Die Einstellung der französischen Justiz zum Mord an dem 89-jährigen René Hadjadj ist ähnlich wie zu allen Morden an Juden in Frankreich, und zwar seit Jahrzehnten. Zunächst sagen die Behörden immer so rasch wie möglich, dass der Mord an dem Juden auf keinen Fall antisemitisch motiviert war. Wenn sich die Beweise für das Gegenteil häufen und nicht mehr zu leugnen sind, wird das antisemitische Motiv vielleicht nur widerwillig anerkannt. Im Bild: Der Stadtteil La Duchère in Lyon, Frankreich, in dem Hadjadj am 17. Mai ermordet wurde (Bildquelle: Jeanne Menjoulet/Flickr) |
Lyon, Frankreich. 17. Mai 2022. Ein Viertel namens La Duchère. René Hadjadj, ein 89-jähriger Jude, wurde von einem Balkon im 17. Stock gestürzt – eine Tat, die sich schnell als Mord herausstellte. Der Mörder war Rachid Kheniche, ein 51-jähriger muslimischer Araber mit einem Twitter-Account, der zahlreiche antisemitische Botschaften enthielt. Der Staatsanwalt, der seinen Standpunkt inzwischen teilweise revidiert hat, erklärte sofort, dass es sich bei dem Mord nicht um ein antisemitisches Verbrechen handelte. Die Mainstream-Medien haben nie über den Mord berichtet, nur die lokalen jüdischen Zeitungen. Hadjadjs Familie, die im selben Viertel wohnt, zog es vor zu schweigen.
Journalisten haben die Situation der Juden in Vierteln wie La Duchère analysiert. Die Antworten der Familien, mit denen sie zusammentreffen, sind immer die gleichen: ständige Schikanen und Drohungen von Seiten der Muslime. Die Familien fügen hinzu, dass die Situation von Christen und Nicht-Muslimen ziemlich gleich ist: Nicht-Muslime, die die Mittel haben, zu gehen, fliehen in sicherere Viertel. Diejenigen, die bleiben, sind diejenigen, die sich einen Umzug nicht leisten können. Vor allem Juden sind gefährdet. Eine Journalistin, Noémie Halioua, hat kürzlich ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht: Les uns contre les autres ("Die einen gegen die anderen").
La Duchère gehört zu den Bezirken, die von der französischen Regierung als "Zone Urbaine Sensible" ("sensible städtische Zone") definiert wurden. Diese Bezirke sollten eigentlich "No-Go-Zonen" genannt werden, aber die französischen Behörden und die französischen Mainstream-Medien behaupten, dass es in Frankreich keine "No-Go-Zonen", die über das ganze Land verstreut sind, gibt. Die Polizei hat jedoch bis jetzt 751 solcher Zonen identifiziert.
Sie werden fast ausschließlich von arabischen und afrikanischen Muslimen bewohnt, die zusammenleben und ihre eigenen Regeln und Verhaltensregeln haben. Muslimische Banden berauben und attackieren dort zum Beispiel nicht andere Muslime. Diese "sensiblen städtischen Zonen" sind halbautonome islamische Enklaven auf französischem Gebiet. Sie werden von muslimischen Banden betrieben, und das dort herrschende Recht ist im Wesentlichen das Recht der Banden und radikalen Imame.
Der Rest des Landes bleibt Frankreich, aber wer im Rest des Landes lebt, weiß, dass er von Menschen aus "sensiblen städtischen Zonen" angegriffen werden kann und dass die Angreifer gute Chancen haben, ungestraft zu bleiben. Raubüberfälle, schamlose Attacken und Morde nehmen in allen französischen Städten rapide zu und können bisweilen barbarisch sein. Am 10. Mai zum Beispiel saß der Arzt Alban Gervaise auf einer Bank vor einer katholischen Schule in Marseille und wartete auf seine Kinder, als er von einem Mann abgeschlachtet wurde, der sagte, er handle "im Namen Allahs". Die anderen Anwesenden, die vor Angst wie gelähmt waren, reagierten nicht: Sie schilderten der Polizei lediglich, was sie gesehen hatten. In der Presse wurde der Mord kaum erwähnt. Verbrechen dieser Art kommen immer häufiger vor.
Die Polizei betritt die "sensiblen städtischen Zonen" kaum noch, und die französische Regierung fordert die Polizei auf, sich so selten wie möglich dorthin zu begeben. Wenn Bandenmitglieder in diesen Vierteln eine Straftat begehen und von der Polizei verfolgt werden, vertrauen die Bandenmitglieder darauf, dass die Polizei am Rande des Viertels stehen bleibt, es aber nicht betritt. Sie gehen auch davon aus, dass das Viertel in Flammen aufgeht, wenn eines der Bandenmitglieder von der Polizei verletzt oder getötet wird, und dass einer von ihnen, wenn er verhaftet wird, schnell von einem Richter freigelassen wird. Seit die Unruhen Frankreich 2005 an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht haben, wissen die verschiedenen französischen Regierungen, dass "sensible städtische Gebiete" schnell explodieren können. In letzter Zeit verging in Frankreich kein Jahr, in dem es nicht zu Krawallen kam.
Nur wenige antisemitische Straftaten in "sensiblen städtischen Gebieten" werden von den Behörden registriert: Kleinere Straftaten, die gegen Juden begangen werden, führen fast nie dazu, dass die Opfer Anzeige erstatten. Die Menschen, die in diesen Gebieten leben, fürchten zu Recht, dass eine Anzeige zu Repressalien gegen sie oder ihre Familien führen würde. Hadjadj ist der erste französische Jude, der in einer "sensiblen städtischen Zone" ermordet wurde, und die Einstellung der französischen Justiz zum Mord an ihm ist ähnlich wie zu allen Morden an Juden in Frankreich, und zwar seit Jahrzehnten. Zunächst sagen die Behörden immer so rasch wie möglich, dass der Mord an dem Juden auf keinen Fall antisemitisch motiviert war. Wenn sich die Beweise für das Gegenteil häufen und nicht mehr zu leugnen sind, wird das antisemitische Motiv vielleicht widerwillig anerkannt – wie bei der Entführung, Folterung und Ermordung von Ilan Halimi im Jahr 2006, dem Mord an Sarah Halimi im Jahr 2017 und dem Mord an Mireille Knoll im Jahr 2018.
Dass die Mörder in der Regel Muslime sind, bestärkt die französische Justiz darin, nicht von Antisemitismus zu sprechen. In der Tat ist es in Frankreich fast ein Tabu, über muslimischen Antisemitismus zu sprechen: Man geht davon aus, dass muslimischer Antisemitismus nicht existiert. Alle Organisationen, die sich der Bekämpfung des Antisemitismus verschrieben haben, zielen ausschliesslich auf die "Rechtsextremen" ab, obwohl alle Angriffe und Morde an Juden von Muslimen begangen wurden.
Die französischen Behörden sind sehr vorsichtig, wenn es um den Islam geht. Sie vermeiden jegliche Äußerung, die auch nur den Anschein erwecken könnte, Muslime zu beleidigen. Wenn ein antisemitischer Mord geschieht, bringen die Behörden ihre Trauer und Empörung zum Ausdruck und gehen dann zum courant normal über. Der französische Präsident Emmanuel Macron reagierte auf den Mord an Sarah Halimi am 4. April 2017 erst am 16. Juli 2017, also mehr als drei Monate später. Er sagte lediglich, das Gericht solle "die Angelegenheit aufklären". Ein Jahr später, am 28. März 2018, fünf Tage nach der Ermordung von Mireille Knoll, sagte Macron, sie sei "getötet worden, weil sie Jüdin war" und ein Opfer von "barbarischem Obskurantismus". Noch am selben Tag versammelten sich Tausende von Menschen in Paris zu einer Demonstration gegen Antisemitismus. Dann gingen sie wieder nach Hause.
Die französischen Behörden verschweigen, dass "sensible städtische Gebiete" oft von muslimischen Banden kontrolliert werden. Am 3. Oktober 2018 sagte der französische Innenminister Gérard Collomb vorsichtig: "Heute leben wir Seite an Seite, aber ich fürchte, dass wir morgen von Angesicht zu Angesicht leben werden". Etwas mehr als zwei Jahre später, am 29. Januar 2021, räumte sein Nachfolger im Innenministerium, Gérald Darmanin, ein, dass "Fehler" bei der "Stadtplanung" und der "Zuweisung von Sozialwohnungen" gemacht worden seien und wahrscheinlich zu einer "islamistischen Verseuchung" geführt hätten. Er unternahm praktisch nichts, um die Situation zu verbessern. Die Zahl der "sensiblen städtischen Zonen" ist heute die gleiche wie zu seiner Zeit: 751. Im Jahr 2020 gab es 540 islamistische Moscheen, die den Dschihad in Frankreich predigten; im Jahr 2021 wurden nur 22 von ihnen geschlossen.
Die Folge ist, dass die Kriminalität im ganzen Land deutlich anzusteigen scheint. Zwischen 2020 und 2021 nahmen sexuelle Übergriffe um 33 %, Körperverletzungen und Überfälle um 12 % und Tötungsdelikte um 4 % zu.
Die französischen Behörden und die Mainstream-Medien beschreiben die Kriminalität, erklären sie aber nicht – was bedeutet, dass die Kriminalität steigt, aber nicht bekämpft wird. In Frankreich sind 70 % der Häftlinge Muslime, während sie offiziell nur 8 % der Bevölkerung ausmachen, und fast alle inhaftierten Muslime aus den "sensiblen städtischen Gebieten" stammen. Diese Fakten könnten den Verantwortlichen helfen, das Problem zu verstehen, aber die französische Regierung hat es abgelehnt, die Religion oder Rasse von Personen zu dokumentieren, die wegen eines Verbrechens angeklagt sind. Auch wenn diese Weigerung gut gemeint sein mag, verhindert sie doch jegliches Verständnis des Geschehens und damit auch die Möglichkeit, dagegen vorzugehen oder es zu verhindern.
Das Ergebnis ist, dass Frankreich heute religiös, ethnisch und geografisch gespalten ist.
Seit mehr als 20 Jahren wissen diejenigen, die gewählt wurden, um Frankreich zu regieren, wie die Lage ist, aber sie haben nichts getan, um sie zu verbessern. Sie haben der vorsätzlichen Blindheit nur Maßnahmen hinzugefügt, von denen sie sich wohl erhofften, dass sie die Ruhe wiederherstellen würden, die aber eine bereits verschlechterte Situation nur noch weiter verschlimmerten. Sie haben Hunderte von Millionen Euro in die "sensiblen städtischen Zonen" gesteckt , um zahlreiche "Kulturvereine" zu subventionieren und Gebäude zu renovieren. Das Geld landete oft in den Taschen korrupter Politiker und Bandenchefs, die damit noch mehr Leute bezahlten, die sich an den kriminellen Aktivitäten beteiligten, die sie zu Bandenchefs gemacht hatten. Die renovierten Gebäude verfielen bald wieder.
Die Möglichkeit eines politischen Wandels, der es Frankreich erlauben würde, dem sich abzeichnenden "großen Austausch" zu entgehen, scheint nahezu ausgeschlossen. Die Zahl der Muslime, die sich in Frankreich niederlassen und die französische Staatsbürgerschaft annehmen, nimmt ständig zu (jedes Jahr kommen etwa 400.000 Einwanderer aus der muslimischen Welt nach Frankreich, und die Geburtenrate der Muslime in Frankreich ist höher als die der Nicht-Muslime). Die Stimme der Muslime hat ein solches Gewicht erlangt, dass es heute fast unmöglich ist, ohne sie zum Präsidenten gewählt zu werden; Muslime zu verprellen wäre politischer Selbstmord, wie die jüngste französische Präsidentschaftswahl wieder einmal deutlich gezeigt hat.
Im Oktober 2020 sagte Macron, er wolle das bekämpfen, was er "islamistischen Separatismus" nannte und dass ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden sollte. Er legte Wert auf die Feststellung, dass er den Islamismus – den er als eine vom Islam völlig getrennte Ideologie definierte – und nicht den Islam bekämpfen wollte. Doch wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2007 erklärte:
"Diese Beschreibungen sind sehr hässlich, sie sind widerwärtig und eine Beleidigung für unsere Religion. Es gibt keinen gemäßigten oder unangemessenen Islam. Der Islam ist der Islam und das ist alles."
Es überrascht nicht, dass Macrons Worte den Zorn französischer muslimischer Organisationen erregten. In mehreren Ländern der muslimischen Welt kam es zu Demonstrationen gegen Frankreich. Macron schickte sofort Außenminister Jean-Yves Le Drian nach Ägypten, um sich mit dem Imam der al-Azhar in Kairo zu treffen und feierlich herauszustreichen, dass Frankreich den Islam zutiefst respektiere. Im August 2021 wurde das Gesetz mit dem Titel "Gesetz zur Bestätigung der Achtung der Grundsätze der Republik" verabschiedet. Alle Hinweise auf den Islamismus waren aus dem Text entfernt worden. In den Wochen vor den Präsidentschaftswahlen im April 2022 sagte Macron verschiedenen muslimischen Organisationen Zuschüsse zu und erhielt Unterstützung von der Großen Moschee von Paris sowie von der Versammlung der Muslime in Frankreich, einer der beiden großen muslimischen Organisationen Frankreichs.
Während Macron nur einen geringen Prozentsatz der muslimischen Stimmen erhielt, profitierte zum ersten Mal in Frankreich ein Kandidat massiv von den Stimmen der Muslime. Das war Jean-Luc Mélenchon, ein Marxist, der wiederholt gesagt hatte, dass Frankreich dem Islam gegenüber völlig offen sein müsse. Mélenchon hatte an einer Demonstration gegen Islamophobie teilgenommen, die mit "Allahu Akbar"-Rufen ["Allah ist der Größte!"] endete.
Mélenchon erhielt in der ersten Wahlrunde 69 % der Stimmen der französischen Muslime. In allen Städten, in denen Muslime eine Mehrheit bilden, erhielt er mehr als 50 % der Stimmen.
Eine weitere Herausforderin von Macron im Jahr 2022, Marine Le Pen, hatte ihr Programm von 2017 aufgegeben und sogar aufgehört, über den Islam und die Einwanderung zu sprechen; Macron verteufelte sie dennoch, wie schon 2017, und gewann mit Leichtigkeit gegen sie.
Der Journalist und Autor Éric Zemmour war der einzige Präsidentschaftskandidat, der es wagte, über die Islamisierung Frankreichs, den muslimischen Antisemitismus und die von "sensiblen städtischen Zonen" ausgehende Kriminalität zu sprechen. Wochenlang zog er so viele besorgte Wähler an, dass Umfragen ihm den Einzug in die zweite Runde der Wahl voraussagten. Alle anderen Kandidaten, ob rechts oder links, zogen Zemmour durch den Dreck, und einen Monat vor der Wahl fiel er in den Umfragen stark zurück. Im ersten Wahlgang erhielt er einen zu niedrigen Prozentsatz, um die Debatte zu beeinflussen.
Macron wurde mit einer großen Anzahl Stimmen von Menschen über 65 Jahren gewählt. Mélenchon erhielt neben den muslimischen Stimmen auch eine große Unterstützung von Menschen unter 34 Jahren. Das französische Schulsystem ist in den Händen von Lehrern, die überwiegend für die Linke stimmen, und sie haben Einfluss. Marine Le Pen erhielt die Stimmen armer Weißer, ehemaliger Arbeiter, die nun zur Arbeitslosigkeit verurteilt sind, und Menschen aus der unteren Mittelschicht, die aus den Vierteln geflohen sind, die zu "sensiblen städtischen Zonen" wurden, als die muslimischen Banden dort zu herrschen begannen.
Die aktuelle politische Landschaft Frankreichs gleicht einem Trümmerfeld. Die beiden Parteien, die Frankreich jahrzehntelang regiert haben – die Sozialistische Partei von François Hollande und die Republikanische Partei von Nicolas Sarkozy – sind tot. Bei den Wahlen 2022 erhielt der Kandidat der Sozialistischen Partei 1,75 % der Stimmen und der Kandidat der Republikanischen Partei 4,78 %. Die Partei der Nationalen Versammlung ("Rassemblement National") von Marine Le Pen ist nach wie vor von der traurigen Tatsache geprägt, dass Jean Marie Le Pen, ihr Vater und Gründer der Partei, als sie noch Front National hieß, ein offener Antisemit war. Der Teil der Wählerschaft, der ihr seine Stimme geben würde, wird immer kleiner. Macrons Wählerschaft ist überwiegend alt und verschwindet ebenfalls allmählich. Mélenchon, der davon ausgeht, dass die muslimische Wählerschaft weiter zunehmen wird, kann sich ausrechnen, dass er in fünf Jahren eine Chance haben wird.
In den kommenden Jahren werden die "sensiblen städtischen Zonen" wachsen. Das Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung, gegen das nichts unternommen wurde, wird ebenfalls weiter zunehmen. Um sich auf die Situation einzustellen, hat Macron kürzlich Pap Ndiaye zum Minister für nationale Bildung ernannt, einen Mann, der den Kampf gegen "weiße Privilegien" anführt und Autor eines Buches ist, das die Black-Lives-Matter-Bewegung lobt. Zemmour sagte während des Wahlkampfs, dass Frankreich bald sterben könnte. Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, könnte er Recht haben. Hadjadj wird wahrscheinlich nicht das letzte Opfer eines Antisemitismus sein, der in Frankreich und Europa zunimmt und den kaum jemand zu bekämpfen bereit scheint.
Dr. Guy Millière, Professor an der Universität Paris, ist der Autor von 27 Büchern über Frankreich und Europa.