Ist die Hamas wirklich auf dem Weg zur Mässigung und Pragmatismus, wie einige westlichen Politologen und Diplomaten mittlerweile glauben? Und was meinen Hamas-Führer tatsächlich, wenn sie von der Bereitschaft sprechen, einen palästinensischen Staat auch "nur" im Westjordanland, im Gazastreifen und Ost-Jerusalem zu akzeptieren?
Diese Fragen kamen nach einem Interview mit Khaled Mashal, politischer Führer der Hamas, auf CNN am21.11.2012 auf. Das Interview führte Christiane Amanpour; Mashal sagte: "Ich akzeptiere einen palästinensischen Staat gemäss den Grenzen von 1967 mit Jerusalem als Hauptstadt, mit dem Recht auf Rückkehr [von Millionen von Palästinensern nach Israel]."
Seit dieser Aussage des Hamas-Führers fehlinterpretieren einige im Westen diese als Zeichen dafür, dass die radikal-islamistische Bewegung, die vor 25 Jahren mit dem erklärten Ziel, Israel zu zerstören, gegründet worden ist, ihrer Ideologie abgeschworen hat und den Weg eines "weicheren" Vorgehen gutheisst.
Doch während Mashal auf CNN sprach, sprachen andere Hamas-Führer im Gazastreifen – auf Arabisch – über ihre Absichten, den Kampf gegen Israel "bis zur Befreiung unseres ganzen Landes, vom Meer bis zum Fluss" weiterzuführen.
Mashals Bemerkung ist nichts weiter als ein Versuch, die internationale Gemeinschaft in den Fehlglauben zu lenken, dass die Hamas eine Zwei-Staaten-Lösung gutheisse und bereit sei, in Frieden neben Israel zu leben.
In Wirklichkeit hat sich weder die Hamas geändert, noch hat sie ihren Traum aufgegeben, Israel mit einem islamistischen Staat zu ersetzen, der vom Iran finanziert und bewaffnet wird. Was Mashal tatsächlich sagt ist, dass weil die Hamas sich der Tatsache bewusst ist, dass sie ihr Ziel, die Zerstörung Israels, im Augenblick nicht erreichen kann, sie nehmen wird, was Israel ihr gibt und dann den Kampf zur "Befreiung" ganz Palästinas vom Jordan bis zum Mittelmeer fortsetzt.
Im gleichen CNN-Interview hat niemand besser diese Ansicht ausgedrückt, als Mashal selbst: " Palästina, vom Fluss bis zum Meer, vom Norden bis zum Süden, es ist mein Land. Und das Land meiner Vorväter und Urgrossväter, bewohnt von Palästinensern vor langer Zeit…aber wegen der Umstände der Region, wegen des starken Interesses das Blutvergiessen zu beenden, haben die Palästinenser heute und in der Vergangenheit, und die Hamas, einem Programm zugestimmt, das die Grenzen von 1967 akzeptiert."
In einem anderen Interview kürzlich auf Al-Jazeera gestand Mashal zum ersten Mal ein, dass der Iran die Hamas mit Waffen und Geld beliefert hat. Zudem leckte er auf, dass arabische und islamische Länder, sowie Einzelpersonen und Organisationen, die Hamas militärisch wie finanziell unterstütz haben.
Die Bemühungen der Hamas, sich als "gemässigte" Bewegung zu präsentieren, erreichten in der vergangenen Woche ihren Höhepunkt, als Mashal dem PA-Präsidenten Mahmud Abbas telefonisch seine Unterstützung für sein UN-Antrag mitteilte.
Mashals Telefonanruf wurde wieder als Zeichen fehlinterpretiert, die Hamas sei bereit, einen Staat mit den Grenzen von 1967 anzuerkennen.
Später jedoch erklärten Hamas-Funktionäre, nur weil Mashal Abbas Staatlichkeitsantrag begrüsst habe, heisse nicht, dass die Bewegung bereit sei, auch "nur einen Zentimeter von Palästina" aufzugeben.
Die Hamas ist mit einer subtilen Kampagne beschäftigt, die Sympathien der internationalen Gemeinschaft gewinnen soll, indem sie sich bereit gibt, ihren Traum, Israel zu zerstören, abzulegen. Mashals Aussagen sollten im Zusammenhang mit einer neuen Hamas-Taktik verstanden werden, deren Ziel es ist, die radikal-islamistische Bewegung zu einem legitimen und anerkannten Spieler in der internationalen und regionalen Arena zu machen. Diejenigen, die sich haben täuschen lassen, sollten auf die Charta der Bewegung aufmerksam gemacht werden: Dort steht eindeutig und unmissverständliche "Denn der Verzicht auf auch nur einen Teil Palästinas ist ein Verzicht auf einen Teil des Glaubens. (Art. 13)…. die Befreiung Palästinas ist individuelle Pflicht eines jeden Muslims, wo auch immer er sich befindet. (Art. 14)…. Sobald die Feinde muslimisches Land usurpieren, wird der Dschihad zur individuellen Pflicht eines jeden Muslims. Gegenüber der Usurpierung Palästinas durch die Juden muss zwingend das Banner des Dschihad erhoben werden. (Art. 15)."
Wenn CNN oder ein anderer westlicher Medienkanal nächstes Mal ein Interview mit einem Hamas-Funktionär führen, wäre es empfehlenswert nachzufragen, ob seine Bewegung bereit sei, ihre Charta abzuändern. Denn solange die Hamas das nicht macht, bleibt das Gerede über Veränderung nur Strategie, um die Täuschungskampagne der Bewegung weiter zu streuen.