Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas steht erneut vor einer Revolte – diesmal durch die junge Garde seiner regierenden Fatah-Fraktion.
Selbst eine Autokratie hat ihre Grenzen und nachdem sie viele Jahre lang geknebelt war, erhebt nunmehr die junge Garde der Fatah ihre Stimme.
Der erneute Machtkampf zwischen der jungen und der alten Garde ist vermutlich ein positives Zeichen. Er scheint ein Signal für den Wunsch der Palästinenser zu sein, neue Gesichter an der Spitze der Macht zu sehen. Allerdings bedeutet der Wunsch dieser Fraktionsmitglieder, eine "Wachablösung im palästinensischen Palast" zu sehen, nicht automatisch, dass sie auch ihre Haltung gegenüber Israel geändert haben.
Diese junge Garde ist in der Tat weder daran interessiert, noch dazu autorisiert, das "Recht auf Rückkehr" für palästinensische Flüchtlinge aufzugeben, oder gar den grundlegenden Schritt der Anerkennung Israels als jüdischer Staat zu gehen.
Kurz gesagt, es mögen neue Akteure sein, aber die Show wird so weitergehen wie bisher.
Und dennoch ist Veränderung manchmal gut. Neues Blut in das alte und korrupte politische System, das als Palästinensische Autonomiebehörde bekannt ist, hineinzubringen, könnte ein guter Anfang sein.
Wer also steckt hinter diesem Schachzug, neuen Wind in die palästinensische Führung zu bringen, und was ist das Ziel dieser Bemühungen? Wird diese Anstrengung Auswirkungen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt haben?
Die jüngste Kampagne wurde von hochrangigen Vertretern aus den Reihen des Fatah-Revolutionsrats – einem der beiden wichtigen Entscheidungsorgane der Fraktion geführt (das andere ist das Zentralkomitee der Fatah). Der Revolutionsrat, das Legislativorgan der Fatah, hat über 80 Mitglieder, von denen die meisten als Repräsentanten der jungen Garde der Fraktion gelten.
Vergangene Woche unterzeichnete die Hälfte der Mitglieder des Revolutionsrats der Fatah eine Petition, die zu einer "Berichtigungs-Revolution" innerhalb ihrer Fraktion aufrief. Für manche Palästinenser markiert die Petition den Beginn einer "Revolution in der Revolution". Die Petition, die zu umfassenden Reformen innerhalb der Fatah aufruft, ist in erster Linie gegen Abbas und seine Kollegen der alten Garde in der palästinensischen Führung gerichtet.
Die Petition wurde von mehreren Vertretern der Fatah unterzeichnet, die bis vor kurzem noch als loyale Anhänger Abbas' betrachtet wurden. Somit wurde Abbas nun auch von jenen herausgefordert, die bis dato als seine zuverlässigen Unterstützer in der Fatah galten. Diese Herausforderung kommt nun zu der vorherigen hinzu, bei der sich mehrere andere Fatah-Vertreter öffentlich gegen die autokratische Herrschaft von Abbas ausgesprochen hatten.
Die von den Fatah-"Rebellen" unterzeichnete Petition fordert längst überfällige Wahlen für die Fraktion und wirft Abbas vor, junge Anführer auszugrenzen und seine Macht nicht teilen zu wollen. Spaltung und interne Streitigkeiten innerhalb der Fraktion haben die Fähigkeit der Fatah, Neuwahlen durchzuführen oder Reformen zuzustimmen, faktisch lahmgelegt. Dies ist ein weiterer Grund, warum die Fatah von der Idee zu Neuwahlen nicht begeistert ist. In Anbetracht der derzeitigen Umstände sind die Chancen, dass die Hamas gewinnt, nach wie vor extrem hoch.
Darüber hinaus hat das interne Chaos der Fatah zu einer massiven Spaltung geführt. Zu keiner Zeit ihres fünfzigjährigen Bestehens war die Fatah derart entzweit. Einige der Spitzenmitglieder sind bereits zur Hamas und dem Islamischen Dschihad übergelaufen. Manche verlassen die Fatah, weil sie nicht mehr daran glauben, dass sie fähig ist, Reformen durchzuführen und sich von den Ikonen der Korruption in der Fraktion zu verabschieden. Andere sind zur Hamas und dem Islamischen Dschihad übergelaufen, da sie den bewaffneten Kampf gegen Israel unterstützen und nicht zu Kompromissen bereit sind.
Der Kampf innerhalb der Fatah hat die Grenzen in der Fraktion überschritten und sogar die der übrigen Palästinenser. Dieser Konflikt sollte die Aufmerksamkeit aller Beteiligten erhalten und sie sollten sich dafür einsetzen, eine friedliche Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt zu erreichen. Schliesslich ist die Fatah die palästinensische Partei, die als Israels "Friedenspartner" angesehen wird. Ausserdem ist sie die Fraktion, die für sich beansprucht, sie wolle die Palästinenser zur Eigenstaatlichkeit führen. Die internationale Gemeinschaft tätigt ihre Geschäfte mit der Fatah. Was innerhalb der Fatah geschieht, sollte daher von grossem internationalen Interesse sein.
Angesichts der in der Fatah stattfindenden "Revolution in der Revolution" sollten sämtliche Alarmglocken in der internationalen Gemeinschaft läuten. Die derzeitige extreme Schwäche der Fatah lässt ernsthafte Zweifel an ihrer Fähigkeit aufkommen, Frieden mit Israel zu schliessen und die Gründung eines palästinensischen Staates zu beaufsichtigen. Man braucht nur ein Jahrzehnt zurückzuschauen und wird daran erinnert, dass erst 2006 die Bestechlichkeit der Fatah dazu führte, dass sie die palästinensischen Parlamentswahlen im Westjordanland verlor und dies auch den Zerfall der Fatah und ihre gewaltsame Vertreibung aus dem Gazastreifen zur Folge hatte. Der grosse Gewinner bei dem Ganzen ist die Hamas.
Die internationale Gemeinschaft ist jedoch emsig damit beschäftigt, ihren Kopf im Sand von Abbas' extrem unordentlichem Hinterhof zu vergraben. Die Teilnehmer der letzte Woche in Paris stattgefundenen Nahost-Friedenskonferenz haben möglicherweise die jüngste Revolte gegen den Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde verpasst. Wären sie aufmerksam gewesen, anstatt nach einer Zwei-Staaten-Lösung zu rufen, hätten sie vielleicht gefordert, Abbas und seine Fatah-Fraktion sollten sich zusammenraufen und Israel in ihre Show miteinbeziehen. Möglicherweise hätten sie ausserdem erwähnt, dass dies tunlichst geschehen sollte, bevor die Hamas das Westjordanland übernimmt und dort ein weiteres islamisches Regime errichtet.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.