Nun zählt auch der Irak zu der langen Liste arabischer Länder, die schamlos Apartheid gegen Palästinenser praktizieren. Die Anzahl der Länder, die diskriminierende Massnahmen gegen die Palästinenser anwenden, während sie gleichzeitig vorgeben, die palästinensische Sache zu unterstützen, ist atemberaubend. Einmal mehr werden wir Zeugen der arabischen Heuchelei, aber wer achtet darauf?
Die internationalen Medien – und selbst die Palästinenser – sind derart mit der Jerusalem-Erklärung von US-Präsident Donald Trump beschäftigt, dass die Not der Palästinenser in arabischen Ländern niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Diese Apathie ermöglicht arabischen Regierungen auch weiterhin ihre anti-palästinensische Politik fortzuführen, da sie ja wissen, dass sich niemand aus der internationalen Gemeinschaft darum schert – die Vereinten Nationen sind zu sehr damit beschäftigt, Israel zu verurteilen, als dass sie für etwas anderes Zeit hätten.
Worum also geht es bei den Palästinensern im Irak? Kürzlich wurde bekannt, dass die irakische Regierung ein neues Gesetz verabschiedet hat, welches die Rechte der dort lebenden Palästinenser effektiv aufhebt. Das neue Gesetz ändert den Status der Palästinenser von Staatsbürgern zu Ausländern.
Unter Saddam Hussein, dem ehemaligen irakischen Diktator, genossen die Palästinenser zahlreiche Privilegien. Bis 2003 lebten rund 40.000 Palästinenser im Irak. Seit dem Sturz des Saddam-Regimes ist die palästinensische Bevölkerung auf 7.000 geschrumpft.
Tausende Palästinenser flohen aus dem Irak, als sie aufgrund ihrer Unterstützung für Saddam Hussein ins Visier verschiedener sich bekriegender Milizen gerieten. Die Palästinenser sagen, dass das, was sie derzeit im Irak erleben, eine "ethnische Säuberung" ist.
Die Lebensbedingungen der Palästinenser im Irak verschlimmern sich zunehmend. Das neue, vom irakischen Präsidenten, Fuad Masum, ratifizierte Gesetz beraubt die im Irak lebenden Palästinenser ihrer Rechte auf kostenlose Schulbildung, Gesundheitsversorgung und Reisedokumente und verweigert ihnen die Arbeit in staatlichen Institutionen. Das neue Gesetz unter der Bezeichnung Nr. 76 des Jahres 2017, widerruft die den Palästinensern unter Saddam Hussein gewährten Rechte und Privilegien. Das Gesetz trat bereits kurz nach seiner Veröffentlichung in der Official Gazette of Iraq Nr. 4466 in Kraft.
Ein neue, vom irakischen Präsidenten, Fuad Masum, ratifizierte Gesetz beraubt die im Irak lebenden Palästinenser ihrer Rechte auf kostenlose Schulbildung, Gesundheitsversorgung und Reisedokumente. Im Bild: Der irakische Präsident Fuad Masum (rechts) trifft am 30. November 2015 den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas. (Foto: Video screenshot, Büro von Mahmoud Abbas) |
"Anstatt die palästinensischen Flüchtlinge vor täglichen Rechtsverstössen zu schützen und ihre Lebensverhältnisse und humanitären Bedingungen zu verbessern, trifft die irakische Regierung Entscheidungen, die katastrophale Auswirkungen auf das Leben dieser Flüchtlinge haben werden", erklärte die Organisation Euro-Mediterranean Human Rights Monitor.
"Die permanenten Schikanen und Einschränkungen, die in den vergangenen Jahren palästinensischen Flüchtlingen auferlegt wurden, zwangen die meisten von ihnen, erneut Zuflucht in anderen Ländern wie Kanada, Chile, Brasilien und weiteren Ländern in Europa zu suchen. Aufgrund dieser Rechtsverletzungen leben derzeit nur noch 7.000 von ehemals 40.000 palästinensischen Flüchtlingen im Irak. Es ist eine Schande, der ein Ende gesetzt werden muss."
Das Gesetz hat schlicht und einfach zur Folge, dass Palästinenser lieber in Kanada oder Brasilien oder irgendeinem europäischen Land leben würden, als in einem arabischen Land. Sie haben in nicht-arabischen Ländern mehr Rechte, als in arabischen. In ersteren können sie wenigstens Eigentum erwerben und gelangen in den Genuss von Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen. Palästinenser können in nicht-arabischen Ländern sogar die Staatsbürgerschaft beantragen und erhalten. Dies gilt jedoch nicht in Ländern wie dem Irak, Ägypten, Libanon, Tunesien, Saudi-Arabien und Kuwait. Für einen Palästinenser ist es einfacher, die kanadische oder US-Staatsbürgerschaft zu erlangen, als die eines arabischen Landes.
Es ist schon eine extreme Ironie, dass gerade die Arabische Liga ihren Angehörigen empfahl, den Palästinensern keine Staatsbürgerschaft zu erteilen. Ihre Rechtfertigung: Wenn arabische Länder den Palästinensern Staatsbürgerschaft gewähren, verweigert man ihnen damit das "Recht auf Rückgabe" ihrer ehemaligen Wohnstätten in Israel. Die arabischen Länder wollen also darauf hin wirken, dass die Palästinenser auf ewig Flüchtlinge bleiben, indem sie diese anlügen und ihnen sagen: Eines Tages werdet ihr in Eure ehemaligen Häuser und Städte (von denen viele nicht mehr existieren) in Israel zurückkehren.
Da wäre beispielsweise der Fall von Amal Saker, einer palästinensischen Frau, die 1976 mit ihrer Familie in den Irak zog. Obwohl sie mit einem irakischen Staatsbürger verheiratet ist, und obwohl ihre Kinder die irakische Staatsbürgerschaft haben, wurde ihr selbst keine irakische Staatsbürgerschaft gewährt. Sie sagt, dass es ihr dank dem neuen Gesetz nun untersagt ist, Reisepapiere zu erhalten, um ihre Verwandten ausserhalb des Iraks zu besuchen. Wie viele andere Palästinenser ist auch sie überzeugt davon, dass das Timing des neuen Gesetzes – welches mit Trumps Jerusalem-Erklärung zusammenfiel – alles andere als zufällig ist. Vielmehr glauben sie, dass das neue irakische Gesetz Teil von Trumps angeblicher "ultimativer Lösung" für den israelisch-arabischen Konflikt ist, der – davon sind sie überzeugt – darauf abzielt, die palästinensische Sache zu "liquidieren" und die Palästinenser ihres "Rechts auf Rückkehr" zu berauben.
Mit anderen Worten fördern die Palästinenser eine Verschwörungstheorie, nach der einige arabische Länder, wie der Irak, Saudi-Arabien und Ägypten, mit der Trump-Regierung unter einer Decke stecken, um den Palästinensern eine Lösung aufzuzwingen, die vollkommen unakzeptabel und sogar schädlich für sie ist.
Die Palästinenser sind "entsetzt" über das neue irakische Gesetz und einige haben eine Kampagne gestartet, um die irakische Regierung zu drängen, dieses zurückzuziehen. Dennoch sind sich die Palästinenser bewusst, dass sie diese Kampagne nicht gewinnen können, da sie die Sympathie der internationalen Gemeinschaft nicht gewinnen werden. Weshalb? Weil der Name des Landes, welches dieses Apartheid-Gesetz verabschiedet hat, Irak lautet, und nicht Israel.
Jawad Obeidat, Vorsitzender der Interessengemeinschaft palästinensischer Rechtsanwälte, erklärte, dass das neue irakische Gesetz "schwerwiegende Auswirkungen" auf die Lebensbedingungen und die Zukunft der im Irak lebenden Palästinenser haben wird. "Die Palästinenser werden nun der meisten ihrer grundlegenden Rechte beraubt", sagte Obeidat.
Er fügte hinzu, dass palästinensische Rechtsanwälte gemeinsam mit ihren irakischen Kollegen daran arbeiten, Druck auf die irakische Regierung auszuüben, damit diese das neue Gesetz wieder ausser Kraft setzt. Obeidat appellierte an die Arabische Liga, bei den irakischen Behörden dahingehend zu intervenieren, dass diese das Gesetz zurückziehen und die "Ungerechtigkeit" gegenüber den Palästinensern im Irak beenden.
"Das irakische Gesetz ist inakzeptabel und unmenschlich", empörte sich Tayseer Khaled, ein führender PLO-Vertreter. Er wies darauf hin, dass die irakischen Behörden versäumt hätten, den im Irak lebenden Palästinensern Schutz zu bieten und dass dies der Grund dafür sei, dass sie eine leichte Beute für diverse Milizen geworden seien, welche viele von ihnen in den zurückliegenden 15 Jahren aus dem Land vertrieben haben. Khaled stellte fest, dass zahlreiche Familien dazu gezwungen worden seien, in provisorischen temporären Flüchtlingslagern an den Grenzen zu Syrien und Jordanien Zuflucht zu suchen, nachdem sie aus ihren Häusern vertrieben worden waren. "Wir rufen die irakischen Behörden dazu auf, die Palästinenser human zu behandeln", forderte er.
Die irakischen Führer können es sich angesichts aller palästinensischen Appelle und Verurteilungen dennoch erlauben, sich bequem und entspannt in ihren Sesseln zurückzulehnen. Denn in keinem arabischen Land wird irgendjemand dem Elend der Palästinenser Beachtung schenken. Die grössten Medienkanäle der Welt werden kaum über das kontroverse irakische Gesetz berichten oder über die Vertreibung tausender palästinensischer Familien aus dem Irak. Die Journalisten sind zu sehr damit beschäftigt, einer Handvoll Steinewerfer in der Nähe von Ramallah hinterher zu jagen. Ein palästinensisches Mädchen, das einen israelischen Soldaten ins Gesicht schlug, zog mehr Medieninteresse auf sich, als die arabische Apartheidpolitik gegen die Palästinenser. Die Protestaktion von 35 Palästinensern gegen Trump und Israel in der Altstadt von Jerusalem zieht mehr Fotografen und Reporter an, als eine Story über die vorherrschende arabische Apartheid und Diskriminierung gegenüber den Palästinensern.
Die Heuchelei der arabischen Länder ist in vollem Gange. Während sie Solidarität mit ihren palästinensischen Brüdern vorgeben, arbeiten arabische Regierungen unermüdlich an deren ethnischer Säuberung. Gleichzeitig schert sich die Führung der Palästinenser keinen Deut um die Not ihres eigenen Volkes in arabischen Ländern. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, die Palästinenser gegen Israel und Trump aufzuhetzen, als dass sie auch nur den geringsten Gedanken an ein so belangloses Problem verschwenden würden.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.