Während viele westliche Regierungen, die Weltbank und verschiedene internationale Organisationen die Palästinensische Autonomiebehörde PA für ihren Reformeifer weiterhin mit Lob überschütten, gab der stellvertretende palästinensische Parlamentssprecher Hasan Khreishah bekannt, dass die finanzielle und administrative Korruption ein nie gekanntes Ausmass angenommen hätten.
Der unabhängige Parlamentarier Khreishah machte klar, dass die Regierung Salam Fayyads – die für ihre Bekämpfung von Korruption und das Durchführen von Reformen bejubelt worden ist – weiterhin öffentliche Gelder verschwendet.
Ein Vorwurf des stellvertretenden Parlamentssprechers richtet sich gegen die Behauptung der PA-Regierung, sie habe unter einer schweren Finanzkrise zu leiden.
Khreishah sagt, dass die PA-Regierung eigentlich lüge, wenn sie über eine Finanzkrise redet: ihr vordringliches Ziel sei es, westliche und arabische Geldgeber für Ramallah zu gewinnen. "Korruption ist in der Palästinensischen Autonomiebehörde weiter verbreitet als früher", so Khreishah. "Wir hören vom Leiden und Hunger der Armen und den Schwierigkeiten für Arbeitslose, Bauern, Dörfler und Staatsangestellte. Und zur selben Zeit hören wir vom luxuriösen Leben führender, einflussreicher Beamter, und dass einige von ihnen als Geldwäscher unterwegs sind."
Khreishah bringt damit zum Ausdruck, dass westliche Geldgeber, vor allem die USA und die EU, der Palästinensischen Autonomiebehörde nach wie vor Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, ohne dass darüber Rechenschaft abgelegt werden müsste.
So legt er zum Beispiel offen, dass der Vorsitzende des Palestine Investment Fund, einer von der PLO gegründeten Firma, ein Monatssalär von 35'000 $ bezieht, das ist ein Jahresgehalt von 420'000 $, während das Durchschnittsgehalt eines Beamten in der PA zwischen 500 und 1'000 $ liegt. Darüber hinaus haben führende Mitglieder der PLO und der Fatah sich selbst nicht nur grosszügige Gehälter zugestanden, sondern auch mit Luxus-Fahrzeugen und verschiedenen Privilegien belohnt.
Ein führender palästinensischer Beamter, so Khreishah, verbringe durchschnittlich fünf Tage zusammen mit Assistenten, Beratern und Sekretären im Ausland – alles auf Kosten der Palästinenser.
"Seit der Unterzeichnung der Osloer Abkommen hatten wir 228 Minister, neben all den Beratern", so Khreishah in einem Interview der in London ansässigen Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi. "Alle erhalten hohe Gehälter und Luxus-Fahrzeuge", sagte er weiter. "Angesichts der finanziellen Kosten [der PA-Führung] ist das Gerede von einer Finanzkrise widerlich und haltlos", klagt er an. "Es ist zu einer Art politischem Statement geworden."
Auch gegen die beiden palästinensischen Regierungen im Westjordanland und im Gazastreifen bringt Kreishah Anschuldigungen vor; er macht sie für Verstösse gegen die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit verantwortlich. "Journalisten sind zur Zielscheibe für alle geworden, die sich um die Menschenrechte nicht scheren", so Khreishah. "Und die Palästinenser sind zu Geiseln zweier Parteien geworden".
Trotz seiner führenden Position in der PA als gewähltes Parlamentsmitglied ziehen es die internationalen Medien vor, seine Aussagen zu ignorieren. Einige Journalisten beeilten sich, Dementis palästinensischer Regierungsbeamte einzuholen; mit der Behauptung, Khreishah sei ein Unterstützer der Hamas, versuchten einige den Nestbeschmutzer zu diskreditieren. Gerade für alle, die Khreishah seit Jahren kennen, ist dieser Vorwurf lächerlich.
Um die finanzielle Hilfe für die Palästinenser nicht zu gefährden, möchte die palästinensische Regierung nicht, dass Kheishahs Bemerkungen in den internationalen Medien erscheinen; und die breite westliche Medienöffentlichkeit unterstützt sie darin. Doch wenn die PA-Regierung das nächste Mal über eine Finanzkrise klagt, sollten westliche Geldgeber Khreishahs Aussagen ins Englische übersetzen und lesen, ehe noch mehr Geld in die Kassen der palästinensischen Regierung geleitet wird. Es sei denn, westliche Geldgeber haben Freude daran, getäuscht und um ihr Geld betrogen zu werden.