Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri hat die Nase voll. Vergangene Woche vollendete der Iran nach dem Rücktritt von Hariri, der Berichten zufolge nach Saudi-Arabien floh, seine Übernahme des Libanon.
Hariri, der die Hisbollah und deren iranische Unterstützer anprangerte, sagte, er fürchte um sein Leben. Hariri hat allen Grund, sich vor der Hisbollah, der mächtigen schiitischen Terrorgruppe und Bevollmächtigten des Iran, die die effektive Kontrolle im Libanon innehat, zu fürchten.
Hinweise deuten darauf hin, dass der Iran und die Hisbollah planen, ihre Kontrolle auch auf den Gazastreifen auszuweiten. Bereits jetzt unterstützt der Iran die Hamas mit finanziellen und militärischen Mitteln. Es ist eben jene Unterstützung des Iran, die der Hamas in den vergangenen zehn Jahren ermöglichte, im Gazastreifen an der Macht zu bleiben. Dem Iran ist es auch zu verdanken, dass sich die Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad, eine weitere im Gazastreifen ansässige Terrororganisation, im Besitz Tausender Raketen und Flugkörper befinden. Es ist Geld aus dem Iran, das es der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad ermöglicht, weiterhin Tunnel unter der Grenze zu Israel zu graben.
Die Beziehungen zwischen dem Iran und der Hamas haben sich in den vergangenen Wochen intensiviert. Letzten Monat besuchte eine hochrangige Hamas-Delegation Teheran, um an der Beerdigung des Vaters des obersten iranischen Sicherheitschefs, Qassem Soleimani, teilzunehmen. Ein paar Wochen zuvor war bereits eine andere Delegation führender Hamas-Vertreter in Teheran zu Besuch gewesen, um die iranische Führung über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der zwischen der Hamas und Mahmoud Abbas' Palästinensischer Autonomiebehörde (PA) erzielten "Versöhnungs"-Vereinbarung zu unterrichten.
Es war das erste Mal, dass Hamas-Vertreter den Iran besuchten, nachdem sich im Jahr 2011 die Beziehungen zwischen den beiden Seiten angespannt hatten. Damals brach der Iran seine Beziehungen zur Hamas ab, weil letztere sich weigerte, den syrischen Diktator Baschar Assad im Bürgerkrieg zu unterstützen. Die plötzliche Wiederannäherung zwischen der Hamas und dem Iran rief bei Abbas und den Beamten seiner Palästinensischen Autonomiebehörde Bedenken hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Hamas bei der Umsetzung der "Versöhnungs"-Vereinbarung hervor. Präsident Abbas und seine Führungsriege fragen sich, warum die Hamas nach Unterzeichnung des "Versöhnungs"-Übereinkommens unter Federführung der ägyptischen Behörden umgehend in die Arme des Iran eilte.
Der Iran und die Hisbollah sind keine Fans von Abbas und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Abbas hat panische Angst davor, dass die Hamas versucht, den Iran und dessen Erfüllungsgehilfen, die Hisbollah, in den Gazastreifen zu bringen.
Abbas und seine Palästinensische Autonomiebehörde brennen darauf, in den Gazastreifen zurückzukehren, die dortige Gegenwart des Iran stellt sie jedoch vor ein ernsthaftes Problem. Ebenso wie Hariri hätte Abbas allen Grund, um sein Leben zu fürchten, wenn die Hamas die Iraner und die Hisbollah in den Gazastreifen bringt.
Abbas' Furcht ist auch nicht unbegründet. Anfang der Woche gab ein führender Hamas-Offizieller, Musa Abu Marzouk, bekannt, dass seine Organisation und die Hisbollah an der Stärkung ihrer Beziehung arbeiten. "Die Beziehungen zwischen Hamas und Hisbollah sind nie abgebrochen", erklärte Abu Marzouk.
"Wir stehen in permanentem Kontakt und Einverständnis. Wir zogen es bislang jedoch vor, sie aus dem Licht der Öffentlichkeit heraus zu halten. Hamas und Hisbollah sind sich einig in ihrem Kampf gegen Israel, und wir koordinieren unsere Positionen im Hinblick auf die palästinensische Sache. Die Hamas wird auch weiterhin mit Widerstandsgruppen kooperieren, die den palästinensischen Widerstand unterstützen."
Die Allianz von Hamas und Hisbollah ist ein direktes Resultat der wiederaufgenommenen Beziehungen zwischen dem Iran und der Hamas. Mit Hilfe der Hisbollah ist es dem Iran gelungen, die Kontrolle über weite Teile Syriens zu übernehmen. Mit Hilfe der Hisbollah kontrolliert der Iran bereits den Libanon. Nun, da die Iraner die alleinige Kontrolle über den Libanon haben, werfen sie ihre begehrlichen Blicke auf den Gazastreifen. Sie wissen, dass der einzige Weg, Zugang zum Gazastreifen zu erlangen, durch die Tür der Hamas führt. Der Iran will, dass sich die Hisbollah im Gazastreifen etabliert. Die Hamas ihrerseits dürstet nach iranischen Ressourcen. Die Hamas weiss, dass sie dafür einen Preis zahlen muss: Sie muss dem Iran und der Hisbollah erlauben, im Gazastreifen Fuss zu fassen. Nach den Bemerkungen von Abu Marzouk zu urteilen, scheint die Hamas nur zu gerne bereit zu sein, diesen Preis zu zahlen.
Hariri, Abbas und viele andere sunnitisch‑arabische Länder, wie etwa Saudi-Arabien, fühlten sich von der Entspannungspolitik der Obama-Regierung gegenüber dem Iran betrogen – einer Politik, die die Iraner stärkte und ihnen grünes Licht gab, um sich in die internen Angelegenheiten arabischer Länder einzumischen und zu versuchen – wie offenbar bereits geschehen – einen "schiitischen Halbmond" von Persien über Jemen und jetzt Libanon, zu etablieren, der deutlich in Richtung Mittelmeer zielt.
Die sunnitischen Araber sind offensichtlich besonders besorgt wegen des zwischen der Obama-Regierung und dem Iran unterzeichneten Atomdeals. Sie finden, dass der Versuch der Obama-Administration, sich bei den Iranern einzuschmeicheln, das Land, das weltweit der grösste Terrorismusförderer ist, weiter gestärkt hat. Seither benutzt der Iran den Atomdeal, um Amerika zu bedrohen und versucht, die USA, deren Freunde und deren arabische Verbündete zu terrorisieren.
Abbas hat zahlreiche Gründe, um sich wegen der Allianz von Hamas und Hisbollah zu sorgen. Wie etwa diesen: ein kürzlich stattgefundenes Treffen in Beirut zwischen Hamas-Führer Saleh Arouri und Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Das Treffen war ein weiteres Zeichen für die Bemühungen der Hamas, den Weg für den Iran und die Hisbollah zu ebnen, um in den Gazastreifen zu gelangen und sich in die internen Angelegenheiten der Palästinenser einzumischen.
Die Hamas hat wiederholt betont, dass sie keinerlei Absicht hat, ihre Waffen niederzulegen, wie für die "Versöhnungs'-Vereinbarung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zugesichert. Die Hamas ist bereit, eine beschränkte zivile Kontrolle über den Gazastreifen an PA Präsident Mahmoud Abbas abzutreten, hat jedoch gleichzeitig klargemacht, sie werde weder ihren Sicherheitsapparat noch ihren militärischen Arm auflösen. Die Hamas will die Iraner und die Hisbollah in den Gazastreifen lassen, um ein Gegengewicht zu dem Druck durch Abbas und Ägypten und andere Länder zu schaffen, die die Entwaffnung und Übergabe der Kontrolle an Abbas fordern. Wenn Abbas je in den Gazastreifen zurückkehrt, wird er sich nicht nur inmitten der Hamas, sondern auch des Iran und der Hisbollah befinden, die ihn als Verräter und Marionette Israels und der USA betrachten.
Alarmiert von der erneuten Annäherung zwischen Hamas, Hisbollah und dem Iran zitierte Saudi-Arabien Anfang der Woche Abbas zu dringenden Gesprächen nach Riad. Die Saudis hatten die Besuche führender Hamas-Vertreter im Iran und bei der Hisbollah mit Besorgnis verfolgt und fürchten, Abbas stehe das gleiche Schicksal bevor wie Hariri.
Abbas täte gut daran, den Gazastreifen zu meiden: Iran und Hisbollah arbeiten gemeinsam mit der Hamas an der Schaffung einer "gemeinsamen Front" gegen Israel. Die Entscheidung der Hamas, sich dem Iran und der Hisbollah zuzuwenden, offenbart die Wahrheit: Sie ist nicht auf Mässigung und Pragmatismus aus, sondern auf das genaue Gegenteil. Dies lässt nichts Gutes ahnen für die Bemühungen der aktuellen Trump-Regierung, Frieden im Nahen Osten zu erreichen.
Wenn der Iran und die Hisbollah nicht daran gehindert werden, ihren Einfluss und ihre Kontrolle auf den Gazastreifen und andere arabische Länder auszudehnen, sind die Aussichten auf Frieden eher düster. Tatsächlich sind die Aussichten auf Krieg sehr viel naheliegender, während sich Iran, Hisbollah, Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad in der Mitte treffen, um ihre Pläne für den Krieg gegen Israel zu besprechen. Werden Iran und Hisbollah nicht gestoppt, heisst das, dass sich Abbas möglicherweise schon bald Seite an Seite mit Hariri in Saudi-Arabien verstecken wird.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.