Im Bild: Der Ort der Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020. (Foto: STR/AFP via Getty Images) |
Mehr als vier Monate sind seit der gewaltigen Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut vergangen, und viele Libanesen fordern Antworten auf die Rolle der vom Iran unterstützten Terrororganisation Hisbollah bei dem Massaker im Hafen. Ausserdem fordern sie ein Ende der iranischen Besatzung des Libanon.
Am 4. August explodierte eine grosse Menge Ammoniumnitrat, das im Hafen von Beirut gelagert war, und verursachte mindestens 204 Tote, 6.500 Verletzte und einen Sachschaden von 15 Milliarden Dollar. Schätzungsweise 300.000 Menschen wurden obdachlos.
Viele der politischen und zivilen Gegner der Hisbollah beschuldigten die Terrororganisation, die gefährliche Chemikalien gelagert zu haben. Eine von der libanesischen Regierung eingesetzte Untersuchungskommission hat bisher keine befriedigenden Antworten geliefert, was viele Libanesen dazu veranlasste, eine internationale Untersuchung zu fordern. Die Hisbollah leugnete die Verantwortung und drohte kürzlich, diejenigen zu verklagen, die sie beschuldigten, hinter der Explosion zu stecken.
Das Dementi von Hisbollah hat jedoch viele Libanesen nicht überzeugt und sie sagen, dass sie von den Lügen der Terrororganisation die Nase voll haben. Am 5. Dezember gingen libanesische Demonstranten auf die Strasse, skandierten "Hisbollah die Terroristen" und stellten Fragen zu ihrer Rolle bei der Explosion.
"Wir Libanesen sollten mit [Hisbollah-Generalsekretär] Hassan Nasrallah dasselbe tun, was die Libyer mit [dem getöteten libyschen Diktator] Gaddafi getan haben: Auf sein Gesicht treten und es zerquetschen", schrieb das Beirut Journal auf Twitter.
Ein Hashtag mit dem Namen "Hisbollah ist Terror", der seit kurzem auf Twitter und anderen Social-Media-Plattformen läuft, beschuldigt die Terrororganisation, den Libanon zu übernehmen und zu zerstören, um den Interessen des Iran zu dienen. Unter dem Hashtag werden ausserdem Hisbollah-Terroristen beschuldigt, friedliche Demonstranten in verschiedenen Teilen des Libanon zu verprügeln und einzuschüchtern.
"Was hat Nasrallah dem libanesischen Volk angetan?", fragte die libanesische Social-Media-Nutzerin Martine J. Zaarour. "1. Unser Volk umgebracht. 2. Unser Geld gestohlen. 3. Beirut zerstört. 4. Es auf die Terroristenliste gesetzt. 5. Führte Krieg mit Israel. 6. Priorisierte Palästinenser und Syrer. 8. Hat uns mit illegalen Waffen gedroht."
Einige libanesische Bürger spotteten über die Drohung der Hisbollah, diejenigen zu verklagen, die sie für die Hafenexplosion verantwortlich machen. "Wenn die Hisbollah auf die Justiz zurückgreift, bedeutet das, dass sie dem libanesischen Staat vertraut", bemerkte der libanesische politische Aktivist Charbel Frem. "Warum also übergibt die Hisbollah ihre Waffen nicht an den Staat?"
Nizar Salloum, ebenfalls aus dem Libanon, schrieb daraufhin: "Die Hisbollah vertraut der Justiz, die sie mit ihren Waffen kontrolliert."
Obwohl die libanesische Regierung eine Untersuchungskommission zur Hafenexplosion eingesetzt hat, fragen sich viele Libanesen, warum die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht wurden. Sie sind überzeugt, dass die libanesische Regierung Angst hat, mit dem Finger auf die Hisbollah zu zeigen.
"Vier Monate sind vergangen", bemerkte Larissa Aoun, eine libanesische Reporterin von Sky News Arabia. "Wo ist die Untersuchung? Wo ist die Gerechtigkeit? Wer ist verantwortlich? Wir werden nicht vergessen."
Alarmiert durch die wachsende Kritik an der Präsenz der Hisbollah als Staat-im-Staat im Libanon und die Behauptungen über ihre Verantwortung für die Explosion in Beirut, hat die Terrororganisation begonnen, Journalisten zu beschimpfen und einzuschüchtern, die es wagen, ihre Stimme zu erheben.
Die Journalistin Maraim Seif wurde kürzlich in ihrem Haus von Hisbollah-Terroristen angegriffen, weil sie die Terrororganisation wiederholt kritisiert hatte.
"Die 'Widerstandskämpfer' der Hisbollah haben sich offiziell in Schläger verwandelt", kommentierte die libanesische Moderatorin Dima Sadek. "Diese Widerstandskämpfer griffen die Aktivistin, Journalistin und Freundin Mariam Seif und ihre Familie an, schlugen sie und drohten, sie zu töten. Mariam wurde angegriffen, weil sie Artikel schrieb, in denen sie die Hisbollah angriff."
Auch Sadek selbst wurde von Hisbollah-Schlägern ins Visier genommen, weil sie Proteste gegen die Terrororganisation unterstützte. Sie trat kürzlich von der Lebanese Broadcasting Corporation International zurück, nachdem sie Drohungen von der Hisbollah erhalten hatte.
"Der Libanon wird von einer bewaffneten Miliz und einer korrupten Mafia regiert", sagte Serge Dagher, Generalsekretär der libanesischen Partei Kataeb. "Keine Veränderung kann in diesem Land erreicht werden, es sei denn, man hält Parlamentswahlen ab und ändert die herrschende Autorität als Ganzes sowie die Mafia und Miliz, die das Land in der letzten Zeit beherrscht hat." Er beschuldigte die libanesische Regierung, die Explosion im Beiruter Hafen falsch gehandhabt zu haben und wies darauf hin, dass keiner der libanesischen Offiziellen auf die Strasse gegangen ist und das Volk unterstützt hat.
Das Versäumnis der libanesischen Behörden, die Identität der Verantwortlichen für die Explosion zu enthüllen, hat mehrere libanesische Politiker, politische Aktivisten und Journalisten dazu veranlasst, das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft zu fordern.
Samir Geagea, Vorsitzender der Lebanese Forces, einer christlichen politischen Partei, drohte damit, den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) anzurufen, wenn die Ermittlungen der libanesischen Regierung zur Explosion im Hafen nicht zu klaren Ergebnissen führen. "Wir werden zum Internationalen Strafgerichtshof gehen, um die Wahrheit und die Umstände dieses Verbrechens aufzudecken", so Geagea.
In einem offensichtlichen Versuch, die Aufmerksamkeit von der Explosion im Hafen abzulenken, behauptete die Hisbollah am 5. Dezember, dass eine ihrer unbemannten Drohnen über Galiläa in Nordisrael geflogen sei. Die Behauptung kam zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Libanon in einer tiefen Wirtschaftskrise befindet und inmitten wachsender Empörung im Land über die Verantwortung der Hisbollah für die Katastrophen, die dem libanesischen Volk in den letzten Jahrzehnten widerfahren sind.
Die Libanesen sind extrem blauäugig, wenn sie glauben, dass die internationale Gemeinschaft sich ihre Beschwerden anhören oder sich einmischen wird, um die Hisbollah und ihre Herren im Iran davon abzuhalten, den Libanon zu zerstören. Sie sind auch schrecklich naiv, wenn sie glauben, dass sich irgendjemand in der internationalen Gemeinschaft für die Angriffe und Drohungen gegen libanesische Journalisten und Aktivisten interessiert, die Kritik an der Hisbollah üben oder ein Ende der iranischen Besetzung des Libanon fordern.
Die internationale Gemeinschaft hat dringendere Probleme im Kopf: Israel. Anfang des Monats hat die UNO-Vollversammlung fünf pro-palästinensische und anti-israelische Resolutionen verabschiedet.
Die Libanesen, die ihre Angehörigen oder ihre Häuser in der Hafenexplosion verloren haben, interessieren sich aber nicht für Israel.
In der Tat sind solche Resolutionen sogar schädlich für die Libanesen, weil sie die Aufmerksamkeit der Welt wie immer nur auf Israel richten. Die UNO wird den Familien der Opfer der Libanon-Explosion keine Unterstützung oder Antworten geben, weil ihre Mitglieder Tag und Nacht damit beschäftigt sind, Resolutionen gegen Israel zu verabschieden. Der einzige Schritt, der den Libanesen bleibt, ist die Revolte gegen die Terrororganisation, die ihr Land in eine militärische und politische Basis für die Mullahs in Teheran verwandelt hat.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist aus Jerusalem.