Im November verriet sich der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas hinsichtlich seines Ultimatums zur möglichen Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Israel. "Ich bin 81 Jahre alt, und ich werde meinen Lebensabend gewiss nicht damit verbringen, nachzugeben, Zugeständnisse zu machen oder mir untreu zu werden."
Dies erklärte ein trotziger Abbas am Rande einer Kundgebung aus Anlass des 12. Todestages seines Vorgängers, Yassir Arafat.
Abbas äusserte sich wie folgt vor mehreren Hundert Palästinensern, die sich zum Gedenken an Arafat in Ramallah versammelt hatten: "Ich habe nicht vor, als Führer in die Geschichte einzugehen, der sich auf Kompromisse mit Israel eingelassen hat."
Ganz wie Arafat würde Abbas eher unnachgiebig sterben, als eine friedliche Einigung mit Israel zu erreichen.
Allerdings ist die Position der beiden palästinensischen Führer tief verwurzelt in der palästinensischen Tradition und Kultur, in der jedes Zugeständnis und jeder Kompromiss mit Israel als ein Akt des Hochverrats angesehen werden.
Als er im Sommer 2000 von dem gescheiterten Gipfeltreffen in Camp David nach Ramallah zurückkehrte, erklärte Arafat seine Entscheidung, das von Israels Premierminister Ehud Barak unterbreitete Angebot abzulehnen. Laut Arafat hatte Barak verlangt, dass die Palästinenser Zugeständnisse hinsichtlich Jerusalem und dessen Heiligen Stätten machen sollten.
"Er, der gerade mal einen Krümel Erde des Bodens von Jerusalem abtreten will, gehört nicht zu unserem Volk", verkündete Arafat damals. "Wir wollen ganz Jerusalem, alles davon, alles davon. Revolution bis zum Sieg!"
In Camp David verlangten Arafat und seine Verhandlungsführer umfassende Souveränität über das gesamte Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem, einschliesslich seiner Heiliger Stätten, sowie über das jüdische Viertel in der Altstadt. Ausserdem wiederholten sie ihre langjährige Forderung, das "Recht auf Rückkehr" für palästinensische Flüchtlinge vollumfänglich umzusetzen, wodurch es Hunderttausenden Palästinensern möglich würde, nach Israel zu strömen.
Barak seinerseits soll den Palästinensern einen eigenen Staat angeboten haben, der zu 91 % im Westjordanland sowie in grossen Teilen Ost-Jerusalems und dem gesamten Gazastreifen gegründet werden sollte. Fest steht ausserdem, dass Barak von dem palästinensischen Führer einige Zugeständnisse hinsichtlich der explosiven Themen Jerusalem und Flüchtlinge erwartet hatte.
Der Camp-David-Gipfel scheiterte jedoch in dem Augenblick, als Arafat erkannte, dass nicht sämtliche seiner Forderungen erfüllt werden würden. Arafat teilte später seinen Vertrauten mit, er habe das Gipfeltreffen verlassen, weil er nicht als Führer in die Geschichte habe eingehen wollen, der sich dem Druck der Israelis und Amerikaner gebeugt habe.
Spulen wir nun 16 Jahre vorwärts: Abbas steht in der Nähe von Arafats Grab in Ramallah, und aus ihm sprudeln ähnliche Gedanken hervor. Mit dem Versprechen, Arafats Weg auch künftig weiter zu beschreiten und sein Vermächtnis zu ehren, verkündete Abbas, dass er in diesen Tagen von der "Entschlossenheit" und "Entschiedenheit" seines Vorgängers "inspiriert" worden sei.
Zumindest ist Abbas offen, was seine Absichten anbetrifft. Niemand, so sagt er unverhohlen – weder die Israelis, noch die Amerikaner, noch die Europäer – sollten sich irgendwelchen Illusionen hingeben. "Frieden" mit den Palästinensern, so Abbas, bedeutet, dass Israel jede einzelne Forderung erfüllt, die er – und Arafat – je gestellt haben. Mit anderen Worten, "Frieden" gibt es nur ohne Zugeständnisse seitens der Palästinenser.
Arafat geniesst auch heute noch eine grosse Popularität unter den Palästinensern, da er starb, ohne sich an Israel "zu verkaufen". Sein Heldenstatus beruht also auf seiner Ablehnung in Camp David.
Hätte Arafat Baraks Angebot auf diesem Gipfeltreffen akzeptiert, wäre er als ein "Pfand" in den Händen der Israelis und Amerikaner verurteilt worden, als ein gescheiterter Anführer, der sein Volk verraten hatte.
Dass Abbas sich im Gewand Arafats präsentiert, ist allerdings nichts Neues. Viele Jahre lang folgte er getreu den Fussstapfen Arafats und hielt dessen Vermächtnis in Ehren. Hinzu kommt, dass sich Abbas sehr bewusst ist, dass er – ebenso wie Arafat – von seinem Volk nicht autorisiert ist, Zugeständnisse in irgendeiner Form an Israel zu machen. Nicht nur, weil sich Abbas mittlerweile im 12. Jahr seiner 4-jährigen Amtszeit befindet.
Ganz wie Arafat würde Abbas eher unnachgiebig sterben, als eine friedliche Einigung mit Israel zu erreichen. |
Selbst wenn Abbas ein legitimer Präsident wäre, wären keine Zugeständnisse an Israel zu erwarten. Es heisst, Arafat habe damals als Grund für die Ablehnung des Angebots von Barak angegeben, er wolle nicht an einem Tisch Tee trinken mit dem (später ermordeten) ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat, dem ersten arabischen Führer, der eine Friedensvereinbarung mit Israel unterzeichnete.
Daher hat es Abbas nicht eilig, wieder an den Verhandlungstisch mit Israel zurückzukehren. Tatsächlich gibt es für Abbas keine Verhandlungen – nur Forderungen. Er weiss, wenn er Zugeständnisse von seiner Seite aus machen würde, würde sein Volk darauf spucken – oder ihn töten.
Daher hat der PA-Präsident es in den vergangenen Jahren auch tunlichst vermieden, auch nur den geringsten Anschein von Verhandlungsbereitschaft mit Israel zu erwecken und nutzte stattdessen all seine Energien dafür, die internationale Gemeinschaft unter Druck zu setzen, um Israel eine Lösung aufzuzwingen – eine, die tatsächlich die Palästinenser in all ihren Forderungen unterstützen würde.
Abbas und die palästinensische Führung in Ramallah wollen, dass die internationale Gemeinschaft ihnen das gibt, was sie von Israel am Verhandlungstisch nicht bekommen. Abbas hofft, sein Ziel durch internationale Nahost-Konferenzen, wie die von Frankreich geplante, zu erreichen oder aber durch die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen und Institutionen.
Tatsächlich war dies Abbas' einzige Strategie in den vergangenen Jahren: ein diplomatischer Krieg auf internationalem Parkett mit dem Ziel, Israel zu isolieren und zu delegitimieren, um es so zu zwingen, alle Forderungen der Palästinenser zu erfüllen.
Natürlich hat diese Strategie auch ihre Risiken. Und dennoch, falls sie nicht aufgeht, wird Abbas letzten Endes den Schauplatz zumindest nicht als jemand verlassen, der mit dem scharlachroten Buchstaben des "Verräters" gebrandmarkt ist. Sein Nachfolger, so seine Hoffnung, wird an seinem Grab stehen und geloben, in seine Fussstapfen zu treten – ganz so, wie er es auch bei Arafat tat. Und dies ist keine eitle Hoffnung.
Durch jahrzehntelange Indoktrination und anti-israelische Rhetorik, für die sowohl Arafat als auch Abbas verantwortlich sind, wurden die Palästinenser soweit radikalisiert, dass es inzwischen unmöglich ist, einen einzelnen Anführer zu benennen, der in gutem Glauben mit Israel verhandeln würde.
Unter den gegebenen Umständen wird jeder Versuch der Obama-Regierung in den verbleibenden Monaten seiner Amtszeit eine Abstimmung der Vereinten Nationen zugunsten eines palästinensischen Staates zu unterstützen, von den Palästinensern, die gegen eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Israel sind, als Belohnung gewertet werden.
Viele in Europa, insbesondere in Frankreich, scheinen nur darauf zu warten, genau das zu tun – als "Geschenk" an die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (Organization of Islamic Cooperation, OIC), um zu demonstrieren, wie willfährig die Franzosen sein können; und um weitere "Geschäfte" mit arabischen und muslimischen Staaten zu fördern und – so hoffen sie möglicherweise – um weitere Terroranschläge zu vermeiden. Tatsächlich aber fördern sie weitere Terroranschläge, wenn die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats einseitig einen palästinensischen Staat ausrufen: die Terroristen werden sehen, dass Anschläge "funktionieren" und werden mehr davon ausführen, um so die dschihadistische Übernahme Europas weiter zu beschleunigen.
Die Obama-Regierung (und die nächste US-Regierung) werden Abbas und den Palästinensern klarmachen müssen, dass die einzige Möglichkeit, einen palästinensischen Staat zu erreichen, ausschliesslich über direkte Verhandlungen mit Israel führt und nicht über weitere UN‑Resolutionen.
Ebenso täten die Franzosen gut daran, ihren Plan zur Einberufung einer internationalen Konferenz für Frieden im Nahen Osten aufzugeben. Sie müssen verstehen, dass Abbas und die Palästinenser hoffen, die Konferenz als eine Entschuldigung verwenden zu können, um sich weiterhin vom Verhandlungstisch mit Israel fernhalten zu können – dem einzigen Land, dass den Palästinensern durch direkte Gespräche wirklich dabei helfen könnte, einen Staat zu gründen. Die Ausrufung eines palästinensischen Staats im Sicherheitsrat führt nur dazu, dass es aussieht, als ob es ihr tatsächliches Ziel sei, Israel zu zerstören, indem sie die "beiden Seiten des Mittelmeers" gegen Israel verbünden – und das wissen sie. Damit können sie jedoch niemanden täuschen.
Die Botschaft an die Palästinenser muss lauten, dass UN-Resolutionen und internationale Konferenzen sie der Verwirklichung ihrer Ziele nicht näher bringen werden. Eine weitere Botschaft an die Adresse der palästinensischen Führung sollte lauten, dass ohne die Vorbereitung ihres Volks auf Frieden und Kompromisse mit Israel, die gesamte Idee einer Zwei-Staaten-Lösung bedeutungslos ist.
Eine ganze palästinensische Generation ist mit der vergifteten Idee grossgeworden, dass schon die Erwägung von Kompromissen mit Israel einen Verrat darstellt. Die nächste US-Regierung täte gut daran, diese unangenehme Realität zu berücksichtigen.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.