Die Zukunft ist bereits da – aber die Menschen wollen sie nicht sehen. Warum? Weil die Politiker und Journalisten dieser Welt vor Jahrzehnten ihr Denken eingefroren haben, wenn es um den arabisch-israelischen Konflikt geht. Jede Rede zum Thema ist wie das Aufsagen eines Dogmas: "Die Palästinenser müssen mit dem Terror aufhören, die Israelis mit dem Siedlungsbau, dann kann ganz schnell ein palästinensischer Staat entstehen, dessen Grenzen in etwa den Linien von 1967 entsprechen – und der Nahe Osten wird endlich Frieden erfahren!"
Die grösste Schwachstelle dieses Dogmas ist, dass das Kernthema grundsätzlich ausgespart wird – die palästinensische Forderung nach dem sogenannten "Rückkehrrecht". Die PA unterhält ja selbst Flüchtlingslager, in denen PA-Führer den Bewohnern routinemässig versichern, dass es Frieden mit Israel erst dann geben wird, wenn sie alle dorthin gezogen sind, wo ihre Urgrosseltern vor 1949 gelebt haben.
Ein weiterer zentraler Schwachpunkt ist, dass der Vorteil oder vielmehr die Notwendigkeit ignoriert wird, die darin besteht, dass Gaza und das Westjordanland ermutigt werden können, je getrennt nach Unabhängigkeit zu streben. Jeder, der auf sich hält, stärkt einer Zwei-Staaten-Lösung weiterhin den Rücken – im Wissen, dass bisher jeder Versuch hin zu dieser Lösung rasch in sich zusammengebrochen ist. Kaum jemand will anerkennen, dass de facto drei Staaten entstanden sind; noch weniger sehen den Vorteil dieser Anordnung oder dass sie die Grundlage für eine stabile Zukunft sein könnte.
Das Grundlagen- und das Interimsabkommen von Oslo (1993 bzw.1995) nehmen das Problem zur Kenntnis, den Kontakt zwischen den zwei Gebieten innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) aufrechtzuerhalten. Das Abkommen sieht eine "sichere Durchfahrt" vom einen zum anderen auf ausgewiesenen Wegen über das Gebiet des Staates Israel vor; der Anhang I des Abkommens hält ein ausgearbeitetes Schema zur Implementierung bereit. Aus all dem ist schnell nichts geworden, und so müssen Palästinenser seither mindestens zwei arabische Länder passieren und alle notwendigen Bewilligungen einholen, um von einem Gebiet ins andere zu gelangen.
In späteren Vorschlägen ist die Rede von eigenen eingezäunten Autobahnen, Bahntrassen, sogar von einem Tunnel. Das Problem – das seither nur noch grösser geworden ist – besteht darin, wie beide Gebiete miteinander verbunden werden können, ohne Angriffsflächen für palästinensischen Terror zu schaffen. Wenn beide Gebiete ihre eigenen Wege gehen dürften, würde das die Bedrohung für Israels Sicherheit in jedem zukünftigen israelisch-palästinensischen Abkommen ausserordentlich verringern.
In der Zwischenzeit hat sich die Teilung zwischen Gaza und dem Westjordanland für die wichtigsten palästinensischen Beteiligten, die Hamas und Fatah, als günstig erwiesen. Nach einer kurzlebigen Koalitionsregierung im Jahr 2006 regieren beide Parteien ihr jeweiliges Gebiet nun unabhängig voneinander. Zwar hat es diverse Abkommen zwischen beiden Parteien für neue Wahlen oder die Vereinigung der beiden Regionen gegeben; doch ohne praktisches Ergebnis. Wenn ein demokratischer Prozess präsentiert werden müsste, wäre es einfacher, in beiden Gebieten getrennte Regierungsräte zu wählen.
Die palästinensischen Ministerien in Gaza und im Westjordanland funktionieren bereits getrennt. Die einzige verbleibende Verbindung ist die Gehaltszahlung der ehemaligen Beamten in Gaza durch die Fatah-Regierung aus Ramallah; ob die Beamten in Gaza ihren Job machen oder nicht, spielt dafür keine Rolle. Gleichzeitig behauptet die Fatah-Regierung, in einer Finanzkrise zu stecken. Es würde diese Krise sehr entlasten, wenn die nutzlosen Zahlungen eingestellt würden.
Warum hat all dies bisher niemand gesehen, wenn eine dauerhafte Teilung zwischen Gaza und dem Westjordanland doch der offensichtliche Weg ist, der eingeschlagen werden sollte? Es gab tatsächlich vereinzelte Kommentatoren, die eine dauerhafte Teilung befürwortet haben; doch auch wenn ihre Zahl stetig zunimmt, sind sie bisher aus unterschiedlichen Gründen unbeachtet geblieben. Zu diesen Gründen gehört die missbräuchliche Verwendung dieses Begriffs oder weil eine Teilung als vorübergehende Situation verstanden wird, an deren Ende letztlich wieder die Vereinigung von Gaza und dem Westjordanland stehen. Schliesslich gab es nur einige wenige, die sich die Teilung als dauerhafte Realität vorstellen, und dann hatte ihre Argumentation auch Schwachstellen.
An dieser Stelle muss dem in den USA ansässigen iranischen Wissenschaftler Kaveh L. Afrasiabi Anerkennung gezollt werden, der 2007 eine prophetische Kurzanalyse mit dem Titel "The Death of the Two-State-Solution" ("Tod der Zwei-Staaten-Lösung") veröffentlichte. Darin argumentierte er: "Nenn es einen Albtraum, ein Fiasko, Zersplitterung – aber nicht vorübergehend; denn alle Zeichen deuten darauf hin, dass die politische Teilung des Westjordanlandes und Gazas eine vollendete Tatsache ist, die nicht rückgängig zu machen ist ausser um den Preis einer israelischen Militärinvasion und Wiederbesetzung Gazas."
Erst kürzlich hat Khaled Abu Toameh angemerkt, dass die drei Staaten eine Realität sind. Anders jedoch als Afrasiabi hält er die Situation für vorübergehend. "Einstweilen ist die Drei-Staaten-Lösung die einzige und beste Option auf dem Tisch. Die Zwei-Staaten-Lösung sollte auf Eis gelegt werden, bis sich die Palästinenser wiedervereinigt haben und mit einer Stimme sprechen."
Giora Eiland, IDF-General der Reserve, hat 2008 eine Drei-Staaten-Lösung vorgeschlagen, der zufolge Jordanien und Ägypten die Verantwortung für das Westjordanland und Gaza wieder aufnehmen sollten, so, wie es vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 war. Bedauerlicherweise sind solche Visionen des Wunschdenkens mit dem Begriff der Drei-Staaten-Lösung verbunden. Eiland selbst hat seine Ansicht angepasst und betrachtet Gaza als De-facto-Staat und als Vorteil für taktische Zwecke.
Doch die aktuelle Situation sollte weder als vorübergehend, noch als "Albtraum oder Fiasko" oder als irgendetwas angesehen werden, was in der Zukunft anders bewältigt werden könnte. Vielmehr ist die dauerhafte Teilung zwischen Gaza und dem Westjordanland eine notwendige Bedingung sowohl für die gegenwärtige Stabilität als auch für alle zukünftigen Vereinbarungen der israelisch-palästinensischen Beziehung.
Einige Kommentatoren haben diese getrennte Unabhängigkeit als aussichtsreiche Perspektive wahrgenommen, dabei allerdings lediglich als neue Grundlage für Verhandlungen. Doch da die Palästinenser Verhandlungen über ihre Einheit eine Absage erteilen, werden sie sich ebenso resolut weigern, über Trennung zu verhandeln. In dieser Hinsicht kann man Verhandlungen also vergessen und sollte besser die Wirklichkeit von drei Staaten anerkennen und diese solange bestärken, bis als Tatsache unangreifbar ist.