Kürzlich sind zwei wichtige Studien über französische Muslime in Frankreich veröffentlicht worden. Die erste, optimistisch betitelt mit "Ein französischer Islam ist möglich", wurde unter der Schirmherrschaft des Institut Montaigne veröffentlicht, einem unabhängigen französischen Think Tank.
Die zweite Studie mit dem Titel "Arbeit, die Gesellschaft und die religiöse Frage" ist die vierte jährliche gemeinsame Studie des Randstad Institute (einem Personalvermittlungsunternehmen), zusammen mit der Beobachtungsstelle für religiöse Erfahrung bei der Arbeit (Observatoire du fait religieux en entreprise, Ofre), einem Forschungsunternehmen.
Über beide Studien, die ein großes Wissensdefizit über religiöse und ethnische Demographie füllen, wurde in den Medien ausführlich berichtet. Frankreich ist ein Land, das gut ausgestattet ist mit Demographen, Wissenschaftlern, Professoren und Forschungsinstituten, aber alle offiziellen Daten oder Statistiken über Rasse, Herkunft oder Religion sind gesetzlich verboten.
Frankreich hat 66,6 Mio. Einwohner, laut einem Bericht vom 1. Januar 2016 des Nationalen Instituts für Statistik (Insee). Doch Volkszählungsfragebögen verbieten jede mögliche Frage über Rasse, Herkunft oder Religion. Deshalb ist es in Frankreich unmöglich zu wissen, wie viele Muslime, Schwarze, weiße Menschen, Katholiken, Araber, Juden usw. im Land leben.
Dieses Verbot basiert auf einem alten und ehemals gesunden Prinzip, jede Diskriminierung im Land zu vermeiden, wo "Assimilation" die Regel ist. Assimilierung im französischen Stil bedeutet, dass jeder Ausländer, der im Land leben will, den Verhaltenskodex der lokalen Bevölkerung zu kopieren hat und rasch eine Einheimische heiraten sollte. Dieses Assimilationsmodell funktionierte perfekt für Menschen spanischer, portugiesischer oder polnischer Abstammung. Aber mit Arabern und Muslimen endet das.
Nun aber ist trotz aller guten Absichten die Regel, die das Sammeln von Daten verbietet, die zu einer Diskriminierung führen könnten, zu einem nationalen Sicherheitsproblem geworden.
Wenn eine Gruppe von Menschen, die unverblümt auf der Grundlage ihrer Religion oder ethnischen Zugehörigkeit handeln, heftig die Grundlagen der Gesellschaft, in der sie leben, zu bekämpfen beginnen, dann wird es notwendig - in der Tat dringend - zu wissen, welcher Religionen und Ethnien diese angehören und wie viele Menschen diese vertreten.
Die beiden in Frage stehenden Studien basieren daher nicht auf Volkszählungsdaten, sondern auf Umfragen. Die Studie des Instituts Montaigne zum Beispiel schreibt, dass die Muslime 5,6% der Metropolitanbevölkerung von Frankreich darstellen, oder genau drei Millionen. Allerdings schrieb Michèle Tribalat, ein Demograph spezialisiert auf Einwanderungsprobleme, dass die Fünf-Millionen-Marke ungefähr 2014 überschritten wurde. Das Pew Research Center schätzte die muslimische Bevölkerung in Frankreich Mitte 2010 auf 4,7 Millionen. Andere Wissenschaftler, wie Azouz Begag, ehemaliger Minister für Gleichstellung (er verliess die Regierung im Jahr 2007), schätzt die Zahl der Muslime in Frankreich eher auf 15 Millionen.
Studie des Institut Montaigne: Die Sezession der französischen Muslime
Die Studie wurde vom Institut Montaigne am 18. September veröffentlicht und basiert auf einer Umfrage, die Ifop (Französisches Meinungsforschungsinstitut) durchführte, für die 1029 Muslime befragt wurden. Der Autor der Studie ist Hakim el Karoui, ein ehemaliger Berater des damaligen Premierministers Jean-Pierre Raffarin (2002-2005).
Drei wichtigste muslimische Profile wurden herausgearbeitet:
Zuerst waren die so genannten "säkularen" (46%). Diese Leute sagten, sie seien "völlig säkular, auch wenn die Religion einen wichtigen Platz in ihrem Leben einnimmt." Obwohl sie säkular zu sein behaupten, gehören viele von ihnen auch zu der Gruppe, die gerne alle muslimischen Frauen einen Hijab tragen sehen möchten (58% der Männer und 70% der Frauen). Sie überschneiden sich auch (60%) mit der Gruppe, die einen Hijab in der Schule zu tragen unterstützen, obwohl der Hijab seit 2004 in Schulen verboten ist. Viele dieser "Säkularen" gehören ebenfalls zu den 70% der Muslime, die "immer" Halal-Fleisch kaufen (nur 6% kaufen das nie). Laut der Studie werden einen Hijab zu tragen und nur-Halal-Fleisch zu essen für Muslime selbst als bedeutende "Marker" der muslimischen Identität betrachtet.
Eine zweite Gruppe von Muslimen, die "Islamic Pride Gruppe", repräsentiert ein Viertel (25%) der rund tausend befragten Menschen. Sie definiert sich in erster Linie als Muslime und verlangen ihr Recht, ihren Glauben (in erster Linie reduziert auf Hijab und Halal) in der Öffentlichkeit auszuüben. Sie lehnen jedoch den Niqab und Polygamie ab. Sie sagen, sie respektieren Säkularismus und die Gesetze der Republik, aber die meisten von ihnen sagen, dass sie das Hijab-Verbot in der Schule nicht akzeptieren.
Die letzte Gruppe, definiert als die "Ultras", repräsentieren 28% der Befragten, und das autoritärste Profil. Sie sagen, dass sie es vorziehen, ohne republikanische Werte zu leben. Für sie kommen islamische Werte und das islamische Recht, die Scharia, zuerst, vor dem allgemeinen Recht der Republik. Sie billigen die Polygamie und den Niqab oder die Burka.
"Diese 28% halten sich an den Islam in seiner rückschrittlichsten Form, die für sie eine Art von Identität geworden ist. Der Islam ist die tragende Säule ihrer Revolte; und diese Revolte verkörpert sich in einem Islam von Brüchen, Verschwörungstheorien und Antisemitismus", sagte Hamid el Karoui in einem Interview mit dem Journal du Dimanche.
Noch wichtiger ist, dass diese 28% überwiegend unter den Jungen existieren (50% sind unter 25 Jahre). Mit anderen Worten, einer von zwei jungen französischen Muslimen ist ein Salafist der radikalsten Art, auch wenn er nicht einer Moschee angehört.
Die Frage ist: Wie viele werden sie in fünf Jahren, zehn Jahren, 20 Jahren sein? Es ist wichtig, zu fragen, weil Umfragen immer eine Momentaufnahme darstellen, ein Standbild einer Situation. Wenn wir wissen, dass die Einschränkungen in Sachen Schleier und Halal-Nahrung von "großen Brüdern" der ganzen Familie auferlegt werden, müssen wir verstehen, dass ein Prozess stattfindet, eine Sezessionsprozess, aufgrund der Re-Islamisierung der gesamten muslimischen Gemeinschaft durch die Jungen.
Der Journalist und Autor Elisabeth Schemla schrieb in Le Figaro:
Um zu verstehen, was Re-Islamisierung bedeutet, müssen wir eine Definition des Islamismus geben. Die genaueste ist die Definition von einem seiner sehr glühenden Befürworter, Staatsrat Thierry Tuot, einer der drei Richter, die diesen Sommer entschieden, den Burkini am Strand (...) nicht zu verbieten. Islamismus, schreibt er, ist der "öffentliche Anspruch eines sozialen Verhaltens, das als göttliche Forderung präsentiert wird, und das in die Öffentlichkeit und Politik durch bricht." Im Lichte dieser Definition zeigt der Bericht von Al Karoui, dass der Islamismus sich unabänderlich ausbreitet.
Islam bei der Arbeit; Islamismus in Bewegung
Diese tickende Zeitbombe arbeitet lautlos ...bei der Arbeit.
Eine Umfrage, die zwischen April und Juni 2016 vom Randstad-Institut zusammen mit dem Observatorium der religiösen Erfahrung bei der Arbeit (Ofre) durchgeführt wurde, bei der 1405 Manager in verschiedenen Unternehmen befragt wurden, ergab, dass zwei von drei Managern (65%) berichteten, dass "religiöses Verhalten" eine regelmäßige Erscheinung am Arbeitsplatz ist - eine Steigerung gegenüber 50% im Jahr 2015.
Professor Lionel Honoré, Direktor von OFRE und Autor der Studie, erkennt leise, dass "in 95% der Fälle" das "religiöse Verhalten bei der Arbeit mit Muslimen zu tun hat."
Um die Bedeutung dieses "sichtbaren Islam" in französischen Fabriken und Büros heute zu verstehen, müssen wir wissen, dass traditionell der Arbeitsplatz als neutraler Raum betrachtet wurde. Das Gesetz verbietet zwar nicht jegliche Art von religiösem oder politischem Ausdruck bei der Arbeit, sondern die Tradition war so, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Ansicht waren, dass von allen Zurückhaltung gezeigt werden müsse in der Ausübung ihrer Glaubensfreiheit.
Die Randstad Studie von 2016 zeigt, dass diese alte Tradition vorbei ist. Religiöse Symbole wuchern am Arbeitsplatz, und 95% dieser sichtbaren Symbole sind islamisch. Offenkundige Ausdrücke und Symbole des Christentums oder Judentums gibt es bei der Arbeit auch, natürlich, aber sie sind minimal im Vergleich zum Islam.
Die Umfrage berücksichtigte zwei Arten des Ausdrucks religiösen Glaubens:
Persönliche Praktiken, wie das Recht, an religiösen Feiertagen zu fehlen, flexible Arbeitszeiten, das Recht, in den Arbeitspausen zu beten, und das Recht, Symbole des religiösen Glaubens zu tragen.
Störungen bei der Arbeit oder Regelverletzungen, wie die Weigerung der Männer, mit einer Frau zu arbeiten oder Befehle von einem weiblichen Manager entgegenzunehmen, die Weigerung, mit Menschen zu arbeiten, die nicht Glaubensgenossen sind, Ablehnung spezifischer Aufgaben und Missionierung während der Arbeitszeit.
"Im Jahr 2016", so die Studie, "ist das Tragen religiöser Symbole [Hijab] der Top-Ausdruck des religiösen Glaubens (21% der Fälle, im Vergleich zu 17% im Jahr 2015 und 10% im Jahr 2014) geworden. Abwesenheitsanträge wegen religiöser Feiertage bleiben stabil (18%), rangieren aber jetzt auf dem zweiten Platz."
Unter "Störungen bei der Arbeit" notiert diese politisch korrekte Studie, dass Konflikte aus religiösen Gründen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nur gering sind: ein "Minderheitsereignis" und "nur" 9% der religiösen Störungen im Jahr 2016. Doch die Zahlen für Konflikte sind dennoch um 50% gestiegen, von 6% im Jahr 2015. Konflikte haben sich auch seit 2014 (3%) verdreifacht und seit 2013 (2%) fast verfünffacht.
Eric Manca, ein Rechtsanwalt der Kanzlei August & Debouzy, die auf Arbeitsrecht spezialisiert ist und der auf der Pressekonferenz unterstützte, sagte, dass, wenn ein Konflikt auf religiöser Basis zur Rechtsstreitigkeit wird, dann ist es "immer ein Problem mit dem Islam. Christen und Juden wenden sich nie vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber aufgrund der Religion." Wenn Islamisten ihren Arbeitgeber verklagen, zeigt die Rechtsprechung, dass der Vorwurf immer auf "Rassismus" und "Diskriminierung" basiert - Vorwürfe, die Arbeitgeber nur bedauern lassen, dass sie den Kläger überhaupt erst eingestellt haben.
Aufgelistete Konfliktquellen sind Missionierung (6%), sich weigern, Aufgaben auszuführen (6%) - zum Beispiel dass ein Austräger sich weigert, Alkohol an einen Kunden zu liefern; Weigerung, mit einer Frau oder unter der Leitung einer Frau (5%) zu arbeiten, und die Forderung, ausschliesslich mit Muslimen (1%) zu arbeiten. Diese Fälle sind in Branchen konzentriert "wie Automobil-Zulieferer, Bau, Abfallverarbeitung, Supermärkte ... und sind in peri-urbanen Regionen lokalisiert."
Schlussfolgerungen
Das französische Modell der Assimilation ist vorbei. Wie bereits erwähnt, hat es für alle außer französische Muslime funktioniert; und öffentliche Schulen scheinen heute nicht in der Lage, republikanische Werte zu vermitteln, vor allem nicht unter jungen Muslimen. Laut Hakim el Karoui:
"Die Muslime Frankreichs leben im Herzen von mehreren Krisen. Syrien, natürlich, das den Geist durchschüttelt. Aber auch die Transformation der arabischen Gesellschaften, in denen Frauen einen neuen Platz einnehmen: Studentinnen sind zahlreicher als männliche Studenten, Mädchen sind besser ausgebildet als ihre Väter. Religion ist in seiner autoritären Version eine Waffe der Reaktion gegen diese Entwicklungen. ... und schließlich gibt es die soziale Krise: Muslime, zwei Drittel Kinderarbeiter und Angestellte, sind die ersten Opfer der Deindustrialisierung."
Islamisierung wächst überall. In den Stadtzentren tragen die meisten arabischen Frauen einen Schleier, und in den Vorstädten sind Burkas und Niqabs immer häufiger. Auf der Arbeit, wo nicht-religiöses Verhalten gewöhnlich die Regel war, versuchen Manager zu lernen, wie man mit islamistischen Forderungen umgeht. In großen Unternehmen wie Orange (Telekommunikation), ist ein "Direktor der Vielfalt" ernannt worden, um Forderungen und Konflikte zu bewältigen. In kleinen Unternehmen sind Manager verwirrt. Konflikte und Rechtsstreitigkeiten eskalieren.
Das Schweigen der Politiker. Trotz der breiten Berichterstattung in den Medien um diese beiden Studien war eine erstaunliche Stille das einzige, was man von Politikern hörte. Das ist beunruhigend, weil die Studie des Institut Montaigne auch einige Vorschläge umfasste, einen "Französischen Islam" zu bauen, wie beispielsweise der ausländischen Finanzierung von Moscheen ein Ende zu setzen, und die einheimische Ausbildung religiöser und lokaler Führer. Andere Ideen, wie in säkularen Schulen Arabisch zu lehren, um zu verhindern, dass "Eltern ihre Kinder in Koranschulen schicken" sind ziemlich seltsam, weil sie die versagende Strategie der Integration des Islamismus durch Institutionen verewigen würde. Junge französische Muslime, selbst jene, die in Frankreich geboren sind, haben Schwierigkeiten beim korrekten Sprechen und Schreiben der französischen Sprache. Deshalb müssen sie richtig französisch sprechen und schreiben lernen, vor irgend etwas anderem.
Diese beiden Studien, obwohl ein Anfang, sind erschütternd unzureichend. Politiker, Journalisten und jeder Bürger müssen mehr über den Islam lernen, seine Lehren und Ziele im Land. Es ist unglaublich, dass die einzigen Werkzeuge, die zur Verfügung stehen, unzureichende Meinungsumfragen sind. Ohne Wissen ist keine politische Aktion - oder andere Maßnahmen - möglich. Es ist eine Situation, die aggressiven politischen Islamisten unermesslich zugute kommt.
Ohne mehr Wissen wird das Bestreiten der Islamisierung und die Unbeweglichkeit bei der Bewältigung derselben fortgesetzt. Vorsätzliche Blindheit ist die Mutter des kommenden Bürgerkrieges - es sei denn, die Menschen und ihre Politiker entscheiden sich freiwillig dafür, sich dem Islam kampflos unterzuordnen.
Yves Mamou, aus Frankreich, hat zwei Jahrzehnte als Journalist für Le Monde gearbeitet.