Anfang November 2012 trafen in Jerusalem Protestanten aus drei Kontinenten zusammen, um über die Lage der Protestanten in Israel und im Nahen Osten zu beraten. Die zur "Protestant Consultation on Israel and the Middle East" (PCIME) versammelten Vertreter veröffentlichten eine Erklärung, die Jerusalem Declaration, in der ihre Kirchen aufgefordert werden, statt einer einseitigen Verurteilung Israels der Situation der Christen in Ländern wie Ägypten, Syrien und Irak grössere Aufmerksamkeit zu widmen.
Bereits seit Jahren fordern diese Pastoren und Laien ihre Kirchen dazu auf – bisher jedoch nur als Einzelpersonen innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaften und ihren jeweiligen Ländern. Jetzt kamen sie erstmals an einem runden Tisch zusammen.
Zu den Beratungen gehörten auch informative Vorgespräche und Exkursionen; in der zentralen Sitzung indes berichteten die einzelnen Vertreter von der Haltung ihrer jeweiligen Kirche zum arabisch-israelischen Konflikt. Erstaunlicherweise offenbarte sich trotz ihrer verschiedenen Herkunftsländer und Glaubensgemeinschaften in den Berichten stets eine ähnliche Geschichte.
So kündigten die Kirchen üblicherweise eine "Zeit der Beratungen" an – bis in einer Versammlung eine Stellungnahme zum Konflikt diskutiert werden sollte. Darauf folgte zunächst monatelanges Schweigen. Kurz vor der Versammlung veröffentlichte ein Kirchenkomitee in der Regel urplötzlich den Text einer vorgeschlagenen Stellungnahme, die vor palästinensischer Propaganda nur so strotzte und so all jenen, die eine andere Sicht der Dinge vertraten, kaum Gelegenheit zum Protest liess.
Die Wurzeln dieses Phänomens lassen sich leicht ausmachen: Protestantische Bürokraten greifen überall auf dieselben zwei Quellen von Desinformation zurück: die unbedeutenden palästinensisch – protestantischen Kirchen (ihnen gehören weniger als 5 % der palästinensischen Christen an) sowie deren Vertreter im Sekretariat des Weltkirchenrats (Ökumenischer Rat der Kirchen, ÖRK), die sich seit Jahren für palästinensische Ansprüche stark machen.
Das ÖRK-Begleitprogramm in Palästina und Israel zum Beispiel hat bereits Hunderte westlicher Protestanten auf die palästinensische Weltsicht eingeschworen. Das Programm beinhaltet einen dreimonatigen Kurs vor Ort in den palästinensischen Gebieten, gefolgt von weiteren drei Monaten, in denen die Teilnehmer in ihren Heimatkirchen entsprechende Propaganda betreiben. Und was ist mit dem "israelischen" Teil des Programms? Nun ja –einige Teilnehmer treffen mit lautstarken pro-palästinensischen Juden zusammen.
Die Beratungen in Jerusalem fanden vor dem Hintergrund folgender Ereignisse statt: 1. Zu Beginn 2012 befürwortete die Synode der Kirche von England das ÖRK-Begleitprogramm. 2. Israels Zivilbevölkerung war wochenlang das Ziel zunehmender Raketenangriffe aus Gaza. 3. In einem gemeinsam unterzeichneten Brief an den US-Kongress sprachen sich 15 führende Würdenträger der amerikanischen Protestanten gegen die US-Hilfe für Israels Verteidigung aus.
Israels mobiles Raketenabwehrsystem ("Eiserne Kuppel") hängt grösstenteils von US-Hilfen ab; daher untergruben die genannten Fünfzehn Israels Verteidigungsfähigkeit just in dem Augenblick, als die Hamas und ihre Kohorten ihren Fantasien von der Zerstörung der israelischen Zivilbevölkerung nachgingen. Selbstverständlich enthielt der Brief einen symbolischen Hinweis auf "durch Raketenangriffe aus Gaza und vergangene Selbstmordanschläge zerstörte Menschenleben"; ansonsten aber bestand er aus einer Flut von einzig gegen Israel gerichteten Kritik.
Die Beratungsteilnehmer in Jerusalem waren angesichts der parallelen Ereignisse zu Recht erzürnt. In ihrer Erklärung zeigen sie sich gleichwohl wahrhaft "irenisch" – um Vermittlung bemüht. Neben der Feststellung, wie "vorhersehbar europäische und US-amerikanische Kirchenvertreter … auf die internationale Kampagne hereinfallen, die mit dem vorgeblichen Ziel, den Palästinensern zu helfen, die Delegitimierung Israels betreibt", ergeht darin folgende Mahnung:
"Ganz gleich, ob dies beabsichtigt ist oder nicht, ermutigen solche Strategien diejenigen Kräfte, die sich geschworen haben, Israel zu vernichten – Kräfte, die tagtäglich Raketen auf israelische Zivilisten abfeuern. Wir fürchten daher, dass diese Haltung nicht von christlicher Nächstenliebe getragen ist – sondern ganz im Gegenteil."
Zudem benennen sie das tiefer liegende – von den Fünfzehn in ihrem Brief an den US-Kongress ignorierte – Problem:
"Ausserdem sehen wir die Feindschaft gegenüber Israel als Teilaspekt eines umfassenderen Musters an. Die Kräfte, die sich weigern, die Existenz eines jüdischen Staates zu tolerieren, zeigen sich auch anderen religiösen und ethnischen Minderheiten im Nahen Osten gegenüber als vehement intolerant. Wir haben unter anderem die Berichte koptischer Christen aus Ägypten und assyrischer Christen aus dem Irak gehört – darüber, was sie durch aggressive islamistische Bewegungen erleiden. Demgegenüber versicherten uns massgebliche Kirchenführer in Jerusalem, dass die Christen in Israel nicht nur die gleichen Bürgerrechte wie Juden geniessen, sondern auch einen guten Lebensstandard – trotz gelegentlicher Reibereien mit einigen ihrer Nachbarn."
Halten wir fest: Die fünfzehn amerikanischen Würdenträger schrieben keinen Brief gegen den Einsatz tödlicher – und von den USA bereitgestellter – Waffen seitens der ägyptischen Armee gegen ägyptische Kopten und auch keinen aus Protest gegen die US-Unterstützung syrischer Aufständischer – trotz mehrfacher Berichte über deren Verfolgung syrischer Christen. Im Nahen Osten erscheint einzig die US-amerikanische Unterstützung für Israel die Aufmerksamkeit dieser Fünfzehn wert zu sein.
Die Webseite der PCIME ermöglicht es Besuchern, die Jerusalemer Erklärung zu unterzeichnen. Die Unterzeichner mehren sich – und kommentieren ihre Unterschrift häufig damit, dass sie schon lange auf eine solche Initiative gewartet haben. Das sollte niemanden überraschen. Nach einer Umfrage des Pew-Forschungszentrums (mit Sitz in Washington D. C.) vom Juni 2012 sympathisieren 46 % der Angehörigen traditioneller protestantischer Kirchen in den USA mit Israel; die Fünfzehn stehen also auch in offensichtlichem Widerspruch zu den Gläubigen ihrer eigenen Kirchen.
Die Unzufriedenheit mit der pro-palästinensischen Voreingenommenheit seitens der Kirchenfunktionäre hat in den USA bereits Gruppen wie die "Presbyterianer für Frieden im Nahen Osten" (Presbyterians for Middle East Peace ) sowie die Methodisten-Gruppe "Freunde Israels" (Methodist Friends of Israel) in Grossbritannien hervorgebracht. Ein Regionalvorstand der Letztgenannten sowie der Schirmherr der "Anglikanischen Freunde Israels" (Anglican Friends of Israel) nahmen selbst an der Beratung in Jerusalem teil und unterzeichneten die Jerusalemer Erklärung. PCIME nimmt diese Entwicklung auf und trägt sie weiter – für eine weltweite Gemeinschaft gleichgesinnter Protestanten.