Ägypten entsandte einen Hilfskonvoi mit Baggern, Lastwagen und Kränen für den Wiederaufbau des Gazastreifens. Rafah-Grenzübergang zwischen Ägypten und Gaza am 4. Juni 2021. (Foto: Said Khatib/AFP via Getty Images) |
Im vergangenen Monat gelang es Ägypten, einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln. Seitdem war Ägypten jedoch nicht in der Lage, eine Vereinbarung zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde über den Wiederaufbau von Gebäuden und Häusern zu erreichen, die während des 11-tägigen Konflikts zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas zerstört wurden.
Ägypten hat sich nach der jüngsten Runde der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas bemüht, den Palästinensern im Gazastreifen zu helfen.
Erstens hat der ägyptische Präsident Abdel Fattah Sisi 500 Millionen Dollar zugesagt, um zum Wiederaufbau beizutragen. (Katar hat eine ähnliche Summe zugesagt, um den Wiederaufbau des Gazastreifens zu unterstützen).
Ausserdem schickte Ägypten den Leiter seines Allgemeinen Nachrichtendienstes, Abbas Kamel, in den Gazastreifen und das Westjordanland zu Gesprächen mit Führern der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde über den Wiederaufbauplan.
Drittens schickte Ägypten Dutzende von Bulldozern, Kränen und Technikern in den Gaza-Streifen, um beim Wiederaufbau zu helfen.
Und viertens lud Ägypten Vertreter verschiedener palästinensischer Fraktionen, einschliesslich der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas, zu Gesprächen nach Kairo ein, um den Palästinensern im Gazastreifen zu helfen, welche bei den Kämpfen mit Israel ihre Häuser verloren hatten. Ägypten hoffte zweifellos auch, dass die Fraktionsführer endlich eine Einigung über die Beendigung des Streits zwischen der Hamas und der Fatah-Fraktion von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas erzielen würden.
Am 10. Juni teilten die Ägypter den palästinensischen Fraktionen mit, das Treffen das in Kairo unter der Schirmherrschaft von Beamten des ägyptischen Allgemeinen Geheimdienstes stattfinden sollte, bis auf weiteres zu verschieben. Die Entscheidung, das Treffen in letzter Minute abzusagen kam, nachdem die Vertreter der palästinensischen Fraktionen bereits in Kairo eingetroffen waren.
Der Schritt Ägyptens zur Verschiebung kam laut Berichten verschiedener arabischer Medien vor dem Hintergrund eines scharfen Streits zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas darüber, welche Partei für den Wiederaufbau des Gazastreifens verantwortlich sein soll.
Aus Sicht der Palästinensischen Autonomiebehörde muss sie die einzige Organisation sein, die für den Wiederaufbau zuständig ist, und alle Mittel müssen über ihre Regierung geleitet werden. Die Hamas hingegen besteht darauf, dass die Gelder der internationalen Gemeinschaft direkt in ihre Kassen fliessen.
Die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas bekunden damit, dass sie einander nicht vertrauen, was die Hunderte von Millionen Dollar angeht, die von Ägypten und anderen Ländern als Beitrag zum Wiederaufbau des Gazastreifens versprochen wurden.
"Der Palästinensischen Autonomiebehörde kann man die Mittel für den Wiederaufbau nicht anvertrauen, und sie will dem Gazastreifen nicht helfen", sagte der palästinensische politische Analyst Eyad al-Qarra. "Die Palästinensische Autonomiebehörde existiert, um das Blut des palästinensischen Volkes auf wirtschaftlicher Ebene auszusaugen, und sie will auf Kosten des Leidens unseres Volkes profitieren und ihr Budget aufbessern."
Azzam al-Ahmed, ein hochrangiger Fatah-Funktionär, sagte, seine Partei habe die Ägypter darüber informiert, dass der Wiederaufbau unter der Aufsicht der Palästinensischen Autonomiebehörde erfolgen müsse. Ahmed beschuldigte die Hamas, eine "Medienkampagne" gegen die Palästinensische Autonomiebehörde in einer Weise zu führen, die "der nationalen Einheit schadet und die Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde" beim Wiederaufbau des Gazastreifens ignoriert.
Die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas haben guten Grund, sich gegenseitig zu verdächtigen. Sie sind seit 2007 zerstritten, als die Hamas einen gewaltsamen Putsch gegen die Palästinensische Autonomiebehörde inszenierte und die Kontrolle über den Gaza-Streifen übernahm.
Beide Seiten sind zudem seit langem mit Vorwürfen (von Palästinensern) der finanziellen Korruption und des falschen Umgangs mit öffentlichen Geldern konfrontiert.
Der Streit zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas um das Geld für den Wiederaufbau löste bei verschiedenen Palästinensern und Arabern heftige Kritik aus. Sie warfen den beiden Parteien vor, ihre eigenen Interessen auf Kosten des palästinensischen Volkes in den Vordergrund zu stellen und äusserten die Befürchtung, dass die Kontroverse die Geber davon abhalten würde, den Wiederaufbau des Gazastreifens zu unterstützen.
Ein Teil der Palästinenser startete eine "Volkskampagne", in der sie die Golfstaaten aufforderten, der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrem Präsidenten Mahmoud Abbas kein Geld für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu geben, "wegen der grassierenden Korruption und Plünderung von Spendengeldern".
"Die Sympathisanten, die bereit sind zu spenden, fragen, wer die Mittel für den Wiederaufbau bekommt", bemerkte der emiratische Politikanalyst Mohammed Yousef.
"Sie [die Spender] vertrauen der Hamas nicht, die in Korruption und Diskriminierung der Bewohner des Gazastreifens versunken ist. Die Bewohner wissen, dass der Grossteil der Gelder auf geheimen [Bank-]Konten der Hamas und ihrer Führer und für die Durchführung von Schmuggelaktivitäten landen wird. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die sehr korrupt ist, will die Verantwortung für die Wiederaufbauprojekte haben und ihre Führer wollen das ganze Geld."
Die saudische Autorin Nora Shanar sagte, sie sei dagegen, den vom Iran unterstützten palästinensischen Terrorgruppen Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad im Gazastreifen Geld zu geben. Die beiden Gruppen, fügte sie hinzu, "führen [palästinensische] Jugendliche im Auftrag des Irans ins Verderben."
"Die Palästinenser müssen diese iranische Besatzung in Palästina entfernen, damit sie in Frieden leben können. Die Muslime werden nicht dazu übergehen, ihr Geld an sie zu spenden. Die terroristischen Organisationen wollen die Araber und Muslime täuschen."
Die Fehde um die Wiederaufbaugelder zeigt einmal mehr die völlige Gleichgültigkeit der palästinensischen Führer gegenüber dem Wohlergehen ihres Volkes. Den Führern der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas geht es nur um eines: ihre eigenen Kassen mit Geldern zu füllen, die eigentlich für notleidende Palästinenser vorgesehen sind. Der Streit zeigt auch, dass das erneute Gerede der Biden-Administration über eine "Zwei-Staaten-Lösung" eine Illusion ist: Die Palästinenser können sich nicht einmal darauf einigen, Wahlen abzuhalten oder zerstörte Gebäude für ihr eigenes Volk wieder aufzubauen.
Nach den Reaktionen vieler arabischer und muslimischer Nutzer sozialer Medien zu urteilen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass die arabischen und islamischen Länder bereit sein werden, ihr Geld in die Hände der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas zu legen. Die Palästinenser zahlen wieder einmal den Preis für die Inkompetenz und Korruption ihrer eigenen Führer.
Die Botschaft, die die Araber und Muslime an die Biden-Administration und andere westliche Geldgeber senden: Hört auf, korrupte und gescheiterte palästinensische Führer mit Geld zu überhäufen, deren Geschäftsgrundlage die Veruntreuung internationaler Gelder ist. Die Palästinenser brauchen nicht so sehr Geld, sondern neue Führer, deren Engagement für das Wohlergehen ihres Volkes grösser ist als ihr Interesse am eigenen Portemonnaie.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist.