz zu den irrigen Hoffnungen, die im Nachgang der "Versöhnungs"-Vereinbarung in Kairo laut wurden und die auf nichts als Lügen und heisser Luft basierten, bewegt sich die Hamas keineswegs in Richtung Mässigung und Pragmatismus. Indem er die Hamas öffentlich unterstützt, demonstriert der Iran einmal mehr sein Ziel, das Feuer im Nahen Osten anzufachen und auch weiterhin jegliche Aussicht auf Frieden zu sabotieren.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.