Für China ist es ein Problem, die Ernährung seiner Bevölkerung sicher zu stellen. Daher kauft Peking überall auf der Welt Ackerland und landwirtschaftliche Unternehmen auf, so auch in den Vereinigten Staaten. Dies stelle sowohl eine ernsthafte wirtschaftliche Herausforderung als auch ein Sicherheitsrisiko für die USA dar, warnte kürzlich die Kommission zur Überprüfung der Wirtschafts- und Sicherheitslage zwischen den USA und China (U.S.-China Economic and Security Review Commission, USCC) in einem Bericht.
Von der chinesischen Landesfläche von 960 Mio. Hektar werden ca. 645 Mio. Hektar land- und forstwirtschaftlich genutzt, davon lediglich 134 Mio. Hektar als Ackerland. Das sind rund 7 bis 10 Prozent des weltweiten Ackerlandes. Mit einer Bevölkerung von 1,4 Milliarde Menschen (Stand 2020) leben dort fast 20 Prozent der Weltbevölkerung (im Jahr 2022 fast 8 Milliarden Menschen). Im Vergleich dazu haben die USA mehr als 151 Millionen Hektar Ackerland und eine Bevölkerung von 329,5 Millionen.
Um seine Bevölkerung zu ernähren, erwirbt Peking deshalb in großem Umfang landwirtschaftliche Nutzfläche im Ausland. Doch nicht nur das: Das Land der Mitte versucht, seine eigene Agrartechnologie weiterzuentwickeln – teilweise auch durch den Diebstahl von US-Agrartechnologie.
"Die innenpolitischen Bemühungen der chinesischen Regierung reichen nicht aus, um Chinas Probleme zu lösen", heißt es im USCC-Bericht.
"Angesichts seiner Herausforderungen wich China außerdem ins Ausland aus, um seinen Bedarf durch Investitionen und Akquisitionen von landwirtschaftlichen Nutzflächen, Tierproduktion, landwirtschaftlichen Geräten und geistigem Eigentum, insbesondere von genetisch verändertem Saatgut, zu decken."
Laut den Autoren des Berichts seien die USA weltweit führend in all diesen Bereichen. Dies mache sie zu einem "erstklassigen Handelspartner und oft zu einem Ziel der Bemühungen Chinas, seinen Agrarsektor und seine Ernährungssicherheit zu stärken, manchmal mit unerlaubten Mitteln." Dies gefährde die wirtschaftliche und nationale Sicherheit der USA.
Weiter geht der Bericht ins Detail: Chinesische Unternehmen würden Schweineherden und -farmen in den USA kaufen. Dadurch könne China Geld sparen und seine inländische Kapazität verbessern. Eine Folge davon könnte sein, dass Chinas Bedarf an US-Produkten sinken werde und Peking außerdem die Schweineabfälle seiner Unternehmen in den USA entsorgen könne. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte Peking einen "übermäßigen Einfluss" auf US-Lieferketten ausüben.
Eine andere Gefahr stelle Chinas illegaler Erwerb von gentechnisch veränderten Samen dar. Das erlaube es Peking, eigenes genetisch verändertes Saatgut zu entwickeln und auf diese Weise US-Unternehmen um ihren Gewinn zu bringen. Ferner könne China dadurch Anfälligkeiten der Kulturpflanzen in den USA herausfinden.
Der Diebstahl geistigen Eigentums ist ein weiteres Problem: Je mehr US-Agrartechnologie sich China aneigne, um in diesem Bereich dominant zu werden, desto schlechter seien die Folgen für die USA. US-Unternehmen könnten ihre Technologie dann weder an China noch an andere Länder verkaufen.
Im Jahr 2015 startete Peking die industriepolitische Initiative "Made in China 2025". Die Initiative sieht vor, dass China ein weltweit führender Anbieter von Technologie und Hightech-Fertigung wird – Landwirtschaftstechnik wie hochwertige Traktoren und Erntemaschinen sind der Schwerpunkt.
Konkret möchte China 95 Prozent seiner eigenen Landwirtschaftstechnik herstellen. Laut dem USCC-Bericht hatte dieses Ziel, das teilweise durch Technologiediebstahl gestützt wurde, negative Auswirkungen auf die US-Exporte von landwirtschaftlichen Geräten nach China.
Im Jahr 2013 verkauften die USA landwirtschaftliche Geräte in Höhe von fast 27 Millionen Dollar an China, so die USCC. Diese Zahl nahm stetig ab. Im Jahr 2015 beliefen sich die Exporte auf etwa 16 Millionen Dollar und im Jahr 2021 betrugen sie 9 Millionen Dollar.
Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der USA, insbesondere weil es sich auch auf die US-Exporte an Drittländer auswirken könnte. Diese könnten es vorziehen, ihre landwirtschaftlichen Geräte zu einem günstigeren Preis in China zu erwerben, wo die Arbeitskosten für deren Produktion niedriger sind.
China kauft immer mehr Land in den USA auf. Dem US-Landwirtschaftsministerium zufolge vergrößerte Peking seinen Besitz in den vergangenen zehn Jahren um mehr als das 25-Fache(!): von 5.552 Hektar im Jahr 2010 auf 142.506 Hektar im Jahr 2020. Rund 78.000 Hektar davon nutzt Peking landwirtschaftlich, der Rest ist "anderes" Land.
Im Jahr 2013 kaufte China außerdem Smithfield Foods auf, den größten Schweinefleischproduzenten in den USA. Er ist aktuell in Besitz der Chinas WH Group – einem staatlichen Unternehmen, das als Fleischverpackungsfirma in China begann. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte Smithfield 25 Werke und 460 Farmen in den USA und Verträge mit 2.100 Produzenten in zwölf US-Bundesstaaten. Smithfield besaß zum damaligen Zeitpunkt mehr als 59.000 Hektar US-Land.
Die 142.506 Hektar, die China in den USA besitzt, sind verglichen mit den Bodenflächen anderer Staaten viel geringer. So besitzt Kanada zum Beispiel 1,9 Millionen und die Niederlande 1,8 Millionen Hektar Land in den Vereinigten Staaten. Kanada und die Niederlande stellen jedoch weder eine Bedrohung für die USA dar, noch versuchen sie, die Welt zu dominieren.
Ferner konzentriert sich die Kommunistische Partei Chinas (KPC) nicht nur auf den Landerwerb, sondern auch auf die Tier- und Getreideproduktion. Wie es im USCC-Bericht heißt, hätten chinesische Wissenschaftler geistiges Eigentum und Technologie aus dem Agrarsektor in den USA gestohlen, anstatt selbst Forschungen in diesem Bereich zu betreiben.
"Chinas Forschung im Bereich der gentechnisch veränderten Pflanzen, einschließlich der Saatgutzucht, ist im Vergleich zu den USA, die der größte Exporteur von gentechnisch veränderten Pflanzen sind, immer noch unterentwickelt. Die wachsende Industrie für gentechnisch veränderte Pflanzen in China würde stark vom Zugang zu geschützten US-Saatgutlinien profitieren, deren Entwicklung viele Jahre und Ressourcen in Anspruch nehmen würde. Diebstahl im Agrarsektor könnte es chinesischen Agrarunternehmen ermöglichen, US-Konkurrenten auf internationalen Saatgutmärkten zu unterbieten."
Die USCC schätzt, dass jeder Zuchtsame "bis zu 30 bis 40 Millionen Dollar an Laborkosten, Feldarbeit und Versuch und Irrtum kosten kann."
Das FBI deckte vor einigen Jahren erfolgreich einen Fall von Saatgutdiebstahl auf. Dabei beauftragte die chinesische Dabeinong (DBN) Technology Group den chinesischen Staatsangehörigen Mo Hailong, Tausende Zucht-Maissamen, die den Unternehmen Monsanto und DuPont Pioneer gehörten, von Feldern unter anderem in Iowa zu stehlen und nach China zu senden. DBN stellt Futtermittel her und ist eng verbunden mit der chinesischen Regierung. Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte Hailong zwei Farmen in Iowa und Illinois gekauft. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt.
Im April 2022 traf ein US-Gericht im jüngsten Fall von Wirtschaftsspionage eine Entscheidung: Es verurteilte Xiang Haitao, einen chinesischen Staatsangehörigen, zu 29 Monaten Gefängnis, drei Jahren Bewährung und einer Geldstrafe von 150.000 Dollar. Haitao hatte fast ein Jahrzehnt lang als Wissenschaftler beim Biotechnologieunternehmen Monsanto gearbeitet.
Er wurde verurteilt, weil er versucht hatte, dem Unternehmen einen wertvollen Algorithmus im Zusammenhang mit der Landwirtschaft zu stehlen. Diesen wollte er nach China bringen, damit die chinesische Regierung ihren technologischen Fortschritt beschleunigen konnte.
"Die chinesische Regierung zögert nicht, den Einfallsreichtum, der unsere Wirtschaft antreibt, zu jagen", meinte Alan E. Kohler Jr., stellvertretender Direktor von der Spionageabwehrabteilung des FBI.
Doch nicht nur der Diebstahl von Saatgut und Technik trieb den technologischen Fortschritt der KPC voran. Auch die chinesische Tierzucht machte einen Sprung nach vorne – einfach durch den Kauf von US-Tieren.
"China kaufte Millionen von US-Tieren als Zuchtbestand und konnte sich Jahrzehnte an Zeit und Ressourcen sparen, die mit einer fortschrittlichen Agrarforschung einhergeht, um die Tiergesundheit und Ernährungsqualität zu verbessern", heißt es dazu im USCC-Bericht.
Der Diebstahl von geistigem Eigentum im Agrarsektor könnte jedoch nicht nur erhebliche negative wirtschaftliche Folgen haben, sondern möglicherweise auch militärische Auswirkungen in Form von Biokrieg.
"Während Chinas Hauptinteresse bei der Beschaffung von gentechnisch verändertem Saatgut aus den USA darin besteht, seine Ernteerträge zu verbessern, ist es potenziell möglich, das geistige Eigentum im Agrarsektor als Waffe zu benutzen", warnen die Autoren des USCC-Berichts.
"Ähnlich wie beim Hacken eines Computercodes könnte Peking leicht den Code oder die DNA von gentechnisch verändertem US-Saatgut hacken und biologische Kriegsführung betreiben, indem es eine Art von Fäulnis erzeugt, die Ernten in den USA zerstören könnte."
Eine Schwachstelle von gentechnisch verändertem Saatgut sei seine begrenzte genetische Variation, heißt es im Bericht weiter. Folglich könnte ein Virus oder Pilz, der entwickelt wurde, um eine gentechnisch veränderte Pflanze zu töten, eine ganze Ernte zerstören. Gentechnikfreie Pflanzen besäßen jedoch eine Vielzahl an DNA-Merkmalen, was die Verluste minimieren und sicherstellen würde, dass einige Pflanzen die Virus- oder Pilzinfektion überleben.
Defensive Anwendungen der synthetischen Biologie könnten auch eine Motivation hinter Chinas Wunsch sein, auf fortschrittliche US-Saatgutlinien oder anderes landwirtschaftliches geistiges Eigentum zuzugreifen. "Jiang Gaoming, ein Forscher und Professor an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, schrieb einen Artikel über die US-Bioverteidigungsbemühungen und forderte andere chinesische Wissenschaftler auf, ihre Forschungen auf Chinas biologische Verteidigung auszurichten: 'Freunde, GVO-Experten, eure Weisheit sollte auf den Feind gerichtet sein, nicht auf uns.'"