Am 27. Mai, die Parlamentswahlen lagen erste wenige Wochen zurück, hielt Queen Elizabeth II. eine Rede vor dem britischen Parlament, in welcher es um eine Reihe wichtiger Gesetzesinitiativen ging, darunter Änderungen des Einwanderungsrechts und des Sozialsystems, ein Referendum über Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Union und vor allem um eine Serie neuer Maßnahmen gegen islamischen Extremismus.
Das von der Regierung angekündigte "Extremismusgesetz" werde "unser Land einen und Sie und Ihre Familien beschützen, indem es sich gegen alle Formen des Extremismus richtet", heißt es. Es werde darüber hinaus "Gruppen und Individuen bekämpfen, die unsere Werte ablehnen und Hassbotschaften fördern." Um das zu erreichen, will die Regierung sich etliche neue Verbotsbefugnisse geben lassen. "Verbotserlasse" würden es dem Innenministerium gestatten, von ihr bezeichnete "extremistische Gruppen" zu verbieten. "Erlasse zum Unterbinden von Extremismus" würden die Aktivitäten Einzelner beschränken, die als "Extremisten" geführt werden. Sie dürften nicht mehr im Fernsehen erscheinen und müssten sich jede Publikation, darunter auch Postings in sozialen Medien, vorab von der Polizei genehmigen lassen. "Schließungserlasse" würden es der Regierung erlauben, Institutionen, darunter auch Moscheen, zu schließen, wenn diese zur Förderung des Extremismus benutzt werden.
Zusätzlich hat die Regierung Pläne angekündigt, "harte Maßnahmen gegen [Fernseh-] Sender zu ergreifen, die extremistische Inhalte senden".
Geänderte Verfahren bei Hintergrundprüfungen würden bedeuten, dass es Unternehmen ermöglicht würde, herauszufinden, ob es sich bei einem Bewerber um einen Extremisten handelt. Wenn ja, würde es diesem verboten, mit Kindern zu arbeiten.
Als flankierende Maßnahme zu den Bemühungen auf dem Gebiet der Extremismusbekämpfung plant die Regierung zudem ein "Schnüffler"-Gesetz, das den Geheimdiensten die Überwachung des Internets und der sozialen Medien gestatten soll. Laut einem Bericht der Tageszeitung The Guardian soll das Gesetz auch "die Befugnisse der Geheimdienste beim Sammeln von Metadaten der Kommunikation stärken".
Drakonisch nennen Kritiker viele dieser neuen Maßnahmen. Die Rechte der britischen Bürger würden "von einem turbogeladenen Schnüfflergesetz bedroht", behauptet der frühere stellvertretende Premierminister Nick Clegg.
Die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung bedrohten die Redefreiheit, sagen andere. Wie die Liberaldemokraten im Wahlkampf behaupteten, haben sie in der Vergangenheit schon "dreimal" solche Vorstöße der Konservativen abgeblockt. Der liberaldemokratische Abgeordnete Tom Brake sagt: "Verbotserlasse werden die bestehenden Bestrebungen untergraben, mit den Gemeinschaften ins Gespräch zu kommen. Außerdem besteht die große Gefahr, dass auch legitime Gruppen kriminalisiert werden, die ein Recht haben, die Stimme gegen die Regierung zu erheben. Sie könnten zu einer Lizenz für die Regierung werden, jegliche Meinung zum Schweigen zu bringen, die ihr nicht gefällt."
Auch konservative Abgeordnete äußern Sorgen. 2014 schrieb der – kürzlich zum Staatssekretär im Justizministerium ernannte – Abgeordnete Dominic Raab:
"Es gibt allen Grund, die Strafverfolgung zu stärken – doch eine Gesetzgebung, die wesentliche Prinzipien der Freiheit aushöhlt, macht uns nicht sicherer. ... Die Öffentlichkeit kann erwarten, dass die Sicherheitsdienste Terroristen im Internet verfolgen, aber die weitreichenden Befugnisse des vorgeschlagenen Erlasses zum Unterbinden von Extremismus könnten auch missbraucht werden. Jeder, der sich an hitzig geführten Debatten beteiligt – etwa Christen, die gegen die Schwulenehe sind – könnte ins Visier geraten. Das gilt auch für Monarchisten oder Kommunisten, die friedlich ihre politischen Ansichten äußern."
Widerstand gegen die Pläne des Innenministeriums, Fernsehprogramme zu zensieren, kommt auch von einem anderen Kabinettsmitglied, Sajid Javid. Wie der Guardian enthüllt hat, sagte Javid dem Premierminister, der Gesetzentwurf markiere einen "fundamentalen Schwenk in der britischen Rundfunkaufsicht, weg vom derzeitigen Rahmen, der darauf ausgelegt ist, der Meinungsfreiheit das gehörige Gewicht zu geben".
Offensichtlich trifft die Regierung mit ihren Vorschlägen auf beiden Seiten des Parlaments auf zahlreiche Widerstände.
Sorgen über Bedrohungen für die Redefreiheit erhalten auch durch die vagen Begriffe Nahrung, die immer wieder fallen. So bezieht sich Innenministerin Theresa May immer wieder auf "britische Werte", die es zu fördern gelte – diese zu schützen, so sagt sie, sei auch das Ziel des Gesetzes. Auch in an die Öffentlichkeit gedrungenen Dokumenten des Innenministeriums ist davon die Rede, Einwanderer müssten sich an "britische Werte" halten. In der Debatte um den sogenannten Trojanisches-Pferd-Skandal um einige englische Schulen, die von islamischen Extremisten infiltriert worden waren, erklärte der damalige Bildungsminister Michael Gove, Schulen müssten "britische Werte" fördern. Und in einer im März gehaltenen Rede sagte Theresa May: "Der Islam ist völlig mit den britischen Werten und unserer nationalen Kultur vereinbar, der islamische Extremismus hingegen nicht."
Aber was sind denn eigentlich "britische Werte"? Und was ist ein "Extremist"?
Es gibt keine offizielle Definition von Extremismus. Seit 2011 behauptet die britische Regierung jedoch – ohne eine gesetzliche Grundlage dafür zu haben –, Extremismus sei eine "verbale oder aktive Opposition gegen fundamentale britische Werte, darunter die Demokratie, den Rechtsstaat, die persönliche Freiheit und gegenseitigen Respekt und gegenseitige Toleranz zwischen verschiedenen Weltanschauungen und Glaubensrichtungen."
Die von der Regierung erhobene Forderung, dass alle "Glaubensrichtungen" "gegenseitigen Respekt" verdienen, hat offensichtliche Mängel. Während es wichtig ist, dass wir in einer freien Gesellschaft Ansichten tolerieren, die uns nicht gefallen, sollten wir nicht gezwungen werden, sie zu "respektieren".
Außerdem gibt es, solange es keine offizielle Definition von "Extremismus" gibt, auch unter den neuen vorgeschlagenen Gesetzen keinen Anhaltspunkt dafür, ab wann etwas ein "Verbrechen" ist. Diese Maßnahmen rufen geradezu danach, missbraucht zu werden. Kein Wunder, dass sie auf Widerstand stoßen.
Eine ähnlich schwammige Rhetorik gab es schon unter dem früheren Premierminister Gordon Brown von der Labourpartei. Er erklärte, dass zur Förderung "britischer Werte" eine Diskussion darüber notwendig sei, "wie wir unsere ethnischen Gemeinschaften besser integrieren" und "wie wir auf muslimischen Fundamentalismus reagieren".
Anrufungen der "Toleranz" und des "gegenseitigen Respekts" klingen vielversprechend, sind aber weitgehend bedeutungslos, insbesondere angesichts der sehr besonderen Bedrohung des islamischen Extremismus. Indem die Regierung vorschlägt, es "Extremisten" zu untersagen, im Fernsehen aufzutreten und deren Schriften zensiert, verlangt sie einerseits, dass wir den Glauben anderer "respektieren", während sie andererseits eben diese Meinungen zensieren möchte.
Zensur ist notorisch kontraproduktiv. Schon in den 1980er Jahren wurden ähnliche Verbote gegen Sender ausgesprochen. Wie der Journalist Padraig Reidy schreibt, führte dies "zu der lächerlichen Situation, dass [der IRA-Führer] Gerry Adams und andere Repräsentanten [der IRA] von Schauspielern synchronisiert wurden, bevor ein Interview ausgestrahlt wurde – so, als könnten nicht ihre Worte, wohl aber ihre Stimmen Sympathien für Terrorismus wecken."
In den Augen vieler Leute sind die Vorschläge der Regierung eine Mischung aus Getöse und Zensur. Bei einer 2011 gehaltenen Rede in München hatte Premierminister David Cameron noch gesagt: "Der Doktrin des staatlichen Multikulturalismus folgend haben wir verschiedene Kulturen darin bestärkt, separate Leben zu führen, voneinander getrennt und vom Mainstream getrennt. ... Wir haben sogar toleriert, dass diese abgeschotteten Gemeinschaften sich auf eine Art benehmen, die unseren Werten völlig zuwider läuft."
Trotz des Eingeständnisses dieses Problems wurde rein gar nichts unternommen, um es zu lösen. Ein Fortschritt wäre es, wenn Großbritannien die Beziehungen zwischen dem Staat und religiösen Gruppen einer Prüfung unterziehen würde. Immer noch erhalten Moscheen und Gruppen, die extremistische Prediger unterstützen, Geld vom Staat. Auch weigert sich die Regierung, islamische Wohltätigkeitsorganisationen zu verbieten, die offen terroristische Organisationen unterstützen. Interpal etwa ist unter US-Recht als Terrororganisation deklariert, genießt aber in Großbritannien die politische Unterstützung der Etablierten. Vertreter der Organisation nehmen öffentlich an Aufmärschen der Hamas im Gazastreifen teil.
Solange die Regierung im Rahmen ihrer Politik des Multikulturalismus weiterhin extremistische Gruppe innerhalb der religiösen Gemeinschaften finanziert und legitimiert, solange werden islamistische Bewegungen zur Abschottung aufrufen und zum Extremismus aufhetzen – sicherlich nicht im Sinne der von der Regierung propagierten "britischen Werte".
"Extremismus" ist ein schwammiger Begriff, der dringend Richtlinien zu seiner Definition benötigt. Und tatsächlich scheint der Staat eher darauf aus zu sein, noch mehr Bürokratie aufzubauen, als die bestehenden Gesetze durchzusetzen.
Die derzeitige Gesetzgebung erlaubt es den Behörden bereits, gegen Prediger vorzugehen, die zur Gewalt aufrufen oder Unterstützung für ausländische terroristische Organisationen bekunden, doch nur selten kommen diese Gesetze zur Anwendung. Trotz des Terrorismus-Gesetzes von 2000, das die Unterstützung verbotener terroristischer Organisationen unter Strafe stellt, sieht man in Londons Straßen häufig Fahnen verbotener Organisationen wie der Hamas und der Hisbollah.
Auch das Gesetz gegen Rassen- und Religionshass und mehrere Gesetze zur öffentlichen Ordnung verbieten den Aufruf zur Gewalt. Trotzdem kann der islamische Prediger Abu Usamah at-Thahabi öffentlich sagen: "Nehmt den homosexuellen Mann ... und werft ihn vom Berg. Wenn ich Homosexuelle als perverse, schmutzige, dreckige Hunde bezeichnen möchte, die ermordet werden sollten, ist das meine Redefreiheit, nicht wahr." Obwohl er Mord befürwortet, ist er nie angeklagt worden.
Würde die Regierung aufhören, religiösen Separatismus zu finanzieren und zu unterstützen, und zudem anfangen, die bestehenden Gesetze zu nutzen, um strafrechtlich gegen Prediger vorzugehen, die zur Gewalt aufrufen und Terrorismus fördern, würde das erheblich dazu beitragen, dass Extremisten nicht mehr straffrei agieren können. Zensur hingegen schadet allen.