Nach sechzehn Samstagsdemonstrationen der "gelben Westen", die im November mit einem Protest gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron begannen, scheint die Kontroverse eine dunklere Wendung genommen zu haben. Abgebildet: "Gelbwesten"-Demonstranten in der Nähe des Eiffelturms in Paris, Frankreich, am 2. März 2019. |
Nach sechzehn Samstagsdemonstrationen der "gelben Westen", die im November mit einem Protest gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron begannen, scheint die Kontroverse eine dunklere Wendung genommen zu haben.
Das ist am 13. Februar ans Licht gekommen, als eine kleine Gruppe von Demonstranten anfing, Beleidigungen gegen einen französisch-jüdischen Philosophen, Alain Finkielkraut, der in Paris geboren wurde und in Paris lebt, auszustossen, nachdem sie ihn auf einem Bürgersteig entdeckt hatten. Ein Mann schrie: "Halt die Klappe, schmutziger Zionistendreck", "Geh nach Hause nach Tel Aviv", "Frankreich gehört uns", "Gott wird dich bestrafen". Ein Mann mit Kamera filmte den Vorfall und teilte dann das Video in sozialen Netzwerken. Es kam zu einem Skandal. Die gesamte Bewegung "Gelbe Westen" wurde von der französischen Regierung sofort des Antisemitismus und des "Faschismus" beschuldigt.
Finkielkraut sagte, dass er nicht als Jude, sondern als Anhänger des Staates Israel angegriffen worden sei. Er fügte dann hinzu, dass der Mann, der ihn beleidigt hatte, nicht wie eine "gelbe Weste" redete und dass die Worte "Gott wird dich bestrafen" ein Ausdruck aus der "islamischen Rhetorik" seien. Die Polizei, die das Video sah, identifizierte den Mann als radikalisierten Moslem und verhaftete ihn am nächsten Tag.
In den Tagen vor diesem Vorfall hatten mehrere antisemitische Handlungen in und um Paris stattgefunden. Das deutsche Wort "Juden" wurde auf die Vorderseite einer jüdischen Bäckerei gemalt; Hakenkreuze wurden mit einem schwarzen Marker auf Porträts der ehemaligen jüdischen Ministerin Simone Veil gezeichnet; Bäume, die zum Andenken an Ilan Halimi gepflanzt worden waren, einen jungen Juden, der 2006 entführt, gefoltert und ermordet worden war, wurden zerstört. Ermittlungen wurden eingeleitet, aber nichts davon hat bisher einen Zusammenhang zwischen der Bewegung der "gelben Westen" und diesen antisemitischen Handlungen gezeigt. Dennoch wirft die französische Regierung den "gelben Westen" vor, zumindest teilweise schuldig zu sein.
Als die französische Regierung beispielsweise Statistiken über antisemitische Handlungen im Jahr 2018 veröffentlichte und einen Anstieg von 74% gegenüber dem Vorjahr feststellte, verknüpfte der Regierungssprecher diesen Anstieg mit den "Unruhen", die in Frankreich stattgefunden haben, was implizit die "gelben Westen" meint.
Bei einer Demonstration gegen den Antisemitismus, die am 19. Februar von der Sozialistischen Partei und der Republic en Marche (der von Macron gegründeten Partei) organisiert wurde, einigten sich vierzehn Parteien auf ihre Teilnahme. Die Partei Rassemblement National von Marine Le Pen wurde jedoch ausgeschlossen. Die Organisatoren sagten, dass Rassemblement National, da sie zur "extremen Rechten" gehöre, nicht an einem Protest gegen die "faschistische Gefahr" teilnehmen könne. Eingesetzte Slogans: "Es ist genug", "Nein dem Hass" und "Antisemitismus ist nicht Frankreich". Es nahmen die ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande teil. Premierminister Edouard Philippe sprach von einem "vereinten Frankreich". Ein muslimischer Sänger, Abd al Malik, wurde eingeladen, die französische Hymne zu singen.
Präsident Macron besuchte während der Veranstaltung das Holocaust-Mahnmal in Paris. Am nächsten Tag nahm er am jährlichen Abendessen des CRIF (Repräsentativer Rat der jüdischen Institutionen) teil und hielt eine Rede gegen den "rassistischen Hass". Um sicherzustellen, dass sein Publikum verstand, dass er von den "gelben Westen" sprach, benutzte er einen Ausdruck, den er am 31. Dezember verwendet hatte: "Massen des Hasses".
Die Bewegung der "gelben Westen" wird von Regierungsmitgliedern nach wie vor als antisemitisch und "faschistisch" bezeichnet, trotz des kleinen Details, dass nichts irgend eine Mitschuld an den jüngsten antisemitischen Handlungen beweist. Die Bewegung "Gelbe Westen" begann erst im November und kann daher nicht für die Zunahme der Zahl antisemitischer Handlungen für das gesamte Jahr 2018 verantwortlich gemacht werden. Kleine Gruppen von Antisemiten, die versuchten, die Demonstrationen von "gelben Westen" zu infiltrieren, wurden rasch verjagt. Die Bewegung "Gelbe Westen" ist im Grunde genommen eine Bewegung gegen Steuern, die viele Franzosen für willkürlich halten; sie hat nichts mit Antisemitismus oder "Faschismus" zu tun.
Der Antisemitismus in Frankreich hat an Dynamik gewonnen. In den letzten 15 Jahren wurden in Frankreich elf Juden von antisemitischen Mördern ermordet, oft auf bestialische Weise. In immer mehr Quartieren ist der Alltag der französischen Juden unerträglich geworden. Viele, die über die Mittel verfügen, haben Frankreich verlassen. Viele, die nicht gegangen sind, sind in sicherere Gebiete des Landes gezogen. In den letzten zwei Jahrzehnten sind 20% der französischen Juden (100.000 Menschen) ausgewandert, und Zehntausende haben unsichere Orte, wie Seine-Saint-Denis, verlassen und sind innerhalb Frankreichs umgezogen.
Einige Journalisten haben festgestellt, dass eine Entscheidung, Menschen gegen eine "faschistische Gefahr" zu mobilisieren - und fast alle politischen Parteien zu vereinen, während die Rassemblement National ausgeschlossen ist - wie ein politischer Trick, unfair und voreingenommen erscheint. Sie betonten, dass die meisten antisemitischen Angriffe und alle Morde an Juden in Frankreich nicht von Mitgliedern des Rassemblement National oder "Faschisten", sondern von extremistischen Muslimen ausgeführt worden waren.
Ebenfalls am 19. Februar demonstrierten Zehntausende von Menschen in ganz Frankreich gegen Antisemitismus. Diese Proteste würden sicherlich lobenswert erscheinen - wenn sie keine versteckten Ziele hätten. Viele Kommentatoren scheinen jedoch zu denken, dass dies der Fall ist.
Einige Gemeindeführer betonten, dass die Demonstration gegen den Antisemitismus eine politische Operation sei, die darauf abziele, die "gelben Westen" zu dämonisieren, um die Angst vor einer nicht vorhandenen Gefahr zu wecken, um Macrons Partei Republic en Marche zu helfen, die Europawahlen im Mai zu gewinnen.
Andere Leute stellten fest, dass eine Demonstration, die die rechte Partei Rassemblement National ausschließt, ein Schritt war, der darauf abzielte, die Aufmerksamkeit von der tatsächlichen antisemitischen Gefahr abzulenken. Sie schlugen auch vor, dass politische Parteien, die Judenmörder unterstützen, genau diejenigen sind, die leugnen, dass der radikale Islam eine Gefahr darstellt.
Fernsehkommentatoren wiesen darauf hin, dass die Regierung die "antizionistische" Dimension der an Finkielkraut gerichteten Beleidigungen weitgehend ignoriert habe. Sie stellten auch fest, dass die Präsenz von Parteien wie der Kommunistischen Partei Frankreichs und Europäische Ökologie - die Terroristen unterstützen, die Juden ermorden - unter den Demonstranten ein Schock war.
Gilles William Goldnadel, Ehrenpräsident der Vereinigung Frankreich-Israel, veröffentlichte einen Artikel in Le Figaro, in dem es heißt:
"Den gelben Westen die Schuld zuzuschieben, ist ein Akt der Feigheit... Die Menschen aufzufordern, gegen Antisemitismus zu marschieren und gleichzeitig politische Parteien im Namen eines Fantasie-Antifaschismus zynisch abzulehnen, aber zu akzeptieren, an der Seite von Parteien zu stehen, die Mörder [von Juden] unterstützen, ist empörend... Es ist der Islamismus, der Juden in Frankreich tötet. Wir dürfen das nicht vergessen. Seit 1945 wurde jeder Tropfen jüdischen Blutes, der in Frankreich geflossen ist, durch den Islamismus vergossen".
Der Abgeordnete Meyer Habib sagte, dass "die Heuchelei neue Höhen erreicht, wenn Parteien, die Terroristenmörder loben, behaupten, gegen den Antisemitismus zu kämpfen". Er hat im Parlament die Liste der in Frankreich ermordeten Juden aufgezählt und die Namen ihrer Mörder genannt, um zu zeigen, dass sie alle radikalisierte Muslime waren. Er fügte hinzu, dass die Mobilisierung eine Mobilisierung gegen den "radikalen Islam" und nicht gegen die "Faschisten" sein sollte.
In einem Fernsehinterview definierte der Schriftsteller Éric Zemmour das Verhalten von Macron und der Regierung als "Maskerade der pyromanischen Feuerwehrleute":
"Sie behaupten, den Antisemitismus durch Angriffe auf imaginäre Faschisten zu bekämpfen, und sie tun dies im Bündnis mit Linken, die antisemitische Mörder unterstützen, aber sie tun nichts gegen die Islamisierung Frankreichs, die heute die Hauptquelle des Antisemitismus in Frankreich ist...
"Macron und die Regierung beschleunigen den Aufstieg des Islamismus, indem sie jedes Jahr Hunderttausende muslimischer Einwanderer aus Ländern, in denen Antisemitismus allgegenwärtig ist, in Frankreich aufnehmen und weiterhin blind repetieren, dass der Islam eine Religion des Friedens sei. Sie tragen aktiv zur Zunahme des Antisemitismus bei, indem sie den muslimischen Antisemitismus kaum anprangern."
Zemmour fügte hinzu:
"Macron hasst die gelben Westen und will, dass sie verschwinden. Er will die Europawahlen gewinnen, und er braucht die muslimischen Stimmen. Er weiß sehr wohl, wer die Antisemiten heute sind, wird sie aber nicht angreifen. Er braucht sie. Er greift [nur] diejenigen an, die für ihn gefährlich sind."
Er kam zum Schluss, dass er denkt, dass "Macron und die Regierung ihre Ziele in naher Zukunft erreichen könnten" - was bedeutet, die gelben Westen zu besiegen und Wahlen zu gewinnen, aber dass die Zukunft Frankreichs düster aussieht:
"Macron denkt, dass die Situation unter Kontrolle ist. Er täuscht sich. Während er den Faschismus anruft, um die gelben Westen zu zerschlagen und Wahlen zu gewinnen, nimmt ein Bündnis zwischen der extremen Linken - die junge Vorstadtmuslime für den Kampf gegen den Kapitalismus gewinnen will - und Islamisten, die Verbündete für die Islamisierung Frankreichs suchen, Gestalt an. Macron denkt, dass er Muslime benutzt; doch es sind die Handwerker der Islamisierung, die ihn benutzen."
Zemmour verwies auch auf den Mann, der Finkielkraut beleidigt und "Frankreich gehört uns" gerufen hatte:
"Islamisten haben Pläne. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, sie zu verstecken, doch niemand achtet darauf, wenn sie es sagen. Ein Projekt der islamischen Eroberung ist in Frankreich im Gange. Das ist es, was die Juden beunruhigen sollte."
Der Journalist Ivan Rioufol, der ebenfalls das Wort "Maskerade" benutzte, sprach von einem von der Regierung geführten Kampf gegen "fast nicht existierende Faschisten" und von der "Benutzung des Kampfes gegen den Antisemitismus", um "einen fast nicht existierenden Antisemitismus" zu vernichten und gleichzeitig "denjenigen Antisemitismus, der attackiert und tötet" zu schonen.
In einem kürzlich veröffentlichten Interview sagte Finkielkraut: "Wenn jemand sagt: Frankreich gehört uns, dann heißt das: Frankreich ist [für ihn] dazu bestimmt, islamischer Boden zu werden."
In einem Text, der am 23. November 2018 auf einer der wichtigsten französischen muslimischen Websites, islametinfo.fr, veröffentlicht wurde, schrieb der französische islamistische Prediger Elias d'Imzalene:
"Es liegt an uns, dem Aufstand eine politische Bedeutung zu verleihen. Ziel ist es nicht nur, eine Steuererhöhung in Frage zu stellen, sondern auch das politische System, das sie bewirkt... Wer ist legitimer als der politische Muslim - der seine Funktion als Erwecker der Massen und Ablehner der Unterdrückung übernimmt - um die Vorhut der Revolte zu sein?"
Ein Dokumentarfilm Unter einer falschen Identität des Journalisten Zvi Yehezkeli zeigte ausführlich, wie sich einige islamistische Organisationen darauf vorbereiten, die "Avantgarde der Revolte" zu sein und alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Kontrolle über Frankreich zu übernehmen. Einer der Befragten, ein Führer der Muslimbruderschaft in Frankreich, sagte, dass die Muslimbruderschaft an Boden gewinnt und auf die Hilfe der französischen Regierung zählen kann, die ihre Aktivitäten subventioniert. Der Mann wedelte mit Dokumenten vor der Kamera, um zu beweisen, was er sagt. Der Aufdruck ist sichtbar. Der Film wurde in Frankreich nie ausgestrahlt.
Zurück zu Macrons Rede beim CRIF-Dinner: Er redete kurz von "einem Antisemitismus auf der Grundlage des radikalen Islamismus", aber sofort - und inkorrekterweise: Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte: "Islam ist Islam" - definierte er den "radikalen Islamismus" als eine "deformierte Religion" und nicht als den wahren Islam. Er sagte ebenso kurz, dass "der Antizionismus eine Form von Antisemitismus ist", dass er aber nicht zu einer Abstimmung über ein Gesetz zur Verurteilung des Antizionismus auffordern würde.
Er fügte sofort hinzu, dass er beabsichtige, gegen "andere Hassgefühle zu kämpfen: Hass gegen Muslime, Rassismus in all seinen Formen, Anti-LGBT-Rassismus". Er sagte, er werde Verbände verbieten, die "Hass schüren". Dann nannte er drei Verbände, die er so rasch wie möglich verbieten wolle: eine sehr kleine neofaschistische Gruppe, Social Bastion, und zwei extrem kleine Nazi-Gruppen, Blood & Honor Hexagon und Combat 18. Er nannte keine linke, antifaschistische oder islamische Gruppe, obwohl diese offensichtlich für einen Großteil der Gewalt am Ende der "gelbe Westen" Demonstrationen verantwortlich und leicht identifizierbar sind: Viele haben Websites oder Adressen.
Macron erklärte, dass "die Außenpolitik Frankreichs bekannt" sei, aber er versäumte es, auf sie einzugehen. Er konnte ein jüdisches Publikum nicht ohne weiteres daran erinnern, dass Frankreich einer der Hauptunterstützer der Palästinensischen Autonomiebehörde ist, oder dass er die Entscheidung Israels "bedauert" hat, die vom Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, verwendeten Mittel, Mörder von Juden und ihren Familien zu belohnen, einzufrieren, oder dass er monatelang mit Deutschland und Großbritannien zusammengearbeitet hat, um einen Handelsmechanismus zu schaffen, der den iranischen Mullahs helfen soll, die oft wiederholen, dass sie Israel von der Landkarte fegen wollen.
Am 20. Februar fand in Paris die fünfzehnte Demonstration der "gelben Westen" ohne größere Zwischenfälle statt. Die Polizei benutzte ein paar Sprenggranaten, doch niemand wurde verletzt. Es gab keine antisemitischen Angriffe. Eine vollverschleierte Frau, die eine gelbe Weste trug, auf der antijüdische Slogans geschrieben waren, wurde von Demonstranten gebeten, zu gehen. Sie war in Begleitung einiger bärtiger Männer, die auch gelbe Westen trugen. Sie sind alle ruhig gegangen.
Am nächsten Tag fand im Zentrum von Paris eine weitere Demonstration statt. Pro-palästinensische Befürworter versammelten sich, um die Freilassung von "palästinensischen politischen Gefangenen" zu fordern. Sie schwenkten Bilder von Menschen, die wegen des Mordes an Juden verurteilt worden waren und sich nun in israelischen Gefängnissen befanden, und Schilder, auf denen stand: "Israel ermordet palästinensische Kinder", "Zerstört die israelische Apartheid" und "Tod für Israel". Macron und die französische Regierung scheinen die Organisatoren dieser Demonstration nicht für problematisch zu halten.
Dr. Guy Millière, Professor an der Universität Paris, ist Autor von 27 Büchern über Frankreich und Europa.