Vor einigen Jahren schlug die schwedische Zentrumspartei – eine der vier Parteien der damaligen Mitte-Rechts-Regierung – vor, Vielweiberei zu legalisieren. Die Idee sorgte für Empörung, der Vorschlag wurde zurückgenommen. Die Jugendorganisation der Partei weigerte sich jedoch, davon Abstand zu nehmen: "Wir finden es wichtig, jeden selbst entscheiden zu lassen, wie viele Leute er oder sie heiraten will", sagte Hanna Wagenius, die Vorsitzende der Zentrumsjugend. Sie prophezeite, dass Vielweiberei innerhalb von zehn Jahren legal sein würde, wenn ihre Generation ins Parlament käme und dafür sorgen würde.
Schweden ist nicht das einzige skandinavische Land, in dem "idealistische" Jugendliche die Vielweiberei befürworten. Die Jugendorganisation von Dänemarks Partei Radikale Venstre ("Radikale Linke"), seinerzeit Teil der regierenden Koalition, machte 2012 ebenfalls den Vorschlag, Vielweiberei in Dänemark zu legalisieren. Der Schritt kam vier Jahre nachdem ein irakischer Asylbewerber, der für das dänische Militär im Irak gearbeitet hatte und dann nach Dänemark geflohen war, dort mit seinen beiden Ehefrauen ankam. Da Dänemark Bigamie nicht anerkennt und der Mann sich weigerte, sich von seiner zweiten Frau scheiden zu lassen, kehrte er in den Irak zurück. "Es ist inakzeptabel, dass wir in Dänemark so engstirnig sind und einem Mann nicht helfen, der uns geholfen hat. Daran wollen wir etwas ändern", sagte Ditte Søndergaard, Vorsitzende der Radikale-Venstre-Jugend, damals. Die Idee fand jedoch keine Unterstützung bei den anderen Parteien.
So weit hergeholt diese Vorschläge klingen mögen, signalisieren sie doch die Veränderungen, die im Westen vor sich gehen – Veränderungen im Hinblick auf fundamentale ethische Fragen der Geschlechtergleichheit und der Bereitschaft, dem islamischen Schariarecht Rechnung zu tragen. Sie sind zudem der Beweis einer andauernden, absichtlichen Blindheit gegenüber den schädlichen Folgen, die die Vielweiberei hat, nicht nur, was die finanziellen Kosten für den Staat betrifft, sondern auch für die muslimischen Frauen und Kinder, deren Richte zu unterstützen diese jungen Politiker vorgeben.
Über muslimische Vielweiberei wird in den Medien nur selten gesprochen. Darum bleibt diese Praxis der Öffentlichkeit weitgehend verborgen, obwohl sie überall auf dem europäischen Kontinent anzutreffen ist – u.a. in Schweden, Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Da Vielweiberei überall in Europa illegal ist und daher nicht zu existieren hat, gibt es nirgends offizielle Statistiken über polygame Ehen.
Nichtsdestoweniger erkennen zahlreiche Länder wie etwa Großbritannien, die Niederlande, Schweden und Frankreich polygame Ehen an, wenn sie im Ausland unter bestimmten Umständen geschlossen wurden – wenn etwa Vielweiberei in dem Land, wo die Trauung stattfand, legal ist. Es wird geschätzt, dass es in Großbritannien ca. 20.000 polygame muslimische Ehen gibt. In Frankreich, wo die Vielweiberei bis 1993 legal war, gab es 2006 eine Schätzung, wonach es dort zu diesem Zeitpunkt mindestens 20.000 polygame Ehen gab. Was Deutschland betrifft, so wurde im Jahr 2012 geschätzt, dass allein in Berlin 30 Prozent aller arabischen Männer mit mehr als einer Frau verheiratet sind.
Der schwedische Professor Göran Lind sagte im April, es sei Zeit, beim Thema Vielweiberei in Schweden "ein Machtwort zu sprechen", nachdem bekannt geworden war, dass Schweden "Hunderte" polygamer Ehen anerkannt hat, die im Ausland geschlossen worden sind. Professor Lind weist darauf hin, dass Vielweiberei nicht in Einklang mit dem schwedischen Recht sei, insbesondere nicht mit dem Prinzip der Gleichheit der Ehepartner, der Gleichheit der Menschen überhaupt und dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist. Dem kann man hinzufügen: Auch nicht mit Artikel 16 der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau, in dem es heißt:
"Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau in Ehe- und Familienfragen und gewährleisten auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau insbesondere folgende Rechte:
a) gleiches Recht auf Eheschließung;
b) gleiches Recht auf freie Wahl des Ehegatten sowie auf Eheschließung nur mit freier und voller Zustimmung."
Denkt man daran, wie viel Zeit führende europäische Politiker darauf verwenden, ihren Wählern zu versichern, wie sehr sie den Menschenrechten zugetan seien, dann wirkt diese stillschweigende Duldung eines offenkundigen Bruchs der in den oben genannten Konventionen verankerten Frauenrechte doch ziemlich merkwürdig.
Die große Zahl der polygamen Ehen deutet darauf hin, dass diese auch in Europa eingegangen werden, im Geheimen, in islamischen Eheschließungszeremonien, die von Imamen durchgeführt werden. In den meisten europäischen Ländern sind die Imame nicht dazu verpflichtet, den Behörden diese Ehen anzuzeigen. Darum wird nichts gegen diese illegale Praxis unternommen, obwohl der Staat wahrscheinlich von ihr weiß. Da islamische Ehen in Europa rechtlich nicht existieren, ist eine Frau, die in diesen Bund eintritt, rechtlich in einem Niemandsland, in verwundbarer Position und – abgesehen vom örtlichen Imam oder Schariarat – ohne ein Mittel, die Ehe zu beenden. Auch wenn eine Frau theoretisch zur Polizei gehen und den Rechtsweg beschreiten kann, ist sie dem Risiko ausgesetzt, geschlagen und möglicherweise geschieden zu werden. Frauenhäuser sind "voller muslimischer Frauen", sagt Ayaan Hirsi Ali, die in einigen von ihnen gearbeitet hat.
Im Zuge der Migrantenkrise werden polygame muslimische Ehen zu einem noch größeren Problem werden.
In Dänemark macht dieser Tage Daham Al-Hassan Schlagzeilen. Er hat 20 Kinder mit drei Frauen, floh aber vor zwei Jahren allein aus Syrien nach Dänemark und ließ seine Frauen und Kinder zurück. Gemäß den dänischen Regeln zum Familiennachzug kamen kürzlich eine seiner Frauen und acht seiner Kinder zum ihm nach Dänemark. Doch Al-Hassan will alle seine Kinder und auch alle seine Frauen bei sich haben. Ihm wurde die Erlaubnis erteilt, neun weitere Kinder zu sich zu holen, doch weil Dänemark keine Vielweiberei anerkennt, ist es den beiden anderen Frauen laut denselben Regeln der Familienzusammenführung nicht gestattet, sich ihm anzuschließen. Allerdings rechnen Juristen damit, dass es unabhängig davon auch ihnen möglich sein wird, ihren Kindern nach Dänemark nachzureisen, sobald diese dort sind.
Der Fall hat die Dänen ziemlich schockiert; nicht nur wegen der außergewöhnlichen Größe der Familie und der Kosten, die dem dänischen Staat allein für Kindergeldzahlungen entstehen werden, sondern auch weil Al-Hassan behauptet, er sei zu krank, um zu arbeiten oder auch nur Dänisch zu lernen. "Ich habe nicht nur mentale, sondern auch körperliche Probleme", erklärt er. "Mein Rücken und meine Beine schmerzen." Er gab zu, dass seine "mentale Erkrankung" darin besteht, dass er seine Kinder vermisst, die er freiwillig zurückgelassen hat. Er und seine Familie leben einzig und allein vom Geld der dänischen Steuerzahler.
Bemerkenswert an dieser Debatte ist jedoch, worüber nicht debattiert wird: nämlich dass Al-Hassan Polygamist ist. Wiewohl es nur natürlich ist, dass Politiker und Bürger sich durch die dem dänischen Staat entstehenden Kosten geschädigt und verletzt fühlen, sollten sie über die Praxis der Vielweiberei gleichermaßen besorgt sein. Doch keine dänische Feministin verliert ein Wort darüber.
In der Fernsehdokumentation "Scharia in Dänemark" antworteten zahlreiche Imame, die mit versteckter Kamera gefilmt wurden, auf die Frage, ob es dem Ehemann einer Frau erlaubt sei, gegen deren Willen eine weitere Frau zu nehmen, ohne zu zögern mit ja. Obwohl sie in einem Land leben, wo Bigamie und Vielweiberei verboten sind, ist es für sie völlig natürlich, dass ein Mann eine zweite, dritte oder vierte Ehefrau nimmt, egal was irgendeine von ihnen darüber denkt.
In einer 2009 von Tina Magaard für das dänische Wohlfahrtsministerium durchgeführten Studie über muslimische Frauen in Dänemark ist die Praxis der Vielweiberei unter dänischen Muslimen dokumentiert. Eine Türkin sagt in einem der Interviews:
"Es gibt eine wachsende Zahl von Frauen, die einen Mann heiraten, der bereits verheiratet ist. Sie werden von einem Imam verheiratet, weil sie dann mehr akzeptiert werden. Offenbar haben sie keine andere Wahl. Würden sie geschieden, wären sie geächtet und auf sich selbst gestellt. Viele entscheiden sich eher für ein Leben, in dem sie eine Identität haben – dann gehören sie an einen Platz und werden akzeptiert. Es ist traurig, dass es so etwas in Dänemark gibt. Ich glaube, wenn man die Fälle zählen könnte, was sehr schwierig ist, dann käme wahrscheinlich eine viel größere Zahl heraus als wir das für möglich halten."
Eine andere Frau, eine muslimische Konvertitin, sagt:
"Das [Vielweiberei] ist etwas, was ich wirklich oft gesehen habe, es gab eine Zeit, wo es zur Mode wurde. Das war so vor fünf oder sechs Jahren, es war verrückt; ich glaube, fast bei jedem zweiten Paar, das ich kannte, nahm sich der Mann eine Zweitfrau. Dann aber, so nach einem Jahr oder so, bereute er das und ließ sich von seiner ersten Frau scheiden. In meinem Freundeskreis gab es, glaube ich, zwölf Paare, wo der Ehemann sich eine weitere Frau genommen hat."
In einer deutschen Dokumentation von 2013 fanden die Journalisten heraus, dass muslimische Männer Vielweiberei dazu nutzen, um Betrug zu verüben und an mehr Sozialleistungen zu gelangen. Die Taktik besteht darin, dass die Frauen im Jobcenter behaupten, sie seien alleinstehend und wüssten nicht, wer der Vater ihrer Kinder ist. Das funktioniert, weil es in Deutschland, wie in vielen anderen europäischen Staaten, keine Möglichkeit gibt, die Existenz islamischer Ehen zu ermitteln, zumal das deutsche Recht die Frauen nicht dazu verpflichtet, die Behörden über ihren Familienstand zu informieren. In dem Film fragen die Journalisten die Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg – der Aufsichtsbehörde, die für die lokalen Arbeitsagenturen verantwortlich ist, die die Sozialleistungen auszahlen –, ob die Bundesagentur für Arbeit über die vielen Betrügereien informiert sei. Sie antwortet, dass man tatsächlich von vielen Betrugsfällen wisse. Man wisse von der Vielweiberei und dem damit einhergehenden Betrug. Sie zählt sogar die Orte auf, wo er besonders grassiert: In Berlin und westdeutschen Großstädten wie Köln und Frankfurt. Die Journalistin fragt die Pressesprecherin dann, warum nichts dagegen unternommen wird. Die Antwort: "Diese kulturellen Unterschiede sind sehr sensibel, wir sind ein sehr tolerantes Land." Gefragt, ob die Bundesagentur für Arbeit womöglich zu tolerant sei, antwortet die Pressesprecherin, sie sei "selbst gespannt, wie die Diskussion endet".
Weiterhin sagt sie, dass die Einführung einer Zentraldatei islamischer Ehen sehr hilfreich und wünschenswert sei, da dann Betrugsvorwürfen nachgegangen werden könne – das aber sei Angelegenheit der Politiker.
"Wie wird das alles enden?" Nicht gut.