Während die Vorbereitungen für die am 08. Oktober stattfindenden palästinensischen Kommunal- und Gemeindewahlen laufen, sind palästinensische Journalisten zu einer beliebten Zielscheibe von Razzien der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und der Hamas geworden.
Die Razzien sind Teil einer laufenden Kampagne der beiden rivalisierenden Parteien und sollen kritische Stimmen im Westjordanland und im Gazastreifen zum Schweigen bringen. Weder die Hamas noch die PA tolerieren freie und unabhängige Medien – insbesondere nicht am Vorabend entscheidender Wahlen, die für das palästinensische Gebiet weitreichende politische Folgen haben könnten.
Sollte die Hamas in den bevorstehenden Wahlen einen Sieg davontragen, wäre es für Präsident Mahmoud Abbas und seine Palästinensische Autonomiebehörde eine Katastrophe. Ein solches Wahlergebnis würde einem Misstrauensvotum gegen ihre Politik und Arbeit gleichkommen.
Die Hamas investiert ihrerseits beträchtliche Ressourcen in die Wahlkampagne – in der Hoffnung, dass das Ergebnis ihre Position bei den Palästinensern weiter festigen würde. Denn die Organisation befürchtet, dass eine Niederlage ihre Macht im Gazastreifen schwächen und ihren Zerfall einleiten würde.
Während die Wahlkampagne sich erhitzt, zeigen die Hamas und die PA, dass sie bei einem Thema dieselbe Meinung vertreten: nämlich bei der Verschärfung ihrer repressiven Massnahmen gegen palästinensische Journalisten.
Diese Unterdrückung der Medien wird von internationalen Menschenrechtsorganisationen grundsätzlich ignoriert. Warum? Ein Grund ist, dass die Angriffe auf die Medien- und Meinungsfreiheit nicht interessant genug sind, wenn Israel nicht beteiligt ist.
Einige westliche Journalisten und Menschenrechtsanwälte behandeln diese Fälle als "interne palästinensische Angelegenheiten", die für die internationale Öffentlichkeit nicht von Bedeutung sind. Eine Story über einen palästinensischen Journalisten, der von den Israelis verhaftet wurde, ist eine Schlagzeile wert. Ein palästinensischer Journalist, der von der Palästinensischen Autonomiebehörde oder der Hamas bedroht oder verhaftet wurde, dagegen nicht.
Betrachten wir zum Beispiel den Fall Ahmed Saids, eines Journalisten aus dem Gazastreifen. Vergangene Woche wurde von den Sicherheitskräften der Hamas verhaftet, die darüber hinaus auch seinen Computer beschlagnahmten. Said hat bei der Radiostation Sawt Al Sha'ab (Stimme des Volkes) eine eigene Radiosendung, in der Palästinenser anrufen können, um ihrem Kummer Ausdruck zu verleihen und offen über Probleme zu reden, mit denen sie unter der Herrschaft der Hamas im Gazastreifen konfrontiert werden.
Vor seiner Verhaftung hatte Said den Sprecher der Hamas-Polizei Ayman Al Batnihi angerufen, um sich mit ihm über den jüngsten Anstieg von Mordfällen im Gazastreifen zu unterhalten. Laut der Aussage des Journalisten hatte der aufgebrachte Sprecher ihm gedroht: "Sie machen uns viele Probleme und stacheln die Leute auf. Ich weiss, wie man mit Menschen umgeht. Sie müssen gehängt werden."
Solche Zusammenstösse sind für Said nichts Neues. Vergangenes Jahr wurde er zu einer Untersuchung vorgeladen, bei der es um eine "Aufwiegelung" gegen die Kommunalverwaltung von Gaza-Stadt ging. Dies geschah, nachdem Said in seiner Talkshow über den Strassenhändler Mohamed Abu Assi berichtet hatte: Dieser hatte einen Suizidversuch durch Gifteinnahme unternommen, da die Kommunalverwaltung von Gaza-Stadt ihm den Verkauf von Mais am Strand verboten hatte.
Zuvor hatte die Hamas einen weiteren palästinensischen Journalisten verhaftet, dieses Mal ohne dass es hierfür einen klaren Grund gegeben hätte. Mahmoud Abu Awwad, der für die palästinensische Tageszeitung Al-Quds tätig ist, wurde am 25. Juli in seiner Behausung im Flüchtlingslager Shati verhaftet. Auch sein Computer und Mobiltelefon wurden beschlagnahmt.
Seitdem ist es der Familie von Abu Awwad nicht gestattet, ihn im Gefängnis zu besuchen. Die Hamas erzählte den Eltern, dass ihr Sohn "aus Gründen der Sicherheit" festgehalten werde. Abu Awwad, der die vorangegangenen drei Jahre für Al-Quds tätig war, hatte vorwiegend über die Notlage der im Gazastreifen lebenden Palästinenser berichtet. Darüber hinaus berichtete er auch für die saudisch-panarabische Londoner Tageszeitung Asharq Al Awsat.
"Die Hamas versucht, Lügen zu verbreiten, um den Ruf meines Sohnes zu schädigen und seine Verhaftung zu rechtfertigen", erzählte der Vater von Abu Awwad der Zeitung Al-Quds. "Er wurde verhaftet, weil er Kritik an der Situation im Gazastreifen und der Hamas-Regierung übte."
Said und Abu Awwad haben etwas gemeinsam. Beide Journalisten begingen den Fehler, über das Leiden der Palästinenser unter der Hamas-Herrschaft zu berichten. Das ist nicht die Art von Geschichten, die die Hamas am Vorabend der Kommunal- und Gemeindewahlen verbreitet sehen möchte. Stattdessen wäre es der Hamas lieber, wenn Lügenmärchen über einen angeblichen Wohlstand gedruckt werden würden.
Im Rahmen ihrer Wahlkampagne hat die Hamas ein Video veröffentlicht, in dem neue Häuser und Stadtviertel sowie grüne, saubere Parks und lächelnde Kinder zu sehen sind. Das mit der Überschrift "Danke, Hamas" betitelte Video soll palästinensische Wähler davon überzeugen, dass die Hamas-Herrschaft das Beste ist, was ihnen passieren konnte. Und dass sie deshalb der Hamas bei den Kommunal- und Gemeindewahlen helfen müssen, damit diese ihre Kontrolle vom Gazastreifen aus auf das Westjordanland ausbreiten kann. Journalisten wie Said und Abu Awwad machen mit ihrer unbequemen Wahrheit diese Wirkung zunichte.
Die Hamas geht wie der sprichwörtliche Esel vor, der einen anderen als Langohr beschimpft. Trotz ihrer eigenen massiven Unterdrückung der Journalisten wagt sie es, die Palästinensische Autonomiebehörde wegen ihrer vergleichbaren Massnahmen im Westjordanland anzugreifen.
Ebenso wie die Hamas war auch die Führungsriege der PA palästinensischen (und zuweilen auch anderen) Journalisten gegenüber schon immer intolerant, sofern diese aus der Reihe tanzten. Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass ein weiterer palästinensischer Journalist verhaftet oder zu einer Untersuchung durch die Palästinensische Autonomiebehörde vorgeladen wird.
Das gewaltsame Vorgehen gegen Journalisten im Westjordanland scheint sich in den vergangenen Wochen angesichts der bevorstehenden Wahlen verstärkt zu haben. Auch die PA möchte alle Journalisten aus dem Weg räumen, die die Chancen ihrer loyalen Anhänger, die Kommunal- und Gemeindewahlen zu gewinnen, mindern könnten. In diesem Kontext sind Journalisten eine leichte Beute.
Bei einem der jüngsten Opfer handelt es sich um Mohamed Abu Khabisah, der für die türkische Nachrichtenagentur Anadolu über Wirtschaftsthemen berichtet. Palästinensische Sicherheitsbeamte, die in seinem Haus in Al Bireh in der Nähe von Ramallah kurz nach Mitternacht eine Razzia durchführten, beschlagnahmten seinen Computer sowie seine Dokumente und nahmen anschliessend auch ihn selbst in Gewahrsam. Seine Frau Hana sagte aus, dass auch sie kurz über die Einkommensquelle ihres Ehemanns und die Art seiner Arbeit befragt wurde. Laut der Aussage palästinensischer Quellen wurde er dem Anschein nach deshalb verhaftet, weil er über eine Finanzkorruption innerhalb der offiziellen Nachrichtenagentur der Palästinensischen Autonomiebehörde, Wafa, berichtet hatte.
Abu Khabisah war der sechste Journalist, der von der PA seit dem vor zwei Monaten gefassten Beschluss über die Abhaltung der Kommunal- und Gemeindewahlen verhaftet wurde. Bei den anderen vier handelt es sich um Yehya Saleh, Raghid Tabisah Ibrahim Al Abed, Mohamed Abu Jheisheh und Ziad Abu Arrah. Vor Kurzem durchsuchten palästinensische Sicherheitsbeamte auch die Behausung des Journalisten Musab Kafisheh und beschlagnahmten seinen Computer, nahmen ihn selbst jedoch nicht in Gewahrsam.
Es ist die Angst, die die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde zur Unterdrückung der palästinensischen Journalisten antreibt. Die "Sicherheitsgründe", die sie als Entschuldigung für ihre repressiven Massnahmen anführen, dienen als Deckmantel für ihre eigene Instabilität: Je weniger sicher sie sich im politischen Kontext fühlen, umso stärker berauben sie palästinensische Journalisten ihrer Freiheit, über die tatsächlichen Zustände im Gazastreifen und im Westjordanland zu berichten.
So weit so gut, denken sich die Hamas und die PA. Palästinensische Reporter wurden ordnungsgemäss abgeschreckt. Aber sie sind bei Weitem nicht die einzigen, die betroffen sind.
Ausländische Journalisten verlassen sich fast ausschliesslich auf palästinensische Mittelsmänner und Producer, um Informationen darüber einzuholen, was unter der Herrschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas geschieht. Nun werden es sich ortsansässige Palästinenser zweimal überlegen, bevor sie ausländischen Auftraggebern Informationen zukommen lassen. Dennoch ist es ein Rätsel, warum ausländische Journalisten über die Einschüchterungskampagne, der ihre palästinensischen Kollegen ausgesetzt sind, nicht berichten wollen.
Es stellt sich die Frage, ob Menschenrechtsgruppierungen diese Misshandlungen deshalb nicht beachten, weil sie nach wie vor von der Zerstörung Israels besessen sind.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.