Während Protesten im Westjordanland wurden kürzlich zwei palästinensische Journalistinnen geschlagen. Die beiden Frauen, Lara Kan'an und Majdoleen Hassona, wurden von Sicherheitsbeamten der Palästinensischen Autonomiebehörde angegriffen, während sie über die palästinensischen Demonstrationen berichteten, die Präsident Mahmud Abbas dazu aufriefen, die wirtschaftlichen Sanktionen, die er im vergangenen Jahr über den Gazastreifen verhängt hat, aufzuheben.
Die tätlichen Angriffe auf Kan'an und Hassona werden von Palästinensern als Teil der andauernden Bemühungen der Palästinensischen Autonomiebehörde gesehen, Kritiker zum Schweigen zu bringen und Journalisten, die nicht "spuren", einzuschüchtern. Die Prügelattacken, die unabhängig voneinander in den Siedlungen Nablus und Tulkarem im Westjordanland erfolgten, stellen einen neuen Höhepunkt des Angriffs auf öffentliche Freiheiten durch die palästinensische Führung dar: Eine arabische Frau auf der Strasse anzugreifen wird als höchstmögliche Demütigung für sie und ihre Familie betrachtet.
Während solche Angriffe Proteste bei den Palästinensern hervorrufen, spielen die internationale Gemeinschaft und westliche Korrespondenten, die über den israelisch-palästinensischen Konflikt berichten, weiterhin das Spiel "Habe-nichts-gesehen". Werden die Vergehen von Palästinensern begangen, können sie aus der Perspektive internationaler Menschenrechtsorganisationen und Gruppen, die angeblich um die Freiheit der Medien besorgt sind, buchstäblich mit Mord davonkommen. Wie wäre die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Presse wohl ausgefallen, fragt man sich, wären die beiden palästinensischen Frauen von israelischen Soldaten grob behandelt worden.
Aber Kan'an und Hassona haben einfach Pech. Ihre Misere wird nicht auf den Titelseiten der New York Times oder des Guardian ausgebreitet werden, denn die Männer, von denen sie geschlagen wurden, sind Palästinenser, und keine Israelis. Hätten israelische Soldaten diese Journalistinnen auch nur angeschrien, hätten Vertreter westlicher Menschenrechtsorganisationen und der wichtigsten Zeitungen schon längst an ihre Türen geklopft und eine Rechtfertigung dafür verlangt, warum sie friedliche Frauen, die nur ihre Arbeit machten, misshandelt haben.
Nun zu den Einzelheiten der Angriffe. Der erste Vorfall ereignete sich in Tulkarem am 28. Juni, als Hassona eintraf, um über eine palästinensische Demonstration zu berichten, bei der Abbas dazu aufgerufen werden sollte, die Sanktionen gegen den Gazastreifen aufzuheben. Videos, die in sozialen Medien gepostet wurden, zeigen, wie palästinensische Sicherheitsbeamte in Zivil Hassona tätlich angreifen und dabei versuchen, sie vom Aufzeichnen und Filmen des Anti-Abbas-Protests abzuhalten.
Einer ihrer Freunde, Ahmed Al-Dabash, beschrieb die Angreifer als "Schläger, die zur Mukata [dem Präsidialsitz von Mahmud Abbas] in Ramallah gehören."
Hassona beschrieb ihre Erlebnisse später in einem Interview mit einer palästinensischen Nachrichtenseite:
"Am Ende der Demonstration gab es einige Probleme zwischen den Demonstranten und der Polizei. Ich befand mich in einer Gruppe Journalisten, die versuchten, sich dem Bereich zu nähern, um herauszufinden, was los war. Ein Mann, wie ich glaube ein Polizeibeamter in Zivil, trat auf mich zu und wies mich an, das Filmen einzustellen. Ich sagte ihm, ich sei Journalistin und filmte weiter. Dann kam ein weiterer Mann hinzu und versuchte mir die Kamera zu entreissen. Dann begann er mich zu schlagen und zu bedrohen."
Hassona, eine erfahrene, freiberuflich tätige Investigativ-Journalistin, sagte, der Angriff habe sie nicht überrascht. Sie sagt, sie stehe seit dem 12. Juni unter Überwachung der palästinensischen Sicherheitskräfte, dem Tag, an dem sie nach ihrer Heimkehr von einer Reise in die Türkei vorübergehend festgenommen und befragt worden war.
"Sie befragten mich über meine journalistische Arbeit, sie wollten wissen, warum ich so häufig nach Istanbul reise. Ich sagte ihnen, es sei normal, dass Journalisten reisen und dass ich in der Türkei studiere. Seither bin ich jedoch einer Schmierenkampagne in sozialen Medien durch Personen ausgesetzt, die mit den palästinensischen Sicherheitskräften im Westjordanland in Verbindung stehen. Ich wurde beschuldigt, bei den Anti-Abbas-Protesten mitzumachen und es wurde sogar behauptet, ich sei eine Agentin der Hamas. Das stimmt natürlich nicht."
Der zweite Vorfall ereignete sich in Nablus am 30. Juni, ebenfalls während eines Protestes gegen die Sanktionen von Abbas gegen den Gazastreifen, und diesmal traf es Lara Kan'an. Ihr widerfuhr Ähnliches wie ihrer Kollegin Hassona. Auf Facebook gepostete Videos zeigen den Moment, als Kan'an und weitere Demonstranten von Männern in Zivil angegriffen werden, die man für Sicherheitsbeamte oder Aktivisten hält, die zur regierenden Fatah-Fraktion von Abbas gehören. Sie nahmen ihr ausserdem ihr Handy ab und gaben es erst zurück, nachdem sie das Video und die Fotos, die sie während des Protests aufgenommen hatte, gelöscht hatten.
Kan'an berichtete, dass, als sie sich zunächst weigerte, ihr Handy einem Sicherheitsbeamten zu übergeben, ein weiterer Polizist zu ihr gekommen sei, der sie auf den Arm geschlagen und ihr das Gerät mit Gewalt aus der Hand gerissen habe. Sie sagte, zwei weitere Männer in Zivil hätten sie von hinten angegriffen, wobei einer sie an den Haaren gezogen und der andere sie auf die linke Schulter geschlagen habe. Kan'an wurde in das nahegelegene Rafidiyeh-Krankenhaus gebracht, wo eine Röntgenuntersuchung Prellungen an Hals und Schulter zeigte.
Einige palästinensische Menschenrechtsorganisationen verurteilten die Angriffe rasch und riefen die palästinensische Führung dazu auf, Journalisten nicht länger ins Visier zu nehmen.
Das Palestinian Center for Development and Media Freedoms (MADA) verurteilte die Angriffe und äusserste sich tief besorgt über die "zunehmenden Angriffe auf Journalisten [seitens der palästinensischen Sicherheitskräfte] in einer Art, die insbesondere für Journalistinnen alarmierend und verstörend ist." Die Gruppe wies darauf hin, dass sich das gleiche Szenario kürzlich in mehreren palästinensischen Städten wiederholt habe. "MADA verlangt von allen öffentlichen Stellen, alle Angriffe zu untersuchen und die Ergebnisse zu veröffentlichen sowie die Täter und die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen und Massnahmen zu ergreifen, damit so etwas nicht wieder vorkommt", gab die Gruppe in einer Stellungnahme bekannt.
Das Palestinian Journalists Syndicate im Westjordanland, eine von Fatah-Anhängern dominierte Organisation, gab ebenfalls eine Stellungnahme heraus, in der die Angriffe verurteilt wurden und die palästinensische Führung dazu aufgefordert wurde, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Palästinensische Journalisten haben sich allerdings inzwischen daran gewöhnt, von dieser Institution nur Lippenbekenntnisse zu hören, da sie offen Abbas und dessen Verbündete unterstützt und der Palästinensischen Autonomiebehörde als Sprachrohr dient.
Die Scheinheiligkeit des Palestinian Journalists Syndicate ist dabei noch zu verstehen.
Schwerer ist es jedoch, das Verhalten der ausländischen Medien und der internationalen Menschenrechtsgruppen zu verstehen, die im Grunde den Machtbereich von Abbas unterstützen, indem sie seine Brutalität ignorieren.
Die Wahrheit ist, dass die Palästinensische Autonomiebehörde schon seit langem wie eine Diktatur agiert, die die Redefreiheit unterdrückt und eine Herrschaft des Terrors und der Einschüchterung über palästinensische Journalisten und Kritiker ausübt.
Heute sind die palästinensischen Journalisten Opfer von Unterdrückung und Gewalt. Morgen werden es ausländische Journalisten sein, die diese Angriffe sehen, sich aber weigern, sie zu thematisieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein westlicher Journalist auf den Strassen einer palästinensischen Stadt verprügelt wird. Und wenn das geschieht, müssen die internationalen Medien und Menschenrechtsgruppen die Antworten bei sich selbst und ihrem voreingenommenen und unprofessionellen Verhalten suchen.
Bassam Tawil ist Muslim und lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten.