Die Zukunft der als PEGIDA bekannten deutschen Basisbewegung gegen Islamisierung ist fraglich, nachdem ein Zerwürfnis der Führung dazu geführt hat, dass wichtige Mitglieder die Gruppe verlassen haben.
Nur 2.000 Menschen kamen am 9. Februar zu der wöchentlichen Kundgebung in Dresden, deutlich weniger als die 17.000, die sich am 25. Januar zur vorherigen Demonstration versammelt hatten.
PEGIDA — eine Abkürzung für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" — hatte seit Oktober jeden Montag "Abendspaziergänge" gegen die unkontrollierte Zuwanderung und die Islamisierung Deutschlands veranstaltet.
PEGIDA wurde von Lutz Bachmann, einem 41-jährigen Dresdner Werbefachmann ohne parteipolitischen Hintergrund, ins Leben gerufen, nachdem Vertreter der sächsischen Regierung verkündet hatten, dass sie mehr als ein Dutzend neuer Unterkünfte für gut 2.000 Asylsuchende eröffnen würden.
2014 kamen 180.000 Asylsuchende nach Deutschland, ein Anstieg um 60 Prozent gegenüber 2013. Die meisten von ihnen kamen aus Afghanistan, Eritrea, dem Irak, Somalia und den Balkanstaaten. Oft werden sie, über ganz Deutschland verteilt, in umfunktionierten Schulgebäuden, Containersiedlungen oder Büroblocks untergebracht.
Etwa 500 Leute trafen sich zur ersten PEGIDA-Veranstaltung am 20. Oktober, um gegen Deutschlands laxe Asylpolitik zu demonstrieren. Von da an stieg die Zahl der Demonstranten von Woche zu Woche drastisch; am 12. Januar, wenige Tage, nachdem islamische Terroristen in Paris 16 Menschen ermordet hatten, erreichte sie schließlich 25.000.
Überall in Deutschland entstanden PEGIDA-Ableger, etwa in Bayern (Bagida), Berlin (Baergida), Köln (Kögida), Hamburg (Hagida), Kassel (Kagida), Leipzig (Legida), Rostock (Rogida), Südthüringen (Sügida) oder Würzburg (Wügida).
PEGIDA erfasste auch andere europäische Länder, darunter Österreich, Belgien, Großbritannien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Frankreich, Norwegen, Polen und Schweden.
Dann aber veröffentlichte die deutsche Boulevardzeitung "Bild" am 21. Januar ein Foto von Bachmann, wie er mit Hitler-Bärtchen und -Frisur posiert. Obendrein bezeichnete dieser Asylsuchende auf Facebook als "Gelumpe" und "Dreckspack". Die Einträge waren am 19. September gepostet worden, einen Monat vor dem ersten PEGIDA-Treffen.
Für die Gegner PEGIDAs ist das Foto (das mindestens zwei Jahre, bevor die Gruppe Bekanntheit erlangte, aufgenommen wurde) ein Beleg dafür, dass Rassismus der Antrieb der Bewegung sei.
Bachmann beteuert, dass das Foto ein Stück Satire sei. "Ich hatte das Foto zur Veröffentlichung des Satire-Hörbuchs von Er ist wieder da beim Friseur geknipst ... Man muss sich auch mal selbst auf die Schippe nehmen."
Er ist wieder da ist ein satirischer Bestseller-Roman, dessen Handlung darauf basiert, dass Hitler im heutigen Berlin wiederaufwacht, ohne irgendetwas von dem zu wissen, was in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs passiert ist. Von dem Buch gingen 1,4 Millionen Exemplare über die Ladentische, und die Hörbuchversion, die von dem Komiker Christoph Maria Herbst gelesen wird, hat sich über 520.000 Mal verkauft. Eine englische Übersetzung, Look Who's Back, wurde im März 2014 veröffentlicht.
Nach einer Sitzung des 12-köpfigen Führungskomitees am 21. Januar trat Bachmann als Vorsitzender von PEGIDA zurück. "Ich bedaure, dass ich den Interessen unserer Bewegung geschadet habe", sagte er. "Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Bürgern, die sich von meinen Postings angegriffen fühlen. Es waren unüberlegte Äußerungen, die ich so heute nicht mehr tätigen würde."
PEGIDA-Sprecherin Kathrin Oertel sagte, Bachmanns Rücktritt sei "für die Bewegung die einzige Möglichkeit" gewesen. Sie fügte hinzu: "Die jetzt bekannt gewordenen Facebook-Postings Lutz Bachmanns vom September weisen wir als Verein aufs Schärfste zurück. Sie tragen nicht dazu bei, Vertrauen zu den Zielen und Protagonisten von PEGIDA zu entwickeln."
Weniger als eine Woche später implodierte PEGIDA förmlich: Oertel und vier weitere Organisatoren gaben bekannt, dass sie die Gruppe verlassen würden, um ihre eigene Bewegung Direkte Demokratie für Europa zu gründen.
Sie gaben an, dass ihr Fokus von nun an darin bestehe, nach Wegen zu suchen, die Wähler stärker zu mobilisieren, statt gegen die Islamisierung Deutschlands zu protestieren. Zur ersten Kundgebung von Direkte Demokratie für Europa, die am 8. Februar in Dresden stattfand, kamen allerdings lediglich 500 Leute, viel weniger als die 5.000, die Oertel sich erhofft hatte.
Begrüßt wurde der Zusammenbruch von PEGIDAs Führung von den Hütern des europäischen Multikulturalismus, die sich monatelang abgerackert hatten, die Bewegung zu delegitimieren, indem sie ihre Anhänger als Rassisten und "Neonazis" gebrandmarkt hatten. Ralf Jäger, der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sprach erst kürzlich von den PEGIDA-Organisatoren als "Neonazis in Nadelstreifen".
Am 12. Februar kam heraus, dass hochrangige Politiker des Freistaats Sachsen und der Stadt Dresden heimlich mehr als 100.000 Euro an Steuergeldern dazu verwendet haben, um eine Gegendemo gegen PEGIDA zu finanzieren, die am 10. Januar in Dresden stattfand. Ziel dieser Veranstaltung, zu der mehr als 35.000 Menschen erschienen, war es, Unterstützer von PEGIDA als "intolerant" und "voreingenommen" darzustellen, im Gegensatz zur Mehrheit der Dresdner, die "weltoffen" und "tolerant" sei.
PEGIDAs Anhänger – unter denen es viele zur Mittelschicht gehörende junge Paare und Großeltern gibt – bestreiten, dass sie rassistisch seien und betonen, dass sie lediglich eine Verschärfung des liberalen deutschen Einwanderungsrechts wollen. Ein 19-Punkte-"Positionspapier", das umreißt, "wofür" und "wogegen" die Gruppe ist, enthält u.a. folgende Punkte:
"1. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!"
"2. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland."
"9. PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!"
"13. PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!"
"16. PEGIDA ist GEGEN das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichten in unserer Mitte, wie Scharia-Gerichte, Scharia-Polizei, Friedensrichter usw."
"18. PEGIDA ist GEGEN Radikalismus, egal ob religiös oder politisch motiviert!"
"19. PEGIDA ist GEGEN Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!"
PEGIDA ist darum bemüht, sich von LEGIDA zu distanzieren, einem Leipziger Ableger der Gruppe. Der Grund ist, dass dieser sich weigert, die 19-Punkte-Erklärung von PEGIDA zu unterzeichnen. Eine LEGIDA-Demonstration am 21. Januar artete in Gewalt aus, Augenzeugenberichte beschuldigen allerdings "selbsternannte Antifaschisten", die Zusammenstöße angezettelt zu haben.
PEGIDA sagt, dass sie sich neu organisieren wird; das nächste Treffen der Gruppe wurde für den 16. Februar anberaumt. Ob sich die Bewegung erholt oder im Sande verläuft, bleibt abzuwarten. Doch Beobachter sagen, dass sie schon jetzt erreicht hat, was niemand anderem vor ihr geglückt war: Zehntausende ganz normale Europäer auf die Straße zu bringen, die ein Ende jener jahrzehntelangen Masseneinwanderung fordern, die das Gesicht des Kontinents verändert.
Der britische Kommentator Oliver Lane resümiert:
"Was auch immer von nun an mit ihr geschieht, PEGIDA hat bereits einen Teil ihres Ziels erreicht, indem sie eine Debatte über Zuwanderung, die Staatsangehörigkeit und Integration in Gang gebracht hat, die jahrzehntelang stumm war."
"Viele Menschen in Deutschland stellen zum ersten Mal in ihrem Leben den Nachkriegskonsens in Frage, wonach unbegrenzte Einwanderung und Multikulturalismus (bzw. Ghettoisierung) unausweichlich und wünschenswert seien, und der Funke der Gedankenfreiheit breitet sich aus. Eine PEGIDA-Demonstration wurde in einem so weit entfernten Land wie Bulgarien veranstaltet, in vielen europäischen Ländern sind ähnliche Bewegungen geplant."
"Und jetzt scheint PEGIDA auch nach Großbritannien zu kommen ... Wenn es der PEGIDA-Bewegung gelingt, jene deutsche Elite auszukontern, die verzweifelt versucht, sie zum Erliegen zu bringen; wenn es ihr gelingt, 50 Jahre Schweigen zu durchbrechen, dann kann sie vielleicht sogar auch in Großbritannien eine neue Ära der Offenheit und Diskussion initiieren."
Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute und Senior Fellow for European Politics der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Strategic Studies Group. Besuchen Sie ihn auf Facebook und folgen ihm auf Twitter.