Am 16. Mai machten Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eine Razzia im Haus des palästinensischen Journalisten Tareq Abu Zeid in der Stadt Nablus im Westjordanland. Nach dem Durchwühlen des Hauses beschlagnahmten sie einen Computer sowie ein Mobiltelefon, ehe sie Abu Zeid in Gewahrsam nahmen.
Der 40-jährige Abu Zeid, der für den mit den Hamas verbundenen Fernsehsender Al-Aqsa TV arbeitet, wurde 37 Tage lang im berüchtigten, durch die PA kontrollierten Gefängnis Jneid in Nablus gefangen gehalten.
Am 22. Juni veranlasste das palästinensische Gericht in Nablus die Freilassung des Journalisten gegen eine Kaution in Höhe von 5.000 jordanischen Dinar (rund 8.000 Dollar). Dasselbe Gericht veranlasste während Abu Zeids Gefangennahme drei Mal seine Verlegung zurück in Untersuchungshaft. Das Gericht hat sieben Petitionen abgeschmettert, die während des Gefängnisaufenthaltes des Journalisten seine Freilassung fordern.
Gegen Abu Zeid, der ursprünglich aus der Stadt Jenin im Westjordanland stammt, wurden keine Klagen eingereicht. Es ist somit höchst unwahrscheinlich, dass er sich jemals vor Gericht verantworten muss.
Palästinensische Sicherheitsquellen berichteten, er würde der "Veröffentlichung von Meldungen beschuldigt, die dem öffentlichen Interesse schaden könnten und Unfrieden unter den Palästinensern stiften". Obwohl die Quellen keine weiteren Details bekanntgaben, glaubt man, dass Abu Zeid der Veröffentlichung von Berichten beschuldigt wird, die ein negatives Bild der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrer Führerschaft erzeugen. In anderen Worten: Der Journalist versagte dabei, der PA und ihrer Führerschaft als Sprachrohr zu dienen.
Abu Zeid ist nicht der erste palästinensische Journalist, den die PA im Visier hat. Solche Festnahmen sind unter der Palästinensischen Autonomiebehörde alltägliche Realität. Aber nun scheint es, dass die PA von Einschüchterung zu Folter übergegangen ist.
Nach seiner Freilassung beschuldigte Abu Zeid die PA-Sicherheitskräfte der körperlichen und psychologischen Folter während seiner Inhaftierung. Er gab an, in Einzelhaft genommen worden zu sein und dass man ihm drei Tage lang den Schlaf entzogen hätte.
Gemäss seiner Aussage unterzog man ihm auch der Folter im shabah-Stil, bei der die Hände und Füsse des Häftlings in schmerzhaften Stellungen festgebunden werden, während sein Kopf mit einer Tüte bedeckt ist. Er sagte, dass man ihn ausserdem während seiner Befragungen in der ersten Woche seiner Inhaftierung Dutzende Male ins Gesicht schlug. Einer der Vernehmer habe ihn zu Boden gestossen und in empfindliche Bereiche seines Unterleibs getreten, fügte er noch hinzu. "Während der Befragung schlug man mir mehr als 100 Mal ins Gesicht", zählte er nach. "Die Verhöre begannen oftmals um zehn Uhr abends und dauerten bis in die frühen Morgenstunden."
Die Vernehmer versuchten den Journalisten zum Rauchen einer Zigarette zu zwingen, obwohl er Nichtraucher ist. Als er dies verweigerte, drohten sie ihm, die Zigarette auf seinem Körper auszudrücken. Während der langen Verhöre drohten die Vernehmer auch damit, Abu Zeids Ehefrau, eine weibliche Kollegin und seinen Anwalt festzunehmen.
Abu Zeid gibt an, in den 37 Tagen der Inhaftierung davon abgehalten worden zu sein, seinen Anwalt oder einen irgendeinen Vertreter einer Menschenrechtsorganisation zu treffen. Seiner Mutter und seiner Frau wurde erlaubt, ihn kurz zu besuchen, jedoch nur unter Aufsicht von Sicherheitsbeamten. Man verbot ihm, sich bei seiner Frau und Mutter über seine Familienmitglieder zu erkundigen oder über seine Inhaftierungs- und Verhörbedingungen zu sprechen.
Abu Zeid sagte, dass sich das Verhör auf seine Arbeit als Journalist und seine Beziehungen zu anderen palästinensischen Journalisten bezog. Im Besonderen habe man ihn zu den Quellen einiger seiner Berichte befragt und wie er an die Informationen gelangte.
Zu einem Zeitpunkt baten die Vernehmer Abu Zeid, ein Dokument zu unterzeichnen, in dem stand, dass seine Inhaftierung nicht politisch motiviert oder mit der Meinungsfreiheit in Verbindung stünde. Als er sich weigerte das Dokument zu unterzeichnen, wurde er seiner Aussage nach massiv verprügelt.
Während seiner Inhaftierung protestierten palästinensische Journalisten im Westjordanland und im Gazastreifen, um zur sofortigen Freilassung ihres Kollegen aufzurufen. Abu Zeids Vater sagte, dass sein Sohn "wie eine Statue ohne Seele oder Leben wirkte", als er ihn während einer der Gerichtsverhandlungen sah, die nur dazu dienten ihn zurück in Haft zu schicken. Die Proteste gegen die Palästinensische Autonomiebehörde wurden von den Massenmedien und den westlichen Menschenrechtsorganisationen nahezu ignoriert.
Palästinensische Menschenrechtsgruppierungen äusserten ihre tiefe Besorgnis über die Inhaftierung des Journalisten und riefen die Palästinensische Autonomiebehörde dazu auf, die Presse- und Meinungsfreiheit im Westjordanland zu respektieren. Eine Gruppe, das Hemaya Center for Human Rights, verurteilte die Inhaftierung von Abu Zeid als einen Angriff gegen die Meinungsfreiheit. "Wir heben die Notwendigkeit hervor, Raum für Meinungsfreiheit zu schaffen und die Vorwürfe zu unterlassen, mit denen die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden, welche eigentlich durch das palästinensische Grundgesetz und das internationale Recht garantiert sind", sagte die Gruppe.
Dennoch bleibt die PA auf ihrem unerfreulichen Kurs. Drei Tage nach Abu Zeids Freilassung nahmen palästinensische Sicherheitsbeamten einen weiteren Journalist fest, Amer Abu Arafeh. Abu Arafeh, der aus Hebron stammt, wurde während einer Fahrt von Nablus aus festgenommen. Für die Verhaftung Abu Arafehs, der für eine mit der Hamas in Verbindung stehende Nachrichtenagentur arbeitet, wurde kein Grund genannt. Seine Kollegen und Familienmitglieder sagten, dass Abu Arafehs Inhaftierung in direkter Verbindung mit seiner Arbeit als Journalist und nicht mit seiner politischen Zugehörigkeit zusammenhänge.
Weder Abu Zeid noch Abu Arafeh sind Unbekannte in palästinensischen Gefängnissen. Die zwei Journalisten wurden dank ihrer unvorteilhaften Berichterstattung über die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Sicherheitskräfte bereits mehrfach verhaftet.
In den vergangenen paar Jahren haben die palästinensischen Sicherheitskräfte diverse Journalisten und Blogger wegen verschiedener Anklagen verhaftet, hauptsächlich jedoch für die Kritik an Präsident Mahmoud Abbas und anderen hohen palästinensischen Beamten.
Unter diesen Inhaftierungen findet sich Yusef Al-Shayeb, der der "Verunglimpfung" des französischen Botschafters der Palästinensischen Autonomiebehörde, Hayel Fahoum, sowie seinem Stellvertreter Safwat Ibraghith angeklagt wurde.
Ein weiterer Journalist, Tareq Al-Sarkaji, wurde 2013 von den Palästinensischen Sicherheitskräften für das Verfassen eines Artikels festgenommen, in dem er die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Sicherheitskoordinierung mit Israel kritisierte.
Dann gibt es noch den Fall des Journalisten Tareq Khamis, der 2012 für die Kritik an der Inhaftierung einer weiblichen Journalistin, Esmat Abdel Khaleq, verhaftet wurde. Abdel Khaleq wurde verhaftet, nachdem sie einen Facebook-Kommentar veröffentlicht hat, mit dem sie es wagte, Präsident Abbas zu verunglimpfen.
Zu den anderen palästinensischen Journalisten, auf die es die PA in den letzten paar Jahren abgesehen hat, gehören Amir Abu Aram, Muhanad Salahat, Mohammed Awad, Adeeb Al-Atrash, Musa Al-Shaer und George Kanawati.
Die Palästinensische Autonomiebehörde verträgt jegliche Form der Kritik nicht sonderlich gut, findet es jedoch besonders verstörend, wenn man Anklagen gegen ihre hohen Beamten einreicht.
Die palästinensischen Sicherheitskräfte luden nun Anfang des Monats den Journalisten Mohamed Abed Rabbo zum Verhör vor, nachdem er einen investigativen Bericht über die Korruption durch einen hohen palästinensischen Beamten veröffentlichte. Der Bericht wurde im Onlinemagazin Alaraby Aljadeed veröffentlicht, in dessen Büros in Ramallah in der Vergangenheit bereits von palästinensischen Sicherheitsbeamten Razzien durchgeführt wurden.
Im November 2015 luden die palästinensischen Sicherheitskräfte die Leiterin des Büros der Zeitung in Ramallah, Naela Khalil, mit den Vorwürfen vor, dass sie für ein "unlizenziertes" Magazin arbeite. Die Palästinensische Autonomiebehörde vermutet, dass die Zeitung mit einem Erzfeind von Präsident Abbas, dem ehemaligen Fatah-Politiker Mohamed Dahlan, verbunden ist, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Exil lebt.
Die fortlaufenden Razzien der PA bei Journalisten im Westjordanland stimmen mit einem Bericht überein, der vergangene Woche von der Menschenrechtsorganisation veröffentlicht wurde und über Verletzungen des Menschenrechts sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen spricht. Der Bericht wies darauf hin, dass das Jahr 2015 Zeuge eines "Verfalls" der Menschenrechte in den Gebieten wurde und beschrieb die Situation dort als "auf allen Ebenen katastrophal – politisch, sicherheits- und menschenrechtlich." Der Bericht zeigt auf, dass Palästinenser – einschliesslich Journalisten – von der Palästinensischen Autonomiebehörde aufgrund ihrer Arbeit und ihrer Beiträge in den sozialen Medien verhaftet werden.
Ironischerweise ist diese Kampagne gegen Journalisten, die verfehlt hat, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und der Massenmedien im Westen auf sich zu ziehen, dafür konzipiert, die Welt davon abzuhalten, zu verstehen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde eine Diktatur ist. Soweit funktioniert der Plan. Heute sind die palästinensischen Journalisten die Opfer. Morgen werden die westlichen Journalisten die Opfer sein, die es wagen, die PA zu kritisieren oder Berichte zu veröffentlichen, die gegenüber Präsident Abbas als "beleidigend" erachtet werden.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.