Frankreich wird im Mai 2017 einen neuen Präsidenten wählen. Politiker kämpfen und debattieren bereits über Defizite, Wohlfahrtsempfänger, BIP-Wachstum und so weiter, aber sie sehen aus wie Marionetten, die vom realen Land getrennt sind.
Was ist heute in Frankreich Realität?
Gewalt. Sie verbreitet sich. Nicht nur Terroranschläge; Reine Bandengewalt. Sie bringt ein zunehmendes Gefühl der Unsicherheit in Krankenhäusern, an Schulen, auf der Straße - sogar in der Polizei. Die Medien wagen nicht zu sagen, dass diese Gewalt vor allem von muslimischen Banden kommt - "Jugendliche", wie sie in den französischen Medien genannt werden, um nicht zu benennen, wer sie sind. Das Klima des Bürgerkriegs breitet sich jedoch in Polizei, Schule, Krankenhaus und Politik sichtbar aus.
Die Polizei
Der schrecklichste Beweis für dieses Malaise war, als in der Nacht des 17. Oktober mehr als 500 französische Polizeibeamte mit Polizeiautos und Motorrädern ohne Rückhalt der Gewerkschaften, ohne Genehmigung, auf den Champs Elysées in Paris demonstrierten. Laut der Tageszeitung Le Figaro sei das Innenministerium in Panik geraten, "aufgeschreckt von einem möglichen Putsch": Die Polizei blockierte den Zugang zur Avenue Marigny, die neben dem Präsidentenpalast und mit Blick auf den Place Beauvau verläuft."
Am 18. Oktober, als Jean-Marc Falcone, Generaldirektor der Nationalen Polizei, die Anführer des Protests traf, wurde er von Hunderten von Polizeibeamten umringt, die ihn zum Rücktritt drängten.
Die Hauptursache ihrer Wut scheint in erster Linie die Gewalt, die oft gegen die Polizei gerichtet ist, und Terroranschläge. Auf der Ebene des Terrors wurden zwei Polizisten in Magnanville im Juni 2016 von einem muslimischen Extremisten, Larossi Aballa, erstochen. In diesem Frühjahr wurden mehr als 300 Polizisten und Gendarmes von Demonstranten verletzt. Im Mai demonstrierten Polizei-Gewerkschaften in den Straßen von Paris, um gegen "Anti-Polizei-Hass" zu protestieren.
Diesen Herbst war der letzte Auslöser ein Angriff auf eine Polizeipatrouille im Pariser Vorort Viry-Châtillon. Vier Beamte wurden verletzt, als eine Gruppe von ungefähr 15 "Jugendlichen" (muslimische Gangmitglieder) ihre Autos in der Stadt umzingelten und Steine und Brandbomben auf sie schleuderten. Zwei Polizisten wurden übel verbrannt; einer musste in ein künstliches Koma versetzt werden. Das gleiche Szenario fand einige Tage später statt: eine Polizeipatrouille wurde in einer weiteren No-Go-Zone im "sensiblen" Gebiet von Val-Fourré überfallen.
Die Polizei wurde auch von Bernard Cazeneuve, dem Innenminister, verärgert, der die Angreifer "sauvageons" ("kleine Wilde") nannte. Polizei und Oppositionspolitiker antworteten, dass die Angreifer nicht "kleine Wilde, sondern Kriminelle seien, die die Polizei angegriffen hätten, um zu töten."
"Die Polizei wird als Besatzungsmacht angesehen", erklärte Patrice Ribeiro von der Polizeigewerkschaft Synergie Officiers. "Es ist nicht verwunderlich, dass Gewalt aufbricht."
Am 18. Oktober startete Le Figaro eine Online-Umfrage mit einer Frage: "Sind Sie mit dem Protest von Polizisten einverstanden?" Neunzig Prozent der 50.000 Befragten antworteten mit "Ja".
Seitdem haben sich die Polizeidemonstrationen auf andere Städte ausgeweitet. Mehr als einen Monat nach Beginn der Unmutsäusserungen protestierten Polizisten immer noch in jeder Großstadt. Am 24. November demonstrierten zweihundert Polizisten in Paris zwischen der Place de la Concorde und dem Arc de Triomphe, um ihre "Wut" auszudrücken. Polizei in Zivilkleidung, einige mit orangefarbenen Armbinden, einige unter einem Schal oder einer Kapuze versteckt, unterstützt von Bürgern, versammelten sich am Abend an der Place de la Concorde, bevor sie die ganze Länge der Champs Elysée bis zum Arc de Triomphe entlang gingen, wo sie eine Menschenkette um das Denkmal bildeten und La Marseillaise (die französische Nationalhymne) sangen.
Diese Revolte einer Säule der französischen Gesellschaft, der Polizei, war die größte, die jemals im modernen Frankreich geschehen ist. Dennoch berichtete praktisch keines von Frankreichs Mainstream-Medien über das Ereignis.
Schulen
Tremblay-en-France (Seine-Saint-Denis bei Paris): Der Schulleiter der Hélène-Boucher-Schule wurde am 17. Oktober von mehreren Personen außerhalb der Schule angegriffen. Einige "Jugendliche" griffen das Gebäude mit Brandbomben an, und als der Direktor versuchte, die Situation zu beruhigen, reagierte einer der "Jugendlichen" mit Schlägen. 50 Unbekannte waren an dem Vorfall beteiligt. Dies war die dritte Gewaltepisode in der Nachbarschaft. Vier Tage zuvor wurden zwei Fahrzeuge abgebrannt.
Einen Monat später führte die Tageszeitung Le Monde ein Treffen mit mehreren Studenten durch. Ziel dieses Treffens war es, die Ursache der Gewalt in Tremblay zu verstehen. Yacine, 21, Studentin an der Universität von Paris II, sagte: "Dies ist eine Warnung: Diese Jugendlichen haben die Schule nicht zufällig angegriffen, sie wollten die Institution angreifen, den Staat angreifen."
Argenteuil (Val d'Oise, Vorort von Paris): Ein Lehrer an der Grundschule Paul Langevin wurde am 17. Oktober auf der Straße zusammengeschlagen, als er Kinder von den Tennisplätzen einen Kilometer von der Schule entfernt zurück zur Schule begleitete. Als sie hörten, wie der Lehrer seine Stimme gegenüber einem Kind erhob, hielten zwei junge Männer ihr Auto an, sagten dem Lehrer, er sei ein "Rassist" und schlugen ihn vor den Kindern zusammen. Laut Le Parisien rechtfertigte einer der Angreifer seine Handlungen, indem er dem Lehrer "Rassismus" vorwarf. "Du bist nicht der Herr," sagte der Mann. "Der einzige Meister ist Allah".
Colomiers (Toulouse, im Süden von Frankreich). Ein Sportlehrer wurde von einem Schüler am 17. Oktober attackiert, als der Lehrer versuchte, den Schüler daran zu hindern, die Schule durch einen verbotenen Ausgang zu verlassen.
Calais (Pas-de-Calais): Zwei Schüler einer Berufsschule in Calais griffen am 14. Oktober einen Lehrer an und brachen ihm gemäss der Lokalzeitung Nord-Littoral den Kiefer und mehrere Zähne. Die Schüler griffen den Elektrotechniklehrer an, weil er einen der Schüler gebeten hatte, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.
Saint-Denis (Seine Saint-Denis, Vorort von Paris): Am 13. Oktober wurden ein Schulleiter und sein Stellvertreter von einem Berufsschüler zusammengeschlagen, der für eine Verspätung gerügt worden war.
Straßburg: Ein Mathematiklehrer wurde am 17. Oktober an der Orbelin-Schule brutal angegriffen. Der Direktor der Institution erklärte France Bleu, dass ein "Jugendlicher", der kein Schüler an der Schule sei, den Lehrer zusammengeschlagen habe. Es war nicht das erste Mal, dass der "Jugendliche" das Gebäude betreten hatte. Vorher, als der Lehrer ihn bat, seine Klasse zu verlassen, versetzte der "Jugendlige" dem Lehrer mehrere Schläge ins Gesicht, bevor er flüchtete.
Alle diese Angreifer waren keine Terroristen, aber wie islamische Terroristen wollten sie augenscheinlich "die Institution angreifen, den Staat angreifen".
Spitäler
Am 16. Oktober verbreiteten fünfzehn Personen, die einen Patienten begleiteten, Terror in der Notaufnahme des Gustave-Dron-Hospitals in Tourcoing, laut La Voix du Nord. Ein Arzt wurde schwer zusammengeschlagen; Eine andere an den Haaren gezogen. Ärzte und Krankenschwestern sagten der Zeitung, dass sie noch unter Schock stünden. Eine Krankenschwester sagte:
"Zehn Menschen erzwangen sich den Zutritt zum Herz der Notaufnahme. Die Ärzte baten sie, den Ort zu verlassen ... Als alles vorüber war, realisierte ich, dass die Notaufnahme verwüstet war, Patienten terrorisiert, Verwandte von Patienten weinten."
Die Angreifer stammten aus dem Kreis La Bourgogne, einem im wesentlichen von nordafrikanischen Einwanderern besiedelten Gebiet. Drei Personen wurden verhaftet.
Im gleichen Kreis von La Bourgogne gab es am 4. Oktober Unruhen. Vierzehn Autos wurden abgebrannt und 12 Personen verhaftet. Der Aufstand, der vier Nächte andauerte, brach nach der Verhaftung eines Fahrers aus, der nicht anhielt, als er von einem Polizisten dazu aufgefordert wurde.
Politik
Am 14. Oktober versuchte Nadine Morano, Abgeordnete der Oppositionspartei Les Républicains, physisch einen algerischen Geschäftsmann, Rachid Nekkaz, daran zu hindern, das örtliche Finanzamt von Toul im Osten Frankreichs zu betreten. Nekkaz ist bekannt für die Zahlung von Geldstrafen muslimischer Frauen, die verhaftet wurden, weil sie in der Öffentlichkeit eine Burka tragen, was seit Oktober 2010 gesetzlich verboten ist. Die Polizei kam, um das Recht von Herrn Nekkaz zu schützen, die Geldstrafe zu zahlen. Eine Änderung des Finanzrechts wird derzeit diskutiert, um Praktiken wie die von Nekkaz, die das Gesetz umgehen, zu unterbinden und strafbar zu machen.
Präsident François Hollande steht nach der Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel "Ein Präsident sollte das nicht sagen" ("Un président ça ne devrait pas dire ça") unter Beschuss ... Darin heißt es: "Frankreich hat ein Problem mit dem Islam" und "es gibt zu viele Migranten in Frankreich" - Bemerkungen, von denen Hollande behauptet, er hätte sie nie gemacht. Ein weiteres Zitat in dem Buch, das Hollande bestreitet:
"Wir können im Kontext der Angriffe nicht weiterhin Migranten haben, die ohne Kontrolle herkommen ... Die Abspaltung von Territorien (No-Go-Zonen)? Wie können wir eine Teilung vermeiden? Denn das ist immer noch das, was geschehen wird."
Präsident Hollande verbringt seine Zeit damit, sich für Dinge zu entschuldigen, die er nie gesagt hat, die er aber gesagt haben sollte, weil sie wahr sind.
Franzosen
Franzosen chinesischer Abstammung: Die Franzosen chinesischer Abstammung leben in den gleichen Vororten wie Muslime und werden angegriffen und belästigt, bei allgemeiner Gleichgültigkeit der Polizei.
Während Verbrechen gegen Gemeinschaftsmitglieder in die Höhe geschnellt sind, haben etwa 50.000 ethnische Chinesen am 4. September in Paris einen Protestmarsch inszeniert, nach dem tödlichen ausgegangenen Raub an einem chinesischen Schneider.
Die Demonstranten, die alle weiße T-Shirts mit der Aufschrift "Sicherheit für alle" trugen und die französische Flagge schwenkten, versammelten sich an der Place de la République. Sie hatten die Demonstration selbst organisiert und wurden nicht von den traditionellen "Menschenrechtsgruppen" unterstützt, die es vorziehen, muslimischen Migranten zu helfen.
Öffentliche Meinung: Im Januar 2016 veröffentlichte Cevipof, ein Think Tank des Pariser Instituts für Politische Studien (Sciences Po), ihr siebtes Barometer des Politischen Vertrauens, eine Umfrage, die jährlich veröffentlicht wird, um die Werte der Demokratie im Land zu messen und die auf Interviews mit 2074 Personen basiert:
- Wie ist Ihre derzeitiger Geisteszustand? Lustlosigkeit 31%, Trübsinn 29%, Misstrauen 28%, Angst: 10%
- Vertrauen Sie der Regierung? Nicht sehr 58%, gar nicht 32%
- Vertrauen Sie den Gesetzgebern? Nicht sehr 39%, überhaupt nicht 16 %
- Vertrauen Sie dem Präsidenten? Nicht sehr 32%; überhaupt nicht 38%
- Kümmern sich Politiker um das, was die Leute denken? Nicht sehr 42%, gar nicht 46%
- Wie funktioniert die Demokratie in Frankreich? Nicht gut 43%, gar nicht gut 24%
- Vertrauen Sie politischen Parteien? Nicht sehr 47%, gar nicht 40%
- Vertrauen Sie den Medien? Nicht sehr 48% gar nicht 27%
- Was fühlen Sie über Politik? Misstrauen 39%; Ekel 33%, Langeweile 8%
- Was denken Sie über Politiker? Enttäuschung 54%; Ekel 20%
- Korruption von Politikern? Ja 76%
- Zu viele Migranten? Ja, plus neigen dazu, zuzustimmen 65%
- Islam ist eine Bedrohung? Ja, plus neigen dazu, zuzustimmen 58%
- Stolz, Franzose zu sein? Ja 79%
Was diese Umfrage zeigt, ist, dass die Kluft zwischen Volk und Politik noch nie so groß gewesen ist.
Thibault de Montbrial, Anwalt und Experte für Terrorismus, erklärte am 19. Oktober Le Figaro:
Der Begriff "Dislokation" der französischen Gesellschaft erscheint angemessen. Gewalt gegen Polizei, Krankenhäuser, Angriffe, die sich gegen Schulen und Lehrer multiplizieren ... sind Angriffe auf Pfeiler der herrschenden Ordnung. Mit anderen Worten, alles, was staatliche Institutionen repräsentiert, (...) wird nun Gewalt ausgesetzt, die im Wesentlichen auf sektiererischen und manchmal ethnischen Exzessen beruht, angetrieben durch einen unglaublichen Hass auf unser Land. Wir müssten schon blind oder unbewusst sein, um uns nicht um den nationalen Zusammenhalt Sorgen zu machen."
Yves Mamou, mit Sitz in Frankreich, arbeitete zwei Jahrzehnte als Journalist für Le Monde.