Der Erlass von US-Präsident Donald J. Trump, der die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verzögert, hat zweierlei erreicht. Erstens enttäuscht er viele Israelis, da Trump sein vor der Wahl gegebenes Versprechen nicht einhält. Zweitens – und möglicherweise ist dies noch wichtiger – sendet er genau die falsche Botschaft an die Palästinenser. Was die Palästinenser und andere Araber aus dieser Botschaft heraushören, ist, dass der US-Präsident unter Druck und Drohungen einknickt.
Diese Botschaft von Schwäche und Rückzug schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit Trumps, sondern auch der der USA, weil sie dadurch als ein Land erscheint, das unter Androhung von Gewalt nachgibt.
Im Allgemeinen ist es nämlich seine Demonstration von Macht, die Trump bei vielen Palästinensern und Arabern Respekt verschafft. Die Araber bewundern und respektieren solche Machtfiguren, weil sie selbst jahrzehntelang von rücksichtslosen Tyrannen und Diktatoren, wie z. B. Saddam Hussein, beherrscht wurden. Zugleich respektieren die Araber aber auch Anführer, die ihre Versprechen einhalten, sogar, wenn sie selbst mit diesen Versprechen nicht einverstanden sind oder sie ablehnen.
Trumps Entscheidung, die Verlegung der US-Botschaft zu verzögern, erfolgte nach wiederholten Drohungen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und anderer Araber, dass ein solcher Schritt "die gesamte Region in Gewalt und Blutvergiessen stürzen" würde. Diese Drohungen wurden erstmals während Trumps Wahlkampf laut und eskalierten schliesslich nach seinem Einzug ins Weisse Haus.
Präsident Mahmoud Abbas von der Palästinensischen Autonomiebehörde und seine Gefolgsleute führten die Droh- und Einschüchterungskampagne an. Sie gingen sogar so weit, damit zu drohen, sie würden ihre Anerkennung des israelischen Existenzrechts widerrufen, sollte Trump es wagen, sein Versprechen wahr zu machen.
US-Botschaft in Israel, Tel Aviv. (Foto: Krokodyl/Wikimedia Commons) |
Letzten Januar wurde Abbas mit der Aussage zitiert, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem würde die Palästinenser dazu veranlassen, ihre Anerkennung Israels zurückzuziehen.
"Ich habe einen Brief an Präsident Trump geschrieben, in dem ich ihn dazu aufgerufen habe, von einem solchen Schritt abzusehen. Ich habe ihm klargemacht, dass ein solcher Schritt die USA nicht nur der Möglichkeit berauben würde, eine legitime Rolle in der Lösung des Konflikts zu spielen, sondern auch die Zwei-Staaten-Lösung zunichte machen würde."
Abbas' Mufti, Scheich Mohammed Hussein, warnte Trump, dass die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem als eine "Aggression, nicht nur gegen die Palästinenser, sondern gegen alle Araber und Muslims" angesehen werden würde. PLO-Generalsekretär Saeb Erekat stimmte in den Chor der Bedrohungen ein, indem er Trump davor warnte, dass die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem "den Nahen Osten in Gewalt und Chaos stürzen" würde.
Die palästinensischen Drohungen wurden begleitet von den Drohungen einiger arabischer Regierungen und muslimischer Kleriker. Auch sie warnten Trump, dass die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem eine Welle der Gewalt auslösen und die Interessen der USA im Nahen Osten aufs Spiel setzen würden. Der ehemalige Mufti von Ägypten, Scheich Ali Jum'ah, sagte, die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem stelle "eine schwerwiegende Eskalation" dar und "bedrohe die US-Interessen in der Region". Scheich Ibahim Reda, ein weiterer führender islamischer Geistlicher aus Ägypten, warnte, dass ein solcher Schritt "eine Welle von Spannungen in der Region auslösen und eine Aggression gegen Araber und Muslime" darstellen würde.
Von Seiten der Palästinenser sind solche Drohungen nichts Neues. Tatsächlich geben Mahmoud Abbas und seine Kollegen immer dann derartige "Warnungen" ab, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen. Es ist eine ihrer Lieblings-Taktiken gegen Israel.
Zum Beispiel warnten die Palästinenser, dass der israelische Bau der Sicherheitsbarriere im Westjordanland Gewalt und Anarchie zur Folge haben würde. In der Realität hat die Sicherheitsbarriere jedoch das genaue Gegenteil bewirkt; sie hat Selbstmordattentate gegen Israel gestoppt und nicht nur das Leben von Juden sondern auch von Arabern gerettet, von denen viele in der palästinensischen Terrorwelle während der Zweiten Intifada getötet wurden.
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In jüngerer Zeit "warnten" die Palästinenser beispielsweise Israel davor, einen neuen Lehrplan für arabische Schulen in Jerusalem einzuführen, weil sie behaupteten, dies würde zur "Judaisierung" und "Israelisierung" Jerusalems führen.
Vergangenen Monat kamen sie mit einer neuen "Warnung" an – dieses Mal hiess es, wenn Israel den Forderungen der im Hungerstreik befindlichen palästinensischen Häftlinge nicht nachkäme, gäbe es eine "neue Intifada".
Nach 40-tägigem Hungerstreik gaben die Häftlinge auf und beendeten ihr Fasten – nahezu alle ihrer Forderungen blieben von Israel unerfüllt.
All das kommt zu den Drohungen hinzu, die Abbas und viele Palästinenser in den letzten zwei Jahren wegen der Besuche von Juden auf dem Jerusalemer Tempelberg nahezu täglich geäussert haben. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass die Palästinenser eine weitere Drohung wegen dieser Besuche von sich geben.
Die Palästinenser bemühen sich nach Kräften, die Welt davon zu überzeugen, dass die regelmässigen und friedvollen Besuche jüdischer Gruppen und Einzelpersonen auf dem Tempelberg Teil einer israelischen "Verschwörung" sind, deren Ziel es sei, die Al-Aqsa-Moschee zu zerstören und die religiösen Stätten des Islam zu "entweihen". Sie haben ausserdem davor gewarnt, dass die Besuche einen "Religionskrieg" zwischen Juden und Moslems hervorrufen und zu einer "gewaltigen Explosion" und einem "Erdbeben" im Nahen Osten führen würden.
Es stimmt zwar, dass die palästinensische Hetze wegen des Tempelbergs eine Welle von Messer- und Autoramm-Attacken auf Israelis verursacht hat, aber es ist kein "Religionskrieg" ausgebrochen und die arabischen und islamischen Länder scheinen nicht besonders besorgt wegen der jüdischen Besuche auf dem Tempelberg zu sein.
Nebenbei bemerkt finden diese Besuche schon seit 1967 statt. Die Besuche wurden während der Zweiten Intifada aus Sicherheitsgründen zeitweilig ausgesetzt, jedoch in den letzten beiden Jahren wieder aufgenommen. Ausserdem bleibt festzustellen, dass auch christliche Touristen weiterhin die heilige Stätte besichtigen – eine Tatsache, die Abbas und seine Freunde in der PA nicht weiter zu stören scheint.
Israel hat seinerseits gelernt, mit den unablässigen Drohungen und Warnungen der Palästinenser zu leben. Die internationale Gemeinschaft nimmt diese Drohungen jedoch weiterhin ernst und ignoriert dabei die Tatsache, dass sie dadurch kontinuierlich eine falsche Botschaft an die Palästinenser senden. Den Gewaltandrohungen nachzugeben, ermutigt die Extremisten nur und bereitet den Weg für noch mehr Gewalt und Blutvergiessen.
Wie die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung "zunichte macht" ist allerdings ein Rätsel.
Falls die US-Botschaft aus Tel Aviv abzieht, wird sie im Westteil der Stadt eingerichtet und nicht in Ost-Jerusalem, welches die Palästinenser als ihre künftige Hauptstadt für sich beanspruchen. Daraus kann man nur einen Schluss ziehen – dass die Palästinenser auch den Westteil Jerusalems als Teil ihrer zukünftigen Hauptstadt betrachten.
Die palästinensischen und arabischen Androhungen von Gewalt und Chaos in der Region hören sich angesichts der aktuellen Lage in vielen arabischen Ländern, einschliesslich Syrien, Irak, Ägypten und Libyen, wo sich in den vergangenen sechs Jahren die Moslems gegenseitig – und Christen – abschlachteten, geradezu lachhaft an.
Der Tumult in der arabischen Welt – einschliesslich der jüngsten Spannungen um Katar – steht weder mit der US-Politik im Besonderen, noch mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt im Allgemeinen in irgendeinem Zusammenhang. Trotz der Kurzsichtigkeit von arabischen Anführern und islamischen Geistlichen wird in den arabischen Ländern bereits jetzt in geradezu beunruhigendem Ausmass Blut vergossen.
Die Morde in Syrien, dem Irak und Libyen werden weitergehen, gleichgültig ob Trump die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt oder nicht.
Ein weiterer Punkt sollte für die USA von grösstem Interesse sein: Wenn die Palästinenser und Araber von der Möglichkeit sprechen, dass ein solcher Schritt die US-Interessen in der Region "schädigen" und "Gewalt und Blutvergiessen auslösen" könnte, drohen sie tatsächlich damit, Terroranschläge gegen amerikanische Staatsangehörige und Interessen zu verüben.
Das ist der Grund, warum Trumps jüngste Entscheidung, die Botschaft doch nicht nach Jerusalem zu verlegen, von der arabischen Welt als eine Kapitulation vor dem Terrorismus verstanden wird. Vom Standpunkt der arabischen Welt aus betrachtet lassen sich die USA durch die Androhung von Gewalt einschüchtern.
Glaubt denn irgendjemand ernsthaft, dass es die Führer der arabischen und islamischen Länder wirklich interessiert, ob sich die Botschaft in Jerusalem oder Tel Aviv befindet? Haben diese Führer nicht genug andere Sorgen, wie etwa die iranische Drohung, die Stabilität ihrer Regierungssysteme zu unterminieren oder die Bedrohung durch den islamistischen Terror?
Glaubt irgendjemand ernsthaft, die arabischen und muslimischen Massen, die mit massiver Arbeitslosigkeit, Diktaturen und Terrorismus zu kämpfen haben, würde es wirklich interessieren, ob die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem umzieht?
Die Palästinenser hatten gehofft, die arabischen und muslimischen Massen würden wegen der jüdischen Besuche auf dem Tempelberg auf die Barrikaden gehen, aber den meisten Arabern und Muslimen ist es gleichgültig. Tatsächlich interessieren sich die Araber und Muslime nicht im Geringsten für die Palästinenser; schon lange haben sie ihren palästinensischen Brüdern, die heute nahezu komplett von amerikanischer und europäischer Unterstützung abhängig sind, den Rücken zugekehrt.
Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem wird nicht zu mehr Anarchie führen. Christen in Ägypten und dem Irak werden nicht wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts getötet. Syrer werden nicht wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts systematisch abgeschlachtet. Die Terrorgruppe Islamischer Staat ermordet unschuldige Zivilisten in der arabischen Welt und einigen Ländern des Westens nicht, weil sie über die jüdischen Besuche auf dem Tempelberg oder den Siedlungsbau verärgert ist.
Den Palästinensern und Arabern fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als sie von Trumps Entscheidung, die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem zu verzögern, erfuhren. Sie reiben sich nun zufrieden die Hände und beglückwünschen sich selbst, dass Gewaltandrohungen funktionieren, weil selbst jemand wie Trump ihnen letztlich nachgibt.
In den Augen vieler Araber und Muslime ist Trump nicht länger mehr der starke Führer, den sie noch vor wenigen Monaten gefürchtet haben. Er hat ihnen vielmehr bewiesen, dass auch er mit Erpressung und Einschüchterung zu beeinflussen ist. Und wenn Trump einknickt, leidet die Glaubwürdigkeit der USA. Hätte Trump die Sache durchgezogen und sein Versprechen, die Botschaft zu verlegen, erfüllt, hätte er sich den Respekt vieler Araber und Muslime verdient, die ihn als einen wahren Führer angesehen hätten.
Erinnern Sie sich an das, was geschah, als Trump vor Kurzem als Reaktion auf das fortgesetzte Töten von Zivilisten durch das Regime einen Raketenangriff auf Syrien anordnete. Viele Araber und Muslime überschütteten Trump in den sozialen Medien mit Lob, weil er Mut zeigte. Wenn Trump seine Versprechen einhält, wird er sich in den arabischen und islamischen Ländern noch mehr Respekt verschaffen.
Bassam Tawil lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.