Leser, die den jüngsten Mühen der Labour Party des Vereinten Königreichs gefolgt sind, werden überrascht sein die Ergebnisse der letzten Untersuchung der Partei zu ihrem eigenen Verhalten zu hören. Nach einer Menge antisemitischer Kommentare durch einigen Parlamentsabgeordnete, eine Reihe von Stadtratsmitgliedern und einem Mitglied des Parteivorstands ordnete Parteichef Jeremy Corbyn schließlich eine Untersuchung zum Antisemitismus in der Partei an. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind nun veröffentlicht worden und erstaunlicherweise hat die Labour Party festgestellt, dass sie schuldlos ist. Doch selbst das lief nicht ohne Zwischenfälle ab.
Zu Beginn dieses Jahres begann das Antisemitismusproblem der Labour Party entlarvt zu werden, als von routinemäßigem Antisemitismus berichtet wurde, der aus einem Junior-Flügel der Partei kam - besonders dem Oxford University Labour Club. Dieser Skandal beinhaltete eine Reihe Rücktritte und Enthüllungen von antisemitischem Sprachgebrauch, der bei Labour-Studenten an Britanniens prestigeträchtigster Universität Routine und alltäglich ist. Eine Ermittlung dieser Vorfälle, angeordnet von Labours Baroness Royall, stellte prompt "keine Beweise" für "institutionellen Antisemitismus" fest.
Dann kam der Skandal um Naz Shah (MP), die von der Partei suspendiert wurde, solange die Ermittlungen zu Aussagen in den sozialen Medien liefen, sowie die Suspendierung einer Reihe von Labour-Stadtverordneten, weil sie auf Facebook und anderen Seiten antisemitische Inhalte gepostet hatten.
In das schwelende Feuer wurde von Ken Livingstone, Mitglied des National Executive Committee (Parteivorstand), noch Öl gegossen. Der ehemalige Bürgermeister von London nutzte die Gelegenheit eines Antisemitismusaufruhrs, um zur BBC zu gehen und darüber zu reden, von welcher frühen Politik Adolf Hitlers er glaubt, dass die Juden ihr zugestimmt hatten. Der daraus entstandene Feuersturm gipfelte darin, dass Herr Livingstone sich bei er BBC in eine unbrauchbare Toilette einschloss, während Journalisten Fragen zu Hitler unter der Tür hindurch riefen. Da er fühlte, dass seine Partei sich PR-mäßig in stürmischen Gewässern befand, ordnete Jeremy Corbyn eine Untersuchung des Antisemitismusproblems der Labour Party an und forderte die linke Aktivistin Shami Chakrabarti an diese Untersuchung zu leiten. Chakrabarti trat prompt in die Labour Party ein und begann zu arbeiten.
Am Dienstag letzter Woche legte Chakrabati ihre Ergebnisse vor. Auf einer in London von der Labour Party organisierten Veranstaltung verkündete sie, dass die Labour Party tatsächlich nicht von Antisemitismus "oder anderen Formen des Rassismus" überrannt wurde, sondern kam zu dem Schluss, dass es eine "gelegentlich giftige Atmosphäre" gab. Sie fügte auch hinzu, dass es "viel zu klare Beweise ignoranter Haltungen" gab.
Parteichef Jeremy Corbyn (links) tritt auf einer Pressekonferenz mit der linken Aktivistin Shami Chakrabarti (rechts) auf, um die Ergebnisse einer Untersuchung des Antisemitismus der Labour Party vorzulegen. (30. Juni 2016) |
Der Mann, den zu verteidigen sie half, Jeremy Corbyn, trat dann auf die Bühne und forderte ein Ende der Hitler- und Nazi-Metaphern sowie ein Ende der Vergleiche unterschiedlicher Menschenrechtsgräuel. Er fuhr fort: "Rassismus ist Rassismus ist Rassismus. Es gibt keine Hierarchie, keine akzeptable Form davon." Unter der Leitung eines jeden anderen hätte dies das Ende des Themas sein können, aber es handelt sich um die moderne Labour Party von Jeremy Corbyn und in der modernen Labour Party von Jeremy Corbyn verpasst man einfach keine Gelegenheit für eine PR-Katastrophe. Und so kam es, dass es bei Beginn einer Untersuchung von Antisemitismus eine Reihe antisemitischer Vorfälle gab.
Zuerst gab es die Worte des Parteichefs selbst. In seinem Bemerkungen, mit denen er versuchte Antisemitismus in der Labour Party einzudämmen, sagte Jeremy Corbyn:
"Unsere jüdischen Freunde sind nicht mehr für das Handeln Israels oder der Regierung Netanyahu verantwortlich als unsere muslimischen Freunde für die verschiedenen selbsternannten islamischen Staaten oder Organisationen."
Diese nicht allzu subtile Verlinkung von Israel und ISIS wurde prompt von Kommentatoren und religiösen Leitern aufgegriffen. Oberrabbiner Ephraim Mirvis verurteilte die Kommentare als "beleidigend" und erklärte, statt das Vertrauen zur britischen jüdischen Gemeinde wieder herzustellen hätte Corbyn sogar noch "größere Besorgnis" verursacht.
Der ehemalige Oberrabbiner Jonathan Sacks nannte Corbyns Kommentare "Dämonisierung höchster Ordnung, einen Skandal und inakzeptabel". Er fuhr damit fort, die Kommentare zeigten "wie tief die Krankheit in Teilen der Linken der heutigen britischen Politik sitzt".
Derweil fand sich im Publikum bei der Veranstaltung eine britische Labour-Abgeordnete - die jüdische Ruth Smeeth - sich als Opfer antisemitischer Beleidigungen durch einen von Jeremy Corbyns Linksaußen-Basismitgliedern wieder. Dieses Parteimitglied bestand darauf, dass Frau Smeeth insgeheim mit "rechtsgerichteten Medien" arbeite - eine antisemitische Redewendung genau der Art, die Chakrabartis Bericht sich hatte ansehen sollen. Corbyn verfehlte es einzugreifen und so verließ die jüdische Abgeordnete die Veranstaltung.
Smeeth schloss sich danach der Mehrheit der Labour-MPs an, die bereits - aus einer großen Vielzahl von Gründen - Corbyn zum Rücktritt aufforderte. Durch sein Nichteingreifen bei einem antisemitischen Vorfall, der sich direkt vor seiner Nase abspielte, hatte Corbyn, so sagte sie in einer Erklärung, ein "katastrophales Führungsversagen" gezeigt; sie fügte hinzu:
"Es ist unglaubwürdig, wenn jemand zur Veröffentlichung eines Berichts zu Antisemitismus in der Labour Party kommt und sich derart ekelhafte Verschwörungstheorien gegen Juden zu eigen macht, die ironischerweise in Frau Chakrabartis Bericht als solche hervorgehoben wurden, während der Parteichef meiner eigenen Partei daneben stand und absolut nichts unternahm."
Doch bitteschön: Es ist 2016 und in linker britischer Politik kann man sich nicht einmal von Vorwürfen des Antisemitismus entlasten, ohne einen Ausbruch davon genau dort und zu diesem Zeitpunkt zu haben. Es gibt Leute, die haben diese Tatsache schon längst zur Kenntnis genommen. Es gibt auch solche, die diese Tatsache lange bitter bereuen. Aber nur die aktuelle Führung der Labour Party kann annehmen, dass sie damit davon kommt dieser Tatsache aus dem Weg zu gehen.
Douglas Murray ist ein Analyst für Tagespolitik und Leitartikler und lebt in London.