Der spontane Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zur Einführung eines staatlichen muslimischen Feiertags hat zu einer weiteren kontroversen Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland geführt.
Bundesländern mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil solle es freistehen, staatliche muslimische Feiertage zu feiern, sagte der zu Merkels Kabinett gehörende de Maizière bei einem Wahlkampfauftritt im Vorfeld der niedersächsischen Landtageswahlen:
"Ich bin bereit darüber zu reden, ob wir auch mal einen muslimischen Feiertag einführen. Kann man gerne vielleicht mal machen. Wo viele Katholiken leben, da gibt es auch Allerheiligen als Feiertag und anderswo nicht. Wo es viele Moslems gibt; warum kann man nicht auch Mal über einen muslimischen Feiertag reden?"
Der spontane Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zur Einführung eines öffentlichen muslimischen Feiertages hat zu einer weiteren kontroversen Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland geführt. Foto: De Maizière (rechts) mit Scheich Ahmad Al-Tayeb, dem Großimam von Kairos Al-Azhar-Moschee, 26. Mai 2017 in Berlin (Foto: Steffi Loos/Getty Images) |
De Maizières Äußerung, die offenbar darauf zielt, um muslimische Wähler zu buhlen, rief eine wütende Reaktion in seiner eigenen Partei und bei politischen Verbündeten hervor, die immer noch das schlechte Ergebnis der CDU bei den Bundestagswahlen vom 24. September in den Knochen spüren. Da hatte Merkel zwar eine vierte Amtszeit errungen, doch hatten die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU das schlechteste Ergebnis seit über einem halben Jahrhundert erzielt.
In einigen Parteikreisen wird Merkel für das Wahldebakel verantwortlich gemacht; sie habe die CDU zu weit von ihren konservativen Wurzeln entfernt, vor allem, was die Einwanderung betrifft. Mehr als eine Million frühere Wähler von CDU und CSU wanderten zur Anti-Einwanderungs-Partei Alternative für Deutschland (AfD) ab, welche von dem weitverbreiteten Zorn über Merkels Entscheidung profitiert, mehr als eine Million zumeist muslimische Migranten aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten ins Land zu lassen.
Deutschlands muslimischer Bevölkerungsanteil stieg 2016 zum ersten Mal auf über sechs Millionen. Deutschland konkurriert nun mit Frankreich darum, das Land mit der größten muslimischen Population in Westeuropa zu sein.
Für das Wachstum der muslimischen Bevölkerung in Deutschland ist vor allem die Massenmigration verantwortlich. Schätzungsweise 300.000 Migranten kamen 2016 nach Deutschland, zusätzlich zu den mehr als einer Million Migranten von 2015. Mindestens 80 Prozent (also 800.000 im Jahr 2015 und 240.000 im Jahr 2016) der Migranten sind nach Angaben des Zentralrats der Muslime in Deutschland Muslime.
Zu den Neuankömmlingen kommt das natürliche Wachstum der bereits in Deutschland lebenden muslimischen Gemeinde hinzu, das Zahlen zufolge, welches sich aus einer aktuellen Studie – die das Pew Research Center über das Wachstum der muslimischen Bevölkerung in Europa vorgelegt hat – errechnen lassen, bei etwa 1,6 Prozent pro Jahr (77.000) liegt.
Laut der Kalkulation von Pew – die noch aus der Zeit vor der derzeitigen Migrationskrise stammt – hätte die muslimische Bevölkerung in Deutschland Ende 2015 bei 5,145 Millionen gelegen.
Rechnet man die 800.000 muslimischen Migranten hinzu, die 2015 nach Deutschland kamen und die 240.000, die 2016 eintrafen, dazu das natürliche Wachstum von 77.000, dann hat die muslimische Bevölkerung einen Sprung von 1,117 Millionen gemacht und lag Ende 2016 bei schätzungsweise 6,262 Millionen. Das sind etwa 7,5 Prozent von Deutschlands Gesamtbevölkerung von 82 Millionen.
"Deutschlands christliches Erbe ist nicht verhandelbar", sagte Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. "Die Einführung von muslimischen Feiertagen kommt für uns nicht in Frage." CSU-Innenexperte Stephan Mayer fügte hinzu:
"Deutschland ist über Jahrhunderte durch die christliche Tradition geprägt und bestimmt worden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Übrigen gilt: Dass der Islam zu Deutschland gehört, lässt sich historisch durch nichts belegen und ist auch heute nirgendwo zu erkennen."
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber sagte: "Feiertage stehen vor allem für die religiöse Prägung eines Landes und nicht für einzelne Bevölkerungsgruppen. Deutschland hat unzweifelhaft eine christliche Prägung."
Der scheidende CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Wolfgang Bosbach erklärte:
"Wir haben eine christlich-jüdische religiöse Prägung, keine islamische. Daher verstehe ich auch nicht, warum wir jetzt diese Debatte führen. Ich würde etwas anderes thematisieren: Wann haben endlich Christen in allen islamischen Ländern die gleiche Religionsfreiheit wie die Muslime bei uns?"
Beatrix von Storch, die stellvertretende Vorsitzend der Alternative für Deutschland (AfD), twitterte: "CDU will muslimischen Feiertag. Das ist der Unterschied zur AfD: Wir sagen dazu: Nein! Nein! Nein!"
Das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) hingegen äußerte sich offen für die Idee der Einführung eines muslimischen Feiertags: "In einer multireligiösen Gesellschaft kann in Gegenden mit hohem Anteil an frommen Muslimen ein islamischer Feiertag hinzukommen, ohne dass die christliche Tradition unseres Landes verraten würde."
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erwiderte: " Ich bin tief bestürzt, ja fassungslos, dass sich jetzt auch noch die Spitze des Zentralkomitees der Katholiken für einen Islam-Feiertag ausspricht."
Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sagte, die Einführung eines staatlichen muslimischen Feiertags fördere die Integration. Solche Feiertage zeigten Muslimen, dass sie ein Teil Deutschlands seien und seien ein "Zeichen des Verständnisses untereinander für ein gutes und friedliches Zusammenleben."
Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz kritisierte CDU und CSU für deren Angriffe auf de Maizière: "Wir sollten über diesen Vorschlag nachdenken."
Der deutsch-türkische Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte, einen muslimischen Feiertag einzuführen sei unnötig. "Ich sehe keinen Handlungsbedarf. Muslime können sich heute schon an Feiertagen freinehmen. CDU und CSU sollten sich mit uns um die wichtigen Fragen kümmern, allen voran um exzellente Bildung für alle. So könnte der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden."
Laut dem Grundgesetz können alle 16 Bundesländer selbst entscheiden, welche religiösen Feiertage als staatliche gefeiert werden; die Bundesregierung hat also eigentlich dabei nicht mitzureden. Hamburg und Bremen etwa schlossen 2012 weitreichende Abkommen mit ihren jeweiligen muslimischen Gemeinden, um bei sich muslimische Feiertage einzuführen.
De Maizière ist inzwischen zurückgerudert. In einer am 17. Oktober veröffentlichten Erklärung sagte er, seiner Meinung nach gründe die deutsche Gesellschaft auf christlichen Wurzeln und das werde auch weiterhin so sein:
"Das war die Ausgangslage. Auf diesem Fundament habe ich einen Gedanken aufgegriffen, in Regionen mit einem sehr hohen Anteil von Muslimen über einen muslimischen Feiertag zu diskutieren. Dabei habe ich gleichzeitig festgestellt, dass es nach meiner Überzeugung dabei bleiben muss: Unsere Kultur und damit auch unsere Feiertage sind christlich geprägt und begründet. Daraus einen Vorstoß oder Vorschlag für einen muslimischen Feiertag zu machen, ist abwegig."
Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone Institute.