Die BBC hat Forderungen britischer Politiker zurückgewiesen, den Begriff "Islamischer Staat" nicht mehr zu benutzen, wenn von der dschihadistischen Gruppe die Rede ist, die dabei ist, im Nahen Osten ein von ihr so genanntes Kalifat zu errichten.
Die vorgeschlagene Alternative "Daesh" sei abwertend und unfair gegenüber dem Islamischen Staat, sagt Lord Hall of Birkenhead, der Generaldirektor der BBC; ihr Gebrauch würde daher Zweifel an der Unparteilichkeit der BBC wecken.
Großbritanniens Premierminister David Cameron gesellte sich kürzlich zum wachsenden Chor britischer Politiker, die argumentieren, der Name "Islamischer Staat" sei beleidigend gegenüber Muslimen und solle darum aus dem englischen Wortschatz verbannt werden.
Am 29. Juni – wenige Tage, nachdem ein Dschihadist mit Verbindungen zum Islamischen Staat in einem Urlaubsort in Tunesien 38 Menschen getötet hatte (darunter 30 Briten) – maßregelte Cameron in einem Interview in der Sendung "Today" von BBC Radio 4 den Moderator John Humphrys, weil dieser den Begriff "Islamischer Staat" benutzt hatte.
Als Humphrys Cameron fragte, ob er den Islamischen Staat für eine existenzielle Bedrohung halte, antwortete Cameron:
"Ich wünschte, die BBC würde aufhören, vom 'Islamischen Staat' zu sprechen, denn es ist kein islamischer Staat. Es ist ein schreckliches, barbarisches Regime. Es ist eine Perversion der Religion des Islam, und, wissen Sie, viele Muslime, die diese Sendung hören, zucken jedes Mal zusammen, wenn sie die Worte 'Islamischer Staat' hören."
Humphrys entgegnete, die Gruppe nenne sich selbst Islamischer Staat (auf Arabisch: al-Dawlah al-Islamiyah); er fügte aber hinzu, dass die BBC dem Namen vielleicht das Wort "sogenannter" voranstellen könne.
Darauf erwiderte Cameron: "'Sogenannter' oder ISIL [die Abkürzung für Islamischer Staat des Irak und der Levante] ist besser." Weiter sagte er:
"Doch er ist eine existenzielle Bedrohung, denn was hier passiert, ist die Perversion einer großen Religion und die Gründung eines giftigen Todeskults, der zu viele junge Leute in Europa, Amerika, dem Nahen Osten und anderswo verführt."
"Und dies, denke ich, ist der Kampf unserer Generation. Wir müssen ihn bekämpfen mit allem, was wir haben."
Einige Stunden später wiederholte Cameron seine Position im Parlament. Diesmal war es ein Abgeordneter der Schottischen Nationalpartei, Angus Robertson, der sich an Cameron wandte und sagte, die englischsprachige Welt solle den arabischen Namen Daesh als korrekten Terminus übernehmen.
Daesh ist die Abkürzung für Islamischer Staat des Irak und Sham (Syrien), das arabische Äquivalent von ISIL. Daesh klingt so ähnlich wie die arabischen Wörter Daes (was bedeutet: "jemand, der etwas mit dem Fuß zerquetscht") und Dahes (was so viel heißt wie "jemand, der Zwietracht sät"). Infolge dieses Wortspiels ist Daesh zu einer abfälligen Bezeichnung des Islamischen Staats geworden, und dessen Führer haben gedroht, jedem "die Zunge abzuschneiden", der das Wort in der Öffentlichkeit benutzt.
Robertson sagt:
"Es ist richtig, dass Sie die langfristigen Herausforderungen hervorheben, die der Extremismus und die Radikalisierung darstellen. Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die richtige Terminologie zu verwenden und nicht den Namen 'Islamischer Staat' zu benutzen. Werden Sie sich etlichen Mitgliedern dieses Parlaments sowie dem amerikanischen und dem französischen Außenminister anschließen, und den angemessenen Begriff verwenden?"
"Stimmen Sie zu, dass es an der Zeit ist, dass die englischsprachige Welt aufhört, vom Islamischen Staat, ISIS oder ISIL zu sprechen, und dass wir und unsere Medien stattdessen Daesh sagen, so wie es überall im Nahen Osten üblich ist?"
Cameron antwortete:
"Ich stimme mit Ihnen überein, was den Gebrauch von 'Islamischer Staat' betrifft. Ich glaube, dass dies insbesondere von vielen Muslimen als beleidigend angesehen wird, die, ebenso wie ich, da keinen Staat sehen, sondern ein barbarisches Regime des Terrorismus und der Unterdrückung, das sich an Mord und der Unterdrückung von Frauen erfreut und Menschen ermordet, weil sie schwul sind. Ich habe diesen Gegenstand heute Morgen gegenüber der BBC angesprochen"
"Ich persönlich finde, dass der Gebrauch des Begriffs 'ISIL' oder 'sogenannter' besser wäre als ihr jetziger Sprachgebrauch. Ich glaube nicht, dass wir sie davon überzeugen können, Daesh zu sagen, darum meine ich, dass ISIL wohl besser ist als Islamischer Staat; denn meiner Ansicht nach ist es weder islamisch noch ein Staat."
Unabhängig davon unterzeichneten 100 Abgeordnete am 25. Juni einen Brief an den Generaldirektor der BBC, in dem sie die Rundfunkanstalt aufforderten, den Begriff Daesh zu benutzen, wenn vom Islamischen Staat die Rede ist. In dem von Rehman Chishti, einem in Pakistan geborenen konservativen Abgeordneten, entworfenen Brief, heißt es:
"Der Gebrauch von Titulierungen wie Islamischer Staat, ISIL und ISIS verleiht einer terroristischen Organisation Legitimität, die nicht islamisch und auch nicht als Staat anerkannt ist, und welche von der großen Mehrheit der Muslime in aller Welt als abscheulich empfunden wird und als Beleidigung ihrer friedlichen Religion."
Alex Salmond, ein Abgeordneter der Schottischen Nationalpartei, schrieb am 29. Juni in einem Zeitungsbeitrag:
"Wir sollten begreifen, dass die Sprache in einem Propagandakrieg von höchster Wichtigkeit ist."
"Jede Beschreibung von Terroristen, die die Vorstellung enthält, dass sie entweder eine Religion oder einen Staat repräsentieren, ist mit Sicherheit falsch und ein Eigentor von massiver Tragweite. Schließlich wollen sie genau so angeredet werden."
"Daesh, manchmal Daiish oder Da'esh geschrieben, ist die Kurzform von Dawlat al Islamiyah fi'al Iraq wa al Sham."
"Viele arabischsprachige Medien nennen die Gruppe so; es wird das Argument vorgebracht, dass dies in angemessener Art abfällig ist, wegen verschiedener ähnlich klingender Wörter, die es im Arabischen gibt."
"Der wichtige Punkt ist jedoch, dass der Gebrauch von Daesh die Terroristen von der Religion trennt, die zu vertreten und von den falschen Träumen eines neuen Kalifats, die zu verfolgen sie behaupten."
"Dies sollte die offizielle Politik der Regierung werden, der sich die Rundfunkanstalten anschließen sollten."
Die BBC, die Muslime regelmäßig als "Asiaten" bezeichnet, um im Einklang mit den politisch korrekten Normen des britischen Multikulturalismus zu stehen, beharrt auf ihrem Standpunkt. Sie sagt:
"Niemand, der unsere Berichte verfolgt, kann irgendeinen Zweifel darüber haben, um was für eine Art von Organisation es sich handelt. Wir bezeichnen die Gruppe mit dem Namen, den sie sich selbst gibt, und reflektieren diese Herangehensweise regelmäßig. Dazu benutzen wir weitere Beschreibungen, die helfen, deutlich zu machen, dass sich die Gruppe selbst so nennt, etwa 'sogenannter Islamischer Staat'".
Der Moderator der BBC-Hörfunksendung "The World This Weekend", Mark Mardell, fügte hinzu:
"Wenn wir anfangen, die Exaktheit der Namen zu erörtern, mit denen Leute ihre Organisationen bezeichnen, wird man glauben, dass wir Werturteile abgeben. Ist China wirklich eine 'Volksrepublik'? Ist Großbritannien nach dem schottischen Referendum nur noch das 'sogenannte Vereinigte Königreich'? Und angesichts des griechischen Debakels kann wohl kaum von einer 'Europäischen Union' die Rede sein."
Londons Bürgermeister Boris Johnson hält beide Betrachtungsmaßstäbe für gültig. In einer am 28. Juni erschienenen Kolumne für die Tageszeitung Telegraph schreibt er:
"Rehmans Argument ist, dass man, wenn man vom Islamischen Staat spricht, dessen Spiel spielt; man adelt dessen verbrecherisches und barbarisches Verhalten; man gibt dessen Propaganda einen Schub, den er nicht verdient, insbesondere nicht in den Augen einiger tüchtiger junger Muslime. Er will, dass wir alle diese Begriffe nicht mehr benutzen, sondern stattdessen Namen wie Daesh oder Faesh; sein Argument verdient größere Beachtung."
"Dann aber sind da auch diejenigen, die noch viel weiter gehen und in der Diskussion über diese Art des Terrorismus gänzlich auf die Wörter 'Muslim' oder 'Islam' verzichten wollen – hier muss ich leider widersprechen ..."
"Warum scheinen wir einer ganzen Religion einen Makel zu geben, indem wir sie mit einer gewalttätigen Minderheit in Verbindung bringen? ..."
"Ich fürchte, es gibt zwei gewichtige Gründe, warum eine solche Verbindung unerlässlich ist. Der erste ist einfach der der Sprache: die Notwendigkeit, Begriffe zu benutzen, die jeder sofort kapieren kann. Es ist sehr schwierig, alle Bezüge zum Islam oder den Muslimen aus der Diskussion auszublenden, weil wir genau sagen müssen, wovon wir eigentlich reden. Es gibt, wie sich zeigt, wohl kaum ein Wort, um einen vom Islam inspirierten Terroristen zu bezeichnen, das nicht in gewisser Weise Vorurteile enthält, zumindest für muslimische Ohren."
"Man kann nicht 'Salafist' sagen, weil es viele gesetzestreue und friedliche Salafisten gibt. Man kann nicht Dschihadist sagen, weil der Dschihad – die Idee des Kampfes – ein zentrales Konzept des Islam ist, das nicht unbedingt etwas mit Gewalt zu tun hat; so kann man etwa einen Dschihad gegen seine eigene moralische Schwäche führen. Das einzige Wort, das offenbar die Unterstützung aller muslimischen Führer findet, ist Kharijite – was Ketzer bedeutet –, ein Wort, das, gelinde gesagt, kein Wort ist, das in der britischen Öffentlichkeit allgemein verbreitet ist."
"Wir können es auch nicht einfach 'Terrorismus' nennen, wie manche vorgeschlagen haben, weil wir es von anderen Arten des Terrorismus unterscheiden müssen – ob es sich um Terroristen für Tierrechte handelt oder die Marxisten des Sendero Luminoso. Wir müssen deutlich sprechen und die Dinge beim Namen nennen. Wir können nicht den Gebrauch von 'Muslim' oder 'islamisch' wegzensieren."
"Damit würden wir zu vielen Leuten einen Persilschein ausstellen. Wenn wir jegliche Verbindung zwischen Terrorismus und Religion leugnen, dann sagen wir, dass es in keiner Moschee irgendein Problem gibt; dass es in den religiösen Schriften nichts gibt, was man verdrehen oder falsch auslegen könnte; dass es keine religiösen Führer gibt, die den Hass auf den Westen schüren, keine Perversion des religiösen Glaubens zum Erreichen politischer Ziele."
Was hat der Führer des Islamischen Staats, Abu Bakr al-Baghdadi, dazu zu sagen? In einer Audiobotschaft von Mai 2015, brachte er es so auf den Punkt:
"Hört, ihr Muslime, der Islam war noch nie auch nur einen Tag lang die Religion des Friedens. Der Islam ist die Religion des Krieges. Euer Prophet (Friede sei mit ihm) wurde mit dem Schwert ausgesandt, als Segen für die Schöpfung. Ihm wurde befohlen, Krieg zu führen, bis Allah allein angebetet wird."
"Er (Friede sei mit ihm) sagte zu den Polytheisten in seinem Volk: 'Ich kam zu euch mit Blutvergießen.' Er hat sowohl Araber als auch Nichtaraber aller Schattierungen bekämpft. Er zog selbst in den Kampf und nahm an Dutzenden von Schlachten teil. Niemals wurde er auch nur für einen Tag des Krieges müde."
"Es gibt also keine Entschuldigung für einen Muslim, der fähig ist, die hijrah [Wanderung] zum Islamischen Staat zu unternehmen, oder dort, wo er ist, eine Waffe zu führen; denn Allah (der Gesegnete und Erhabene) hat ihm hijrah und Dschihad aufgetragen und ihm das Kämpfen zur Pflicht gemacht."
Während westliche Politiker behaupten, der Islamische Staat sei nicht islamisch, glauben Millionen von Muslimen überall auf der Welt, dass er es doch ist – und stützen sich dabei auf das, was in den islamischen Schriften gutgeheißen wird. Während jene politisch korrekte sprachliche Verrenkungen machen, planen diese ihre nächsten von der Religion inspirierten Angriffe auf den Westen. Wie ein altes englisches Sprichwort sagt: Das Schwert ist mächtiger als die Feder.
Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute und Senior Fellow for European Politics der in Madrid ansässigen Grupo de Estudios Estratégicos / Gruppe Strategische Studien. Besuchen Sie ihn auf Facebook und folgen ihm auf Twitter.