Am 15. Juli 2016 veröffentlichte die Agence France Presse (AFP) nach dem LKW-Attentat in Nizza, bei dem 84 Menschen getötet wurden, einen Bericht unter der Überschrift: "Wenn Fahrzeuge zu Waffen werden." Es ist die Aufgabe einer grossen Nachrichtenagentur wie der AFP, für ihre Kunden Beispiele von Ländern aufzulisten, in denen Fahrzeugterrorismus stattfindet.
Bezüglich Israel ist im dritten Absatz zu lesen: "In Israel und den palästinensischen Gebieten entluden sich in einer wahren Welle der Gewalt besonders viele Autoramm-Attacken, bei denen seit Oktober letzten Jahres mindestens 215 Palästinenser, 34 Israelis, zwei Amerikaner, ein Eritreer und ein Sudanese getötet wurden."
Ein unbedarfter Leser mag dies so verstehen, dass Juden und Moslems – oder Israelis und Palästinenser – in Israel und den palästinensischen Gebieten Spass daran haben, unschuldige Passanten mit ihren Fahrzeugen zu töten. Möglicherweise denkt er auch, dass Juden in diesem Spiel wesentlich besser sind als Moslems, weil sie ja bereits "215 Palästinenser" im Vergleich zu nur "34 Israelis" ermordet haben.
Wie die Internetseite Honest Reporting berichtete:
"Tatsächlich beträgt die Anzahl der Israelis, die mit Fahrzeugen Angriffe auf Palästinenser verübt haben, exakt Null, aber der Leser hätte überhaupt keine Gelegenheit, dies je zu erfahren. Im Gegenteil, die Wortwahl der AFP erweckt den falschen Anschein, dass mehr Palästinenser Ziel von Autoramm-Attacken wurden als Israelis."
Dass in der französischen Presse verzerrte Informationen über Israel auftauchen, ist allerdings keine Ausnahme. Es scheint vielmehr System dahinter zu stecken. Hauptantriebsmotor dieser einseitigen Informationsmaschinerie ist ganz unverhohlen die Agence France Presse.
Die AFP ist – ebenso wie Reuters, Associated Press oder Bloomberg – eine Nachrichtenagentur mit Büros in der ganzen Welt (200 Büros in 150 Ländern). Sie ist jedoch kein Privatunternehmen; offiziell handelt es sich bei ihr um eine Genossenschaft im Besitz von Kunden (Zeitungen, Radio- und TV-Sender); tatsächlich ist sie jedoch ein staatseigenes Unternehmen, das aufgrund der grossen Anzahl von Abonnements der unterschiedlichsten französischen Regierungsministerien – insbesondere des Aussenministeriums – stark subventioniert wird. Der Geschäftsführer der AFP wird von der Regierung ernannt. Die AFP ist ein Instrument der französischen Diplomatie und wird als Teil der internationalen Einflussnahme Frankreichs betrachtet.
Die AFP hat ein grosses "Büro" in Jerusalem. Ihre Journalisten üben einen enormen Einfluss auf die Presse in Europa und dem Nahen Osten aus. Dieser Einfluss ist deshalb so enorm, weil die Berichte der AFP von Tageszeitungen und unzähligen Internetseiten in Frankreich und Europa wortwörtlich kopiert und übernommen werden.
Der Terroranschlag vom 8. Juni im Sarona-Marktkomplex in Tel Aviv ist ein gutes Beispiel für die systematisch verzerrten Schlagzeilen, die von der AFP an ihre Kunden geschickt werden.
Es sind drei Arten verzerrter Schlagzeilen dokumentiert.
Wenn Dir die Realität nicht gefällt, verändere die Erzählweise der Realität. Beispiel: In der französischen Tageszeitung Le Figaro lautete die Schlagzeile: "Tel Aviv; Vier Tote nach Schiesserei [fusillade]." Das Wort fusillade bedeutet "Schiesserei" oder "Schusswechsel." Was im Sarona-Markt geschah, war jedoch keine "fusillade" – es war ein kaltblütiger Massenmord, der von zwei bewaffneten Palästinensern an unbewaffneten israelischen Bürgern begangen wurde. Was in Tel Aviv passierte, war dasselbe wie das, was am 13. November 2015 in Paris geschah, als 130 Menschen in einer Konzerthalle, in Cafés und Restaurants sassen und von extremistischen muslimischen Terroristen erschossen wurden. Über eine derartige Parallele wurde jedoch in den französischen Medien nicht berichtet.
In Israel gibt es keinen islamistischen Terrorismus. Dort ist es ein Kampf der "Nationalen Befreiung". Beispiel: Für Medien wie das Nachrichtenmagazin L'Express oder den Nachrichtensender BFMTV war das Attentat ein "Blutiger Anschlag in der Nähe des Hauptquartiers der Armee." Tatsächlich ist die Nähe des Sarona‑Marktkomplexes zum Hauptquartier der Armee irrelevant. Die Absicht dieser Schlagzeile ist es jedoch, die Illusion weiter zu verstärken, dass die Terroristen die Israelischen Verteidigungskräfte im Visier hatten. Für die Medien befinden sich die Palästinenser im Krieg gegen "die Besatzung": Palästinensische Armee gegen israelische Armee.
Das einzige Opfer ist der Palästinenser. Der dritte Schlagzeilen-Typ versucht die Wahrnehmung dessen, wer der Mörder und wer das Opfer ist, umzukehren. Die Tageszeitungen Le Monde und Le Parisien präsentieren das Ganze so: "Nach einer blutigen Schiesserei [fusillade] verbietet Israel 83.000 Palästinensern die Einreise." Dies impliziert eine kollektive Strafaktion Israels gegen Unschuldige. Für die französische Presse sind, wie immer, die "wahren" Opfer des palästinensischen Terrorismus die Palästinenser selbst. Die gleichen Medien versäumten es übrigens, die zahlreichen palästinensischen Freudenfeste zu erwähnen, die nach den Ermordungen in Tel Aviv im Gazastreifen, im Westjordanland und Ost-Jerusalem stattfanden oder sie mit einer Aufstachelung zur Gewalt in Zusammenhang zu bringen, die die derzeitige Welle palästinensischer Anschläge auf Israelis weiter befeuerte.
Die "pro-palästinensische" Voreingenommenheit ist derart eklatant, dass viele Menschen in Frankreich die AFP jetzt als die "Agence France Palestine" bezeichnen.
Sie ist so durch und durch eine "pro-palästinensische Nachrichtenagentur", dass diese französische Institution keinerlei ethische Bedenken hat, wenn es darum geht, palästinensische Aktivisten als Reporter zu engagieren. Nach Auskunft des Komitees für korrekte Berichterstattung über den Nahen Osten in Amerika (Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America, CAMERA):
"schreibt Nasser Abu Baker, der Vorstandsvorsitzende des palästinensischen Journalistenverbands – der treibenden Kraft hinter dem Boykott israelischer Journalisten und Medien – ebenfalls für die einflussreiche französische Nachrichtenagentur ... seit über einem Jahrzehnt ist Abu Baker auch als Reporter für israelisch-palästinensische Angelegenheiten für die AFP tätig. Zwei israelische Journalisten, die sich thematisch mit den Palästinensern beschäftigen, bestätigten gegenüber CAMERA, dass Abu Baker nach wie vor für die Nachrichtenagentur arbeitet. Einer dieser Reporter überprüfte seine Informationen bei drei palästinensischen Journalisten, die ebenfalls bestätigten, dass Abu Baker immer noch für die AFP berichtet, während er gleichzeitig einen hochrangigen Posten beim palästinensischen Journalistenverband bekleidet. Auch Abu Bakers Facebook-Account weist darauf hin, dass er für die AFP arbeitet."
Der Leser darf nie vergessen, wer das "Opfer" und wer der "Unterdrücker" ist. Die AFP-Meldungen haben ein weiteres Kennzeichen. Sie bezeichnen das Westjordanland systematisch – ja, systematisch – als "besetzte palästinensische Gebiete." Bei Nachrichten über Ost-Jerusalem verwendet die AFP systematisch den Zusatz "von Jerusalem annektiert und besetzt." Ist diese wahnwitzige Präzision neutrale Information? Neutral wäre es, wenn die AFP genauso verfahren würde, wenn es um Tibet geht: "annektiert und besetzt von den Chinesen"; oder um Zypern: "annektiert und besetzt von der Türkei"; oder um die Krim: "annektiert und besetzt von Russland." Auf der ganzen Welt gibt es Dutzende von "annektierten und besetzten Gebieten." Die AFP verwendet diese Formulierung jedoch ausschliesslich für Jerusalem. Dasselbe gilt für das Westjordanland: man bezieht sich darauf stets mit der Floskel "von Israel besetzt."
Was ist die Absicht dieser obsessiven Wiederholungen? Vermutlich geht es darum sicherzustellen, dass der Leser zu keinem Zeitpunkt vergisst, dass Israel ohne Legitimität im Westjordanland präsent ist und dass jeder palästinensische Mörder kein islamischer Extremist, sondern ein Freiheitskämpfer ist, der lediglich angeblich "besetztes" Gebiet "befreien" will. Seit die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1964 gegründet wurde und die "besetzten Gebiete" bereits 1967 unter israelische Kontrolle gelangten, fragt man sich jedoch: Was "befreit" die PLO eigentlich? Für die AFP ist der Mörder das tatsächliche Opfer, und die in Tel Aviv ermordeten Juden sollten einfach als tote Symbole einer "Besatzung" betrachtet werden.
Bei jeder Welle der Gewalt, über die die AFP berichtet, wird am Ende beinahe jeden Artikels über Israel erwähnt, dass "Israel, Jerusalem und die palästinensischen Gebiete in interne Gewaltakte verwickelt sind, bei denen laut einer Zählung der AFP seit dem 1. Oktober 207 Palästinenser, 32 Israelis, zwei Amerikaner, ein Eritreer und ein Sudanese getötet wurden."
Die Zahlen variieren, aber am Ende jedes Berichts über Terrorakte fügt die AFP hinzu: "Bei den meisten der getöteten Palästinenser handelt es sich um Attentäter oder mutmassliche Attentäter" (AFP 06.10.2016 – 14:42:04). Diese wahnwitzige Aufteilung nach ethnischer Zugehörigkeit gilt ausschliesslich für Israel. Solche Aufzählungen gibt es nicht für Syrien. Solche Aufzählungen gibt es nicht für Tibet. Solche Aufzählungen gibt es auch nicht für Nigeria. Was ist ihr Ziel? Der Leser soll das Ungleichgewicht bemerken und dass mehr Palästinenser getötet werden – was angeblich eine "unverhältnismässige" Anzahl darstellt, auch wenn laut Genfer Konventionen "Unverhältnismässigkeit" nichts mit einer entsprechenden Zählung der Toten zu tun hat.[1] Aber versuchen Sie das einmal einer ungeduldigen und verwirrten Öffentlichkeit zu erklären.
Anscheinend will die AFP Sie dazu verleiten, in Ihnen den Verdacht zu erhärten, dass viele Palästinenser einfach kaltblütig erschossen wurden.
Sie werden ausserdem den Satz bemerken: "Israel, Jerusalem und die palästinensischen Gebiete", eine Unterscheidung, die Tag für Tag wiederholt wird, um die Menschen daran zu erinnern, dass Israels internationale Legitimität und Anspruch auf die Heilige Stadt Jerusalem möglicherweise nicht unbestritten sind.
Palästinenser sind keine Islamisten wie andere. In den Nachrichten der AFP wird nie erwähnt, dass die palästinensischen Mörder "Allahu Akbar" ["Allah ist der Grösste"] rufen, wenn sie Israelis abstechen, erschiessen und mit Autos in sie hineinrasen. Es wird nie darüber berichtet, dass überlebende Terroristen erklärten, sie wollten "shahids" [Märtyrer] werden, um mit 72 Jungfrauen belohnt zu werden, die sie in den Gärten Allahs erwarten. Diese schlichte Wahrheit würde das von der AFP aufgebaute Lügengeflecht zerstören, das die Palästinenser nicht als Islamisten wie andere darstellt, sondern als "Aktivisten", die für die "Befreiung" ihres Landes kämpfen.
Leugnung des palästinensischen islamistischen Terrorismus. Die AFP weigert sich weiterhin systematisch, einen islamischen Terroristen tatsächlich auch als "Terrorist" zu bezeichnen, besonders, wenn es sich bei einem solchen Terroristen um einen Palästinenser handelt. Sie alle sind stets nur "Aktivisten", "Militante" oder "Angreifer". In den Nachrichten der AFP erscheint das Wort Terrorist nur in Anführungszeichen, wenn die Polizei oder Regierungsvertreter über einen "Terroristen" sprechen. Die Nachrichtenagentur sieht dies als einen Beweis dafür, dass sie keine Werturteile fällen will. Für die AFP würden die Worte "Terrorismus" und "Terrorist" eine (schlechte) moralische Beurteilung implizieren und seien keine Bezeichnung für politischen Kampf in irgendeiner Form. Diese Regel wird allerdings nur systematisch auf Israel angewandt. In dem oben erwähnten Artikel "Wenn Fahrzeuge zu Waffen werden" lautet der erste Satz: "Die Verwandlung eines Fahrzeugs in eine einfache aber tödlich Waffe des Terrors ...". Dies zeigt, dass im Zusammenhang mit dem LKW-Attentat in Frankreich das Wort "Terror" nicht als empathisch oder moralisch wertend verstanden wird.
Agence France Presse Hauptsitz in Paris. (Foto: Wikimedia Commons) |
2015 beauftragte der Repräsentative Rat der Jüdischen Institutionen in Frankreich (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France, CRIF), ein Dachverband rund 60 jüdischer Organisationen in Frankreich, eine Gruppe von Berufsjournalisten damit, zu untersuchen, wie die AFP ihre Meldungen über Israel erzeugt. Der Bericht mit der Überschrift "Die AFP im Angesicht palästinensischer Propaganda: Oktober-November 2014" wurde – nicht aus Scheu – nie veröffentlich; stattdessen schickte man ihn an den Geschäftsführer der AFP.
Was finden wir nun in diesem Bericht? Eine Bestandsaufnahme von zahlreichen Werturteilen!
Missbräuchliche Verwendung von Worten oder unangemessene Kommentare: Moshe Feiglin, ein Mitglied der israelischen Knesset, wurde beispielsweise als "ein schwefeliges Knessetmitglied des Likud" bezeichnet (AFP, 13. Oktober 2014, 12:22). Avigdor Lieberman, der damalige Aussenminister (und heutige Verteidigungsminister) ist ein "ultra-nationalistischer Falke" (APF, 18. Oktober 2014. 21:52). Auf palästinensischer Seite wird dagegen aus Ismail Radwan nur ein "Führer der Hamas", und die Hamas selbst (von allen westlichen Ländern als internationale Terrororganisation eingestuft) wird schlicht und einfach als eine "radikale islamistische Organisation" bezeichnet.
Für die AFP sind Juden die einzigen "Extremisten": Angehörige der Regierung Netanyahu oder Siedler. Junge "Muslime" oder junge "Palästinenser" werden nie als "Extremisten" bezeichnet, selbst dann nicht, wenn sie Steine werfen, Pilger erstechen oder jüdische Besucher auf dem Tempelberg bedrohen und beschimpfen.
Zusammenfassend könnte man fragen: Warum wird nur die AFP kritisiert? Die gleiche Voreingenommenheit ist in sämtlichen Medien und Nachrichtenagenturen der sogenannten entwickelten Welt zu finden, einschliesslich Reuters, BBC und AP. Diese Lage führt jedoch zu einer weiteren, noch beängstigenderen Frage: Warum ist eine solche Fehlinterpretation der Realität in der Presse derart verbreitet, wenn es um Israel geht? Die einzige Antwort kann nur lauten, dass ein Krieg im Gange ist: ein Krieg der Delegitimierung. Historiker haben nachgewiesen, dass immer dann, wenn eine Gruppe als "böse" dargestellt wird – menschlich minderwertig aufgrund ihrer Religion, Ethnizität, Herkunft oder Hautfarbe – der Wunsch nach Genozid nicht weit entfernt ist.
Der in Frankreich lebende Yves Mamou arbeitete zwanzig Jahre lang als Journalist bei Le Monde.
[1] "Nach internationalem humanitärem Recht und dem Römischen Statut stellt der Tod von Zivilisten im Rahmen einer bewaffneten Auseinandersetzung – gleichgültig wie schwerwiegend und bedauernswert er sein mag – kein Kriegsverbrechen dar ... selbst wenn bekannt ist, dass mit dem Tod oder der Verletzung von Zivilisten zu rechnen ist. Ein Verbrechen ist es dann, wenn ein absichtlicher Angriff auf Zivilisten (Unterscheidungsprinzip) verübt wird oder ein Angriff auf ein militärisches Ziel in dem Wissen durchgeführt wird, dass die damit verbundenen zivilen Schäden im Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil übermässig hoch wären (Verhältnismässigkeitsprinzip)." — Luis Moreno-Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs