Das internationale Recht hat eine allumfassende Schwäche. Egal, wie komplex die Sache ist, es fühlt sich praktisch jeder kompetent genug eine maßgebliche Meinung zur Rechtslage zu offerieren. Während zum Beispiel kein vernünftiger Mensch jemals chirurgische Eingriffe im Herz-/Brustkorbbereich erklären oder durchführen würde, ohne zuvor eine gründliche medizinische Ausbildung zu durchlaufen, fühlt sich fast jeder kompetent genug komplexe Bedeutungen des Rechts zu interpretieren.
Dieser Schwäche muss entgegengetreten werden, zumindest grundsätzlich in Einzelfällen. In der andauernden Kontroverse zur palästinensischen Eigenstaatlichkeit gibt es maßgebliche Regeln, die berücksichtigt werden müssen. Zum einen stimmte die UNO-Vollversammlung am 29. Dezember 2012 für eine Aufwertung der palästinensischen Autonomie (PA) zu einem "Nichtmitgliedsstaat mit Beobachterstatus".
Obwohl viele selbsternannte "Experten" weithin glauben, dass mit dieser Anhebung durch die Vereinten Nationen bereits die Rechtspersönlichkeit verliehen wurde, ist diese Ansicht falsch. Zumindest nach dem Recht bleibt "Palästina" - was immer man über "Fairness" denken mag - außerhalb der Gemeinschaft souveräner Staaten.
Ein solcher juristischer Ausschluss "Palästinas" aus selektiven politischen Gründen , ob willkommen oder nicht, ist "über jeden vernünftigen Zweifel hinaus" offensichtlich. Die verbindlichen Kriterien der Eigenstaatlichkeit, die dieser bestimmte Ausschluss zum Ausdruck bringt, bestehen seit langem und sind eindeutig. Gemäß dem maßgeblichen internationalen Recht muss ein echter Staat immer die folgenden charakteristischen Bedingungen erfüllen: (1) eine dauerhafte Bevölkerung, (2) ein definiertes Territorium, (3) eine Regierung und (4) die Fähigkeit Beziehungen zu anderen Staaten aufzunehmen.
Darüber hinaus ist die formelle Existenz eines Staates immer von der Anerkennung durch andere Staaten unabhängig. Entsprechend der Konvention zu den Rechten und Pflichten von Staaten aus dem Jahr 1934 (die Montevideo-Konvention) gilt:
"Noch vor der Anerkennung hat der Staat das Recht seine Unversehrtheit und Unabhängigkeit zu verteidigen, um für seine Bewahrung und seinen Wohlstand Vorsorge zu treffen und sich infolgeedessen zu organisieren, wie er es für richtig hält..."
Daraus ergibt sich, dass selbst ein Palästinenserstaat, der die Erwartungen von Montevideo nicht erfüllt, sich schlicht erklären und dann entsprechend handelt könnte, "um seine Unversehrtheit und Unabhängigkeit zu verteidigen..."
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass in der Folge zu einer solchen "Verteidigung" nicht enden wollender Krieg und Terror gegen "besetztes Palästina" gehören würde, das man auch als Israel kennt. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) wurde 1964 gebildet, drei Jahre bevor es angeblich irgendwelche "israelisch besetzten Gebiete" gab. Was genau sollte die PLO dann versuchen zu befreien?
Wann immer die PA sich endlich entschließt, dass es an der Zeit ist offen die Eigenstaatlichkeit zu erklären, sind bestimmte eindeutige Montevideo-Standards und begleitende Kriterien der Eigenstaatlichkeit zu erfüllen.
Die Regierung Israels, die eine solche feindliche PA-Erklärung anzufechten versuchen wird, wird dann korrekterweise vielfältige Verstöße gegen die Oslo-Vereinbarungen anführen. Die PA wird dagegen argumentieren, dass ihre besonderen Rechte einen unabhängigen Staat Palästina auszurufen trotzdem fundamental oder "unabweisbar" sind. Die PA wird sicherlich als Fußnote hinzufügen, dass ihr Recht auf Eigenstaatlichkeit entsprechend "jus cogens" ("gewisse fundamentale Rechte, die Prinzipien des internationalen Rechts aufheben, von denen es keine Ausnahme gibt") schlicht alle vorher bestehenden Erwartungen an einem gerechten Frieden mit Israel aufhebt.
Der israelische Premierminister Yitzhak Rabin, US-Präsident Bill Clinton und der PLO-Vorsitzende Yassir Arafat bei der Zeremonie zur Unterzeichnung der Oslo-Vereinbarungen am 13.September 1993. (Bildquelle: Vince Musi / The White House) |
Zweifelsohne wird die PO unter anderem anführen zweierlei anführen: (1) dass die Oslo-Vereinbarungen (nach der Definition von "Vertrag" entsprechend der Wiener Konvention zum Vertragsrecht von 1969) schlicht keine Vertragsqualität haben und (2) diejenigen grundlegenden und vermeintlich unabänderlichen Menschenrechte, die gemäß dem internationalen Recht "Selbstbestimmung" und "nationale Befreiung" betreffen.
Heute scheint Premierminister Netanyahu anerkannt zu haben, dass irgendwann Palästina gegründet werden wird, aber unter anderem nur unter der scheinbar klugen Bedingung vorheriger palästinensischer "Entmilitarisierung".
Diese mögliche Bedingung mag erst einmal beruhigend klingen, aber effektiv verkörpert sie wenig mehr als eine künstliche und letztlich machtlose rechtliche Erwartung. Zum einen steht kein neuer Staat in der Pflicht "entmilitarisiert" zu bleiben, was immer sonst er während seiner besonderen vorstaatlichen Entstehungsgeschichte zugestanden haben mag. Zum anderen gibt es keinen erkennbaren Grund zu glauben, dass "Palästina" jemals irgendeines seiner Versprechen an Israel aus der Zeit vor der Unabhängigkeit in Sachen Unterstützung der gleichen Grundrechte des jüdischen Staats auf "Frieden und Sicherheit" einlösen wird.
Für "Palästina" würde nach der formellen Eigenstaatlichkeit der Kampf gegen Israel weiter als konzeptionelles Nullsummenspiel erhalten bleiben, soll heißen: Es geht mit der zerstörerischen Annahme weiter, dass jeglicher Gewinn für Israel einen entsprechenden Verlust für Palästina darstellt. Es könnte behaupten sich gegen jeden, einschließlich Terrororganisationen, zu verteidigen und sich im Rahmen seiner Rechte zu bewegen.[1]
Gemäß der Montevideo-Konvention sind alle Staaten rechtlich gleichgestellt, genießen dieselben Rechte und haben gleiche Befugnis zu ihrer Ausübung. In dem Moment, in dem die PA einen Staat Palästina ausrufen sollte, könnte das Land juristisch Israel effektiv gleichgestellt werden. Um seine unverzichtbaren nationalen Interessen unter solchen Umständen zu behaupten, sollte Israel darauf bestehen, dass die Grenzen Palästinas niemals an die Linien von vor 1967 angelehnt werden.
Eine perfekte Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen einer solchen Forderung bieten die Worte des israelischen Rechtsexperten, des Botschafters Alan Baker, vom 10. Februar 2013:
"Die Rechtmäßigkeit der Präsenz israelischer Gemeinden in den Gebieten (Judäa und Samaria) entstammt den historischen, uransässigen und juristischen Rechten des jüdischen Volks sich in diesem Bereich niederzulassen, was durch entsprechend gültige und bindende internationale Rechtsinstrumente gewährt wurde, die von der internationalen Gemeinschaft anerkannt und akzeptiert wurden. Diese Rechte können nicht verweigert oder in Frage gestellt werden."
Entsprechend sollte Israel klar bekräftigen, dass israelische "Siedlungsaktivitäten" in Wirklichkeit in vollem Einklang mit bindendem internationalen Recht stehen. Jede gegenteilige Beteuerung eines immer noch nicht bestehenden "Palästina" würde auf fadenscheinigen Fehldarstellungen dieses ausschlaggebenden Rechts gründen.
[1] Im Verlauf der Jahre haben eine Reihe von Prozessen vor Bundesgerichten in den Vereinigten Staaten die Vorstellung zurückgewiesen, dass die PLO als "Vorläufer" der PA in irgendeiner Weise als legitimer Kern eines unabhängigen Palästinenserstaats anerkennbar ist. Früher sind vielleicht fähige israelische Anwälte und politische Entscheidungsträger in der Lage gewesen bei solchen amerikanischen Prozessen Unterstützung für eine Auseinandersetzung gegen palästinensische Eigenstaatlichkeit zu erhalten. Aber heute, nach Oslo und nach so vielen Jahren schrittweiser israelischer Anerkennung der Legitimität der PLO/PA-Behörde, muss Israel seinen gut fundierten Widerstand zu "Palästina" auf andere Grundlagen stellen.