Die jüdische Gemeinde der Türkei taumelt unter dem Eindruck eines viralen Videos, das etwas zeigt, das wie ein Sommerlager aussieht, in dem kleine Kinder von einem jungen Mädchen oder einer Jugendberaterin zu einem antisemitischen Jubel auf türkisch angeleitet werden. Abgebildet: Die Neve Shalom Synagoge in Istanbul, Türkei. (Bildquelle: Tatiana Matlina/Wikimedia Commons) |
Die jüdische Gemeinde in der Türkei taumelt immer noch unter dem Eindruck eines Videos, das Ende Juli viral wurde. Das Video zeigt anscheinend ein Sommerlager, in dem kleine Kinder, hinter ihnen eine Gruppe burkabekleideter Frauen, von einem jungen Mädchen oder einer Jugendberaterin zu einem antisemitischen Jubel auf türkisch angeleitet werden.
Im 39-Sekunden-Clip, wenn das Mädchen "Die Juden" schreit, antworten die Frauen und Kinder: "Tod"!
Wenn sie schreit: "Palästina", antworten sie: "Es wird gerettet werden."
Wenn sie "Hagia Sophia" schreit - unter Bezugnahme auf das byzantinische Dom-Museum in Istanbul, von dem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan angekündigt hat, dass er es in eine Moschee verwandeln wolle - singen sie: "Es wird geöffnet."
Wenige Tage, nachdem das Filmmaterial in Umlauf gebracht worden war, hat Garo Paylan, ein Abgeordneter der Demokratischen Volkspartei der Opposition, seine Empörung getwittert. Er kündigte seine Absicht an, eine Strafanzeige gegen die Lagerbetreuerin und die hinter ihr stehende Organisation einzureichen. Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Tweets übermittelte Paylan der Familien-, Arbeits- und Sozialministerin Zehra Zümrüt Selçuk, dem Innenminister Süleyman Soylu und Justizminister Abdülhamit Gül die folgenden parlamentarischen Anfragen:
- Wo und unter wessen Aufsicht waren die Kinder im Video?
- Waren ihre Eltern oder andere Familienmitglieder während der Veranstaltung anwesend?
- Sind die Kinder, die angewiesen wurden, "Tod den Juden" zu rufen, bei dieser Veranstaltung als Teil einer Organisation zusammengekommen?
- Hat die Veranstaltung mit dem Wissen Ihres Dienstes stattgefunden?
- Werden Sie eine Untersuchung über die Organisatoren und die Familien dieser Kinder einleiten, die sie missbrauchen und ermutigen, Hassverbrechen zu begehen?
- Werden Sie administrative Ermittlungen gegen die Behörden einleiten, die es versäumt haben, das Ereignis aufzudecken?
- Werden Sie diese Kinder unter den Schutz Ihres Dienstes stellen?
- Welche Vorsichtsmaßnahmen wird Ihr Dienst ergreifen, damit unsere Kinder nicht wieder solchen Missbräuchen ausgesetzt sind?
Paylan fragte den Justizminister auch, ob "diejenigen, die sich an Hassreden und Hassdelikten beteiligen, wirksam bestraft werden oder ob es ein Klima der Straflosigkeit bei solchen Verbrechen gibt".
Die Minister müssen noch eine Antwort geben.
Mois Gabay, ein jüdischer Kolumnist mit Sitz in Istanbul, sagte Gatestone, dass der im Video offenbarte Antisemitismus die Art von Vorfall sei, der die ohnehin schon schwindende jüdische Gemeinde der Türkei extrem besorgt über die Zukunft mache. Gabay schrieb in seiner Kolumne vom 31. Juli in der jüdischen Wochenzeitung der Türkei, Şalom:
"Es ist möglich, viele weitere Beispiele [des Antisemitismus in der Türkei] zu nennen... Es scheint, dass, solange keine Strafen verhängt werden... und der Holocaust und der Antisemitismus nicht in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werden, einige Leute weiterhin Vogel-Strauß spielen werden, egal wie viel wir über diese Themen schreiben. Ich hoffe, dass der Hass und die Ausgrenzung [der Juden], die von Tag zu Tag wächst, mit neuen entstehenden Gruppen, hier eines Tages ein Ende finden wird."
Der Chefredakteur von Şalom, İvo Molinas, beklagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bianet am 5. August auch die im Video offenbarte antisemitische Hetze:
"In der Türkei gibt es einen sehr intensiven Antisemitismus in den visuellen Medien und der gedruckten Presse sowie in den sozialen Medien. Doch dieses Video ist die grösste und schwerste Form des Antisemitismus. Sehr kleine Kinder werden im Judenhass und Menschenhass indoktriniert, ohne zu wissen, wer die Juden sind. Diese Kinder werden zu potentiellen Judenhassern heranwachsen, und das ist die größte Gefahr. Für Rassismus und Hassverbrechen sollten Sanktionen verhängt werden. Es sollten unbedingt Klagen gegen diejenigen eingereicht werden, die Rassismus und Hassverbrechen begehen und Kinder auf diese Dinge zusteuern. Das ist die kurzfristige Lösung, aber die langfristige Lösung ist Bildung. Wir leben in einem Land, in dem eine ethnische Gruppe als Feinde in das Gehirn von sehr kleinen Kindern eingepflanzt wird. Und das Traurigste ist, dass wir nicht in der Lage sind, etwas dagegen zu unternehmen. Als Gesellschaft beschweren wir uns nur, können aber nichts anderes tun. Es ist so traurig, dass weder politische noch juristische Versuche unternommen werden, diese Dinge zu stoppen."
Uzay Bulut, eine türkische Journalistin, ist eine angesehene Senior Fellow am Gatestone Institute.