Kaum eine Woche vergeht ohne eine Meldung über einen Palästinenser, der im Kampf aufseiten des Islamischen Staats getötet wurde.
Unter den Palästinensern im Westjordanland und dem Gazastreifen sorgen diese Nachrichten für Beunruhigung. Laut einem kürzlich erschienenen Bericht haben sich schätzungsweise hundert Palästinenser dem Islamischen Staat angeschlossen. Nach anderen Quellen ist die Zahl sogar viel höher.
Jenem Bericht zufolge kamen die meisten Palästinenser, die sich dem Islamischen Staat angeschlossen haben, aus dem Gazastreifen. Weitere tausend Palästinenser, so der Bericht weiter, bereiten sich mutmaßlich darauf vor, sich dem Islamischen Staat anzuschließen, haben ihren Traum aber aus unterschiedlichen Gründen noch nicht wahr machen können.
Dass die meisten dieser Palästinenser aus dem seit 2007 von der Hamas kontrollierten Gazastreifen kommen, ist keine Überraschung.
In den letzten zwölf Monaten erschien eine Reihe von Berichten, wonach es dem Islamischen Staat und seinen Unterstützern gelungen ist, den Gazastreifen zu infiltrieren, so dass der IS für die Herrschaft der Hamas über das 1,6 Millionen Einwohner zählende Gebiet inzwischen zu einer ernsthaften Bedrohung geworden ist.
Anfang des Jahres organisierten Unterstützer des Islamischen Staates ihren ersten öffentlichen Auftritt in den Straßen von Gaza-Stadt, bei dem sie zur Bildung einer islamischen Armee aufriefen, um Israel und die "Feinde des Islam" zu vernichten.
Die Dschehia-Familie aus der Stadt Dschenin im Westjordanland wurde Anfang dieser Woche vom Islamischen Staat darüber informiert, dass ihr Sohn Said in der Nähe von Aleppo im Kampf für die Terrorgruppe getötet wurde.
Said habe sich vor sieben Monaten dem Islamischen Staat angeschlossen, wurde der Familie gesagt. Wie Saids Verwandte sagen, habe Said ihnen gesagt, er wolle nach Europa reisen, um dort Arbeit zu suchen. Später hätten sie erfahren, dass er nach Syrien gegangen sei, um für den Islamischen Staat zu kämpfen.
Sogar ein Foto von Saids Leichnam gaben die beiden Fremden, die zum Haus der Familie gekommen waren, Saids Eltern und Brüdern.
Auch mindestens vier Palästinenser aus dem Gazastreifen wurden in den letzten Monaten Berichten zufolge im Kampf für den Islamischen Staat getötet.
Einer von ihnen, der aus der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Rafah stammende Abed al-Elah Kishta, 29, wurde getötet, als er im Osten Libyens für den Islamischen Staat kämpfte. Einige Wochen vor seinem Tod hatte Kishta seine Familie kontaktiert, um sie darüber zu informieren, dass er sich der Gruppe angeschlossen hatte.
Der zweite Palästinenser aus dem Gazastreifen wurde als Musa Hidschasi, 23, identifiziert. Sein Vater Hassan sagt, sein Sohn sei getötet worden, als er für den Islamischen Staat in der irakischen Stadt Falludscha gekämpft habe. Der Islamische Staat betrauerte Hidschasi später als einen seiner Märtyrer und nannte ihn nach seinem Kampfnamen Abu Mu'men al-Maqdisi.
Ein dritter Palästinenser wurde als Wadi Washah, 21, identifiziert, aus dem Flüchtlingslager Dschebalia im Gazastreifen. Seine Familie sagt, sie sei schockiert gewesen, als sie von seinem Tod im Kampf für den Islamischen Staat gehört habe. Ihren Angaben zufolge hatte sich Washah zunächst dem Palästinensischen Islamischen Dschihad angeschlossen, bevor er über einen Schmuggeltunnel an der ägyptischen Grenze aus dem Gazastreifen entkam. Wadi sei auf Anweisung von dem Islamischen Staat nahestehenden salafi-dschihadistischen Führern in Gaza nach Syrien gereist, sagt Wadis Vater. Sein Sohn habe ihm gesagt, dass es ihm in Syrien gelungen sein, Dutzende von Iranern zu töten.
Der vierte Palästinenser wurde als Ahmed Badwan, 26, identifiziert, Kampfname Abu Tarek al-Ghazawi, aus dem Flüchtlingslager Al-Buredschi im Gazastreifen. Aus der Familie nahestehenden Quellen verlautet, Badwan habe den Gazastreifen über einen von der Hamas betriebenen Schmuggeltunnel verlassen und sich zuerst dem Islamischen Staat in Syrien angeschlossen, bevor er zu dem irakischen Zweig der Gruppe weitergezogen sei. Den Quellen zufolge wurde er bei einem Luftangriff der von den USA geführten Koalition auf eine Basis des Islamischen Staats im Irak getötet.
Obgleich die Zahl der Palästinenser, die sich dem Islamischen Staat angeschlossen haben, relativ niedrig bleibt, ist offensichtlich, dass die Terrorgruppe unter den Palästinensern im Westjordanland und dem Gazastreifen extrem beliebt geworden ist. Vier Meinungsumfragen, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurden, zeigen, dass mindestens eine Million Palästinenser den Islamischen Staat unterstützen.
Die Umfragen ergaben, dass 24 Prozent der Palästinenser eine positive Meinung über den Islamischen Staat haben. Bei 1,8 Millionen Palästinensern im Gazastreifen und 2,7 Millionen im Westjordanland bedeutet das, dass über eine Million Palästinenser den Islamischen Staat unterstützen.
Der große Zuspruch, den der Islamische Staat unter den Palästinensern erfährt, sei ein Zeichen des wachsenden Extremismus und gehe mit der Leugnung der Rechte von Christen im Heiligen Land einher, sagt der christliche Aktivist Sam Butrous mit Blick auf diese Umfrageergebnisse. "Offensichtlich haben 20 Prozent der Palästinenser kein Problem damit, ihre christlichen Brüder zu vertreiben und ihre Kirchen zu zerstören oder in Moscheen zu verwandeln", schreibt er. "Genau dies macht der Islamische Staat bereits in den Gebieten, die unter seiner Kontrolle sind."
Christen sind nicht die einzigen, die über den wachsenden Einfluss des Islamischen Staats im Westjordanland und dem Gazastreifen beunruhigt sein sollten. In den letzten Wochen haben Sprecher des Islamischen Staats Drohungen gegen beide ausgestoßen und sie der "Kollaboration" mit der "zionistischen Entität" bezichtigt.
Doch die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas können die Schuld dafür, dass sich immer mehr Palästinenser dem Islamischen Staat anschließen, nur bei sich selbst suchen. Beide Regierungen erlauben antiwestliche Hetze in ihren Moscheen und Medien. Immer wieder rechtfertigen und verherrlichen ihre Führer Selbstmordanschläge von Palästinensern auf Israelis und ermuntern andere, es diesen gleich zu tun. Wenn es diesen Palästinensern dann nicht möglich ist, vom Westjordanland und dem Gazastreifen aus Israel anzugreifen, dann reisen sie nach Syrien und in den Irak, um sich dem Dschihad gegen Israels Verbündete anzuschließen, die USA und andere westliche Länder.
Die palästinensischen Führer können nicht ihrer Verantwortung davor entfliehen, dass sie Dutzende von Palästinensern dazu animiert haben, sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Ihre aggressiven Reden und ihre anhaltende Hetze gegen Israel und den Westen radikalisieren die Palästinenser noch mehr und treiben sie in die Arme des Islamischen Staats.