Scheich Dr. Ahmed al-Tayyeb, der Großimam der Al-Azhar-Universität, der wichtigsten Autorität des sunnitischen Islam, hielt gestern in Mekka, Saudi-Arabien, eine mutige und historische Rede, in der er auf eine Reform der religiösen Erziehung drängte, um den Extremismus im Islam einzudämmen. Al-Tayyebs Rede war das Resultat der noch mutigeren historischen Rede, die Ägyptens tiefgläubig muslimischer Präsident Abdel Fattah el-Sisi vor einigen Wochen in der Al-Azhar-Universität gehalten hatte.
El-Sisis bedeutungsvolle Stellungnahme, die wahrhaft eines Nobelpreises würdig ist, kommt einem Erdbeben gleich. El-Sisi richtete seine Bemerkungen über die Missstände des Islam an die islamischen Kleriker in Ägypten und der ganzen Welt. Das war extrem mutig von ihm. Er hat dabei nicht etwa den radikalen Islam herausgestellt, sondern alle Muslime dazu aufgerufen, sich selbst zu ergründen, eine religiöse Revolution durchzuführen und ihren Glauben zu erneuern.
El-Sisi, ein Mann von monumentaler Tapferkeit, drängte die Muslime, nicht im Geiste jener alten, zerstörerischen Interpretationen des Korans und des Islam zu handeln; diese sind dafür verantwortlich, dass der Rest der Welt sie hasst, dass das Ansehen des Islam zerstört wird und muslimische Immigranten in westlichen Ländern sich in der Situation sehen, ihre Gastgeber bekämpfen zu müssen. Er argumentierte, dass es unlogisch sei, dass gut eine Milliarde Muslime danach trachten sollten, mehr als sechs Milliarden Nichtmuslime zu unterwerfen.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah el-Sisi hält in der Al-Azhar-Universität in Kairo eine historische Rede vor einigen der bedeutendsten islamischen Gelehrten und Geistlichen, 28. Dezember 2014. (Foto: MEMRI) |
Der Islam beschäftigt sich eingehend mit der Einigung der muslimischen Nation (umma) und gegenseitiger Verantwortung der Muslime, so, als wenn sie ein einziges Wesen wären. Wie der Prophet Mohammed (S.A.A.W.) sagte, ist jeder Tropfen muslimischen Bluts wertvoller als die gesamte Kaaba. Die Freiheit, die der IS sich herausnahm, als er einen jordanischen Piloten und 45 Ägypter bei lebendigem Leib verbrannte, als er Terror in Syrien, dem Irak und Ägypten verbreitete und Muslime an vielen anderen Orten der Welt tötete und dabei behauptete, sie seien "Ungläubige", ist also an und für sich bereits Gotteslästerung.
Die Rufe nach dem Tod von "einer Million shaheeds" und dem Töten von Juden um der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem willen, wie sie Arafat in der Vergangenheit verbreitet hat, und wie es seine Erben in der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas immer noch tun, sind ein Verbrechen; das alles ist extremistische Hetze, die dem vergebenden und versöhnlichen Geist des Islam entgegengesetzt ist. Mord und Terrorismus, wie er von Terrororganisationen wie ISIS, Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) und anderen islamistischen Organisationen gegen Juden, Christen und andere Nichtmuslime verübt wird, steht im Gegensatz zu dem modernen Islam, den unsere Zeit braucht.
El-Sisi hat recht, wenn er sagt, dass die sunnitische Ideologie der Muslimbruderschaft - welche die meisten extremistischen islamistischen Organisationen rund um den Globus antreibt – die zwangsweise Konversion von "Ungläubigen" zum Islam um jeden Preis predigt, bei Strafe des Todes. Einige der "Ungläubigen", so die Erwartung, werden sich dem Islam aus freien Stücken anschließen (targ'ib), zum eigenen Wohl; andere gegen ihren Willen (tarhib), aus Angst und unter Todesdrohungen. Solche Konversionen widersprechen dem ursprünglichen Islam, der sagt, dass niemand gezwungen werden darf, zum Islam zu konvertieren, und dass ein ruhiger religiöser Dialog geführt werden soll.
Einige Tage nach der Rede von Präsident el-Sisi, der versuchte, die Muslime und die koptischen Christen zu einen, weiteten die Muslimbruderschaft und die ihr zugehörigen Terrororganisationen überall in Ägypten und auf der Sinai-Halbinsel ihre Angriffe gegen ägyptische Zivilisten und Sicherheitskräfte aus und ermordeten in Libyen 21 ägyptische Kopten. Die Muslimbruderschaft weiß, dass US-Präsident Obama ihre Bewegung hinter den Kulissen unterstützt, vor allem den Zweig in Ägypten, der darauf aus ist, Präsident Sisi zu stürzen. Diese Billigung aus den USA ermutigt sie dazu, noch entschlossener Ägyptens Stabilität zu untergraben, dessen wirtschaftliche Erholung zu sabotieren und zu versuchen, das Regime el-Sisis zu zerstören.
Die Terrorgruppe Ansar Bayt al-Maqdis, die auf der Sinai-Halbinsel operiert, kann sich in dieser Atmosphäre der amerikanischen Unterstützung dem Schutz der Muslimbruderschaft sicher sein. Unlängst hat sie sich in "Provinz Sinai" des Islamischen Staats umbenannt und dem "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi Gefolgschaft geschworen. Jetzt arbeitet sie Hand in Hand mit der Hamas im Gazastreifen daran, el-Sisis Kräfte auf der Sinai-Halbinsel zu schwächen.
Hinzukommen andere islamistische Terrororganisationen, die mit Bomben und Maschinenpistolen ägyptische Zivilisten und Sicherheitskräfte töten. Im Namen der Ideologie der Muslimbruderschaft und mit der Absicht, die Kontrolle Ägyptens wiederzuerlangen, greifen sie unterschiedslos Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Flughäfen und auf öffentlichen Plätzen an.
Darum hat ein ägyptisches Gericht kürzlich die Hamas, zusammen mit ihrem militärischen Arm, den Izz al-Din al-Qassam-Brigaden, als Terrororganisation eingestuft, und beide verboten. Als Antwort darauf erlaubte Katar – jener gerissene Agent, der im Dienst Amerikas steht und gleichzeitig verräterisch dem Iran dient –, bewaffneten Mitgliedern der Izz al-Din al-Qassam-Brigaden, ein Interview in seinem Fernsehsender Al-Jazeera zu geben. Dort nannten sie den ägyptischen Präsidenten einen Verräter an der islamisch-arabischen Sache und an allen, die danach strebten, "Palästina zu befreien".
Gleichzeitig benutzt Katar Al-Jazeera weiterhin dazu, gegen el-Sisi gerichtete Hasspropaganda auszustrahlen und Videos sowie frei erfundene beleidigende Zitate zu verbreiten, mit dem Ziel, auf diese Weise Spannungen zwischen el-Sisi und den Führern der arabischen Welt und der Golfstaaten zu erzeugen – und diese davon abzuhalten, den hungrigen Ägyptern Wirtschaftshilfe zukommen zu lassen.
Je näher das Datum der Wirtschaftskonferenz in Sharm el-Scheich (auf der Sinai-Halbinsel) rückt, desto stärker dreht die Propagandamaschine von Al-Jazeera auf. Offenkundig haben einige sunnitische arabische Staaten noch nicht begriffen, dass ihre eigene nationale Sicherheit und ihre Fähigkeit, dem Iran standzuhalten, davon abhängt, wie stark Ägypten ist.
Es wäre der US-Administration ein Leichtes, die Unterminierung Ägyptens zu stoppen; doch nicht nur verschließt sie vor dieser die Augen – sie leidet an einer absonderlichen Ignoranz, die dazu führt, dass sie, während sie gegen ISIS kämpft, die Muslimbruderschaft unterstützt, die das Gewächshaus der meisten islamistischen Terrororganisationen ist, einschließlich ISIS. Der Schaden, der Ägypten zugefügt wird, und die Risse in den schwachen sunnitisch-muslimischen Reihen im Nahen und Mittleren Osten werden am Ende amerikanischen Interessen schaden und die Golfstaaten der wachsenden iranischen Bedrohung aussetzen.
Die Muslimbruderschaft, der enge Freund der derzeitigen amerikanischen Regierung, ist der Giftbaum, dessen Frucht der islamistische Terrorismus ist, der von ISIS, Al-Qaeda, Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad, der Al-Nusra Front, Boko Haram und anderen verkörpert wird. Diese Verbindung ist für alle arabischen Staaten offensichtlich, während die USA und Europa die Gefahr für ihr eigenes Überleben stur ignorieren und sich weigern, die Muslimbruderschaft zu verbieten.
Es könnte tatsächlich sein, dass es Politik der USA ist, die sunnitische Welt, die danach strebt, sich unter el-Sisis Fahne der Modernität zu einigen, zu schwächen. Mit Europa als Komplizen versucht die US-Regierung, die Araber zu hintergehen und den israelisch-palästinensischen Konflikt zu einem Epizentrum des Chaos im Nahen Osten zu machen, um den Atomdeal, den sie mit dem Iran ausheckt, zu verstecken. Das ist der Grund, warum der Westen die palästinensischen Flüchtlinge nicht durch Ansiedlung in den arabischen Staaten wiedereingliedern will, und warum er weiterhin jene falschen palästinensischen Hoffnungen nährt, die diesen Konflikt verewigen.
Der Verrat der US-Administration ist der Grund, warum Ägyptens Vertrauen in die Vereinigten Staaten – die die Araber doch eigentlich gegen einen nuklearen Iran beschützen sollen – sich praktisch in Luft aufgelöst hat.
In der Zwischenzeit haben Irans Stellvertreter im Jemen, die Houthi-Rebellen, das Land übernommen und bedrohen den gesamten Persischen Golf von Süden her. Das el-Sisi-Regime sieht sich alldieweil auf dem Markt nach Verbündeten um und empfing kürzlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin besuchte Ägypten, um den möglichen Bau eines Atomreaktors zu erörtern – was der Startschuss für ein atomares Wettrüsten in der Region sein könnte.
Die Probleme des Nahen Ostens beginnen in den Vereinigten Staaten: das war auch die Meinung einiger Teilnehmer der Al-Jazeera-Fernsehsendung "Aus Washington". Sie beschrieben die amerikanische Politik gegenüber Ägypten als zögerlich, unentschlossen und undemokratisch. Sie behaupteten, dass die US-Administration noch nicht entschieden habe, ob sie el-Sisi unterstützen solle, der den Wandel anführt und den Willen, den radikalen Islam zu bekämpfen (einen Kampf, an dem Amerika früher einmal teilnahm), oder ob sie neutral bleiben und hin- und herschwanken sollten, angesichts der Ägypten unterstellten Instabilität. Es sieht so aus, als würden die Amerikaner mit ihrem Geld auf die extremen Islamisten wetten, von denen sie zu glauben scheinen, dass sie den blutigen Konflikt, der derzeit in Ägypten tobt, am Ende gewinnen werden.
Die Amerikaner haben vergessen, dass das Regime unter Mubarak die Augen verschlossen hat vor den Angriffen, die die Muslimbruderschaft und die von ihr herangezogenen Erfüllungsgehilfen auf Israel verübt haben. Unglücklicherweise ist Ägypten seit der Wahl el-Sisis selbst zum Opfer des radikalen islamistischen Terrorismus geworden. Die US-Administration aber, das wird immer klarer, hasst el-Sisi und gibt ihr Bestes, damit seine Stellung untergraben und er aus dem Amt gejagt wird.
Unter dem gestützten Präsidenten Mursi war Ägypten tolerant und duldsam gegenüber dem besten Freund der US-Administration, der Muslimbruderschaft, ebenso wie gegenüber islamistischen und palästinensischen Terrororganisationen wie der Hamas, Ansar Bayt al-Maqdis, Al-Qaeda und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad, die allesamt auf der Sinai-Halbinsel Lager errichteten. Diese Terrorgruppen schmuggelten Waffen aus dem Iran, dem Sudan, Libyen und dem Libanon; gruben Schmuggel- und Angriffstunnel; entwickelten Raketen und führten Terrorattacken aus – damals "nur" gegen Israel, das der andere offensichtliche Feind der derzeitigen US-Administration ist (obwohl so viele amerikanische Juden so dumm sind, für sie zu stimmen).
Jetzt aber führen dieselben islamistischen und palästinensischen Terrororganisationen einen tödlichen Schlag gegen die Sicherheit Ägyptens aus und töten dessen Zivilisten und Sicherheitskräfte.
Kühl überlegt zettelt die Muslimbruderschaft, die um Amerikas pro-islamistische Politik ihr gegenüber weiß, eine Welle des Terrorismus in Ägypten und der Sinai-Halbinsel an. Kämpfer der Muslimbruderschaft nehmen Zivilisten, öffentliche Verkehrsmittel, Flughäfen und Erdgaspipelines ins Visier, alles, um Ägyptens innere Sicherheit zu unterminieren und das Regime el-Sisis zu Fall zu bringen, zum Nutzen von extremistischen Islamisten und einem Iran an der Schwelle zur Atommacht.
Wie es scheint, hat die US-Administration in der derzeitigen weltpolitischen Lage endlich einen – fadenscheinigen und flüchtigen – Deal mit der Türkei geschlossen, der es der Türkei erlaubt, das Einzige zu tun, was ihr wirklich wichtig ist: das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu Fall zu bringen.
Darüber hinaus versuchen die USA, auch noch einen Deal mit Katar hinzubiegen, das zusammen mit der Türkei offen die Muslimbruderschaft und ihre terroristischen Schergen in Ägypten, Syrien, Gaza, Syrien und dem Irak unterstützt, und allgemein den Interessen des Westens entgegenarbeitet.
Das ironische Ergebnis ist, dass die Türkei nun sowohl die NATO als auch hochrangige Vertreter der Hamas beherbergt. Die Türkei ignoriert absichtlich, wie ISIS im Irak und in Syrien Kurden und andere ethnische Minderheiten abschlachtet, und wird faktisch von der Muslimbruderschaft kontrolliert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP-Partei machen es ausländischen Kämpfern leicht, die türkische Grenze nach Syrien zu überqueren und sich ISIS anzuschließen. Zur Ablenkung führt die türkische Regierung gleichzeitig einen Propagandakrieg gegen Israel. Zudem plant sie laut jüngsten Gerüchten den Bau eines Atomreaktors, "für wissenschaftliche und friedliche Zwecke".
Ein anderes surreales Resultat ist, dass Katar eine Militärbasis der USA beherbergt, während es Terrororganisationen finanziert und dazu ermuntert, Anschläge auf Israel und Ägypten durchzuführen. Katar hofiert Scheich Yusuf al-Qaradawi, jenen spirituellen Führer der Muslimbruderschaft und islamistischen Terroristen, der fatwas ausstellt, die die Todesstrafe für den Abfall vom Glauben und den Mord an Zivilisten billigen.
Und nun die größte amerikanische Verrücktheit aller Zeiten: Amerika und die Türkei bewaffnen und trainieren islamistische Terroristen in der Türkei, mit der Begründung, dass es sich um "Moderate" handle, die sich Bashar Assads Regime in Syrien widersetzten. Entweder wissen sie nicht oder wollen nicht wahrhaben, dass es keine moderaten islamistischen Terroristen gibt.
"ISIS" lautet der andere Name jener "Moderaten", die gegen Bashar Assad kämpfen; Irans oberster Führer Ali Khamenei und Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah behaupten bereits, dass die USA ISIS bewaffneten.
In der Zwischenzeit wird der Kampf der ägyptischen Armee gegen islamistische Terroristen auf der Sinai-Halbinsel und in Libyen von den USA nicht etwa unterstützt, sondern sogar hintertrieben.
Angesichts der Kollaboration der US-Administration mit der Muslimbruderschaft und terroristischen Organisationen im Gazastreifen bin ich davon überzeugt, dass es in naher Zukunft glücken wird, ein gemeinsames ägyptisch-israelisch-palästinensisches Rezept zur Ausrottung der Hamas-PIJ-Enklave des Terrorismus zu finden; diesmal wird sie von Arabern unternommen werden.
Das ist die größte Ironie von allen: dass sich im Schatten des amerikanischen Zick-Zack-Kurses eine gemeinsame arabisch-israelische Front gegen den sunnitischen und schiitischen Radikalismus entwickelt. Die Palästinenser können davon nur profitieren. El-Sisi, der, wo andere ängstlich sind, es wagt, mit herausragendem Blick und Mut offen über den Giftbaum des radikalen Islam und seine Früchte zu sprechen, ist darum ein wahrhaft großer islamischer Held.
Bassam Tawil lebt als Wissenschaftler im Nahen Osten.