Laut Ayaan Hirsi Ali, die aus ihrem Heimatland Somalia geflohen ist und heute in den USA lebt: "Was die Medien Ihnen nicht sagen, ist, dass Amerika der beste Ort auf der Welt ist, um schwarz, weiblich, schwul, trans oder was auch immer zu sein. Wir haben unsere Probleme, und wir müssen sie angehen. Aber unsere Gesellschaft und unser System sind alles andere als rassistisch." (Foto von Mark Wilson/Getty Images) |
Die Vereinigten Staaten haben die Sklaverei vor 150 Jahren abgeschafft und sich für Minderheiten eingesetzt. Es ist das Land, das einen schwarzen Präsidenten, Barack Obama, gewählt hat – zweimal! Doch eine neue Bewegung stürzt ein historisches Monument nach dem anderen, als ob die USA immer noch Afroamerikaner versklaven würden. Aktivisten in Washington DC haben sogar ein Emanzipationsdenkmal ins Visier genommen, auf dem Präsident Abraham Lincoln abgebildet ist, der für die Befreiung der Sklaven mit seinem Leben bezahlt hat.
Heute gibt es in vielen Teilen Afrikas und des Nahen Ostens immer noch Sklaverei, doch die sich selbst geißelnde westliche Öffentlichkeit fokussiert sich zwanghaft nur auf die westliche Vergangenheit der afrikanischen Sklaverei und nicht auf die echte, anhaltende Sklaverei, der es blendend geht – und die ignoriert wird. Für die Sklaven von heute gibt es keine Demonstrationen auf den Straßen, keinen internationalen politischen Druck und praktisch keine Artikel in den Medien.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass die arabischen Moslems auf diesem Gebiet Meister waren", schrieb Kamel Bencheikh, ein muslimischer Dichter, in Le Matin d'Algerie.
"Emire und Sultane kauften ganze Konvois junger schwarzer Epheben, um sie zu Eunuchen zu machen, die ihre Harems bewachen. Und so ging es mit den osmanischen Kaisern weiter... Auch heute noch beherbergen Mauretanien und Saudi-Arabien ihren eigenen Ku-Klux-Klan. Sklaverei ist in Nouakchott [Mauretanien] immer noch an der Tagesordnung. Was Riad betrifft, so müssen Sie nur etwas über junge asiatische Mädchen recherchieren gehen, die die Potentaten als Dienstmädchen einstellen."
Eine Untersuchung von BBC Arabic ergab, dass Hausangestellte in Saudi-Arabien sogar online auf einem boomenden Sklavenmarkt verkauft werden.
Laut Bencheikh war der Tod von George Floyd für viele in Europa eine Gelegenheit, einen respektablen Kampf in eine unvorstellbare Verderbnis zu verwandeln.
"So gibt es auf der Place de la République in Paris oder der Avenue Louise in Brüssel rachsüchtige, von Hass genährte Schlägertypen, die die ihnen von diesen beiden Ländern angebotenen finanziellen Zuteilungen ausnützen und die Vergangenheit derer angreifen, die es ihnen ermöglicht haben, sich von ihren Diktaturen zu befreien...
"In Frankreich und Belgien richten wir keine Abtrünnigen hin, kreuzigen keine heterodoxen Menschen, werfen keine Steine auf untreue Frauen, spucken keine Ketzer an...
"... dieser Antirassismus beißt sich in den Schwanz, um sich in Rassismus zu verwandeln. Man braucht nur die wütende Menge zu sehen, den Sabber auf ihren Lippen, um zu erkennen, daß wir es mit Menschen zu tun haben, die gekommen sind, um den weißen Mann zu beleidigen, der sich schuldig gemacht hat, vor mehr als hundert Jahren unangebrachte Gesten oder schändliche Gedanken gehabt zu haben, und um darauf zu bestehen, wie der Wolf in La Fontaine, der zum Lamm sagte: 'Wenn nicht du, dann dein Bruder'... Der Totalitarismus ist wieder unter uns."
Er nennt es einen "Stalinismus des Kommunitarismus (Sektenpolitik), der sich selbst zu einem indigenen Opfer macht". Menschen, die vor Bouteflika und Gaddafi, den Unterdrückern und Tyrannen von Kinshasa und Niamey, geflohen sind, "kommen und spucken in Paris oder Brüssel unverständlichen Hass".
Der Artikel von Bencheikh zeigt nur eine mutige Gruppe von Dissidenten in der islamischen Welt, die den Westen besser verteidigt als die Westler. Diese Dissidenten lieben die Meinungs- und Gewissensfreiheit; sie kennen den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur; sie genießen religiöse Toleranz, Pluralismus im öffentlichen Raum, und sie kritisieren offen die Praxis des Islam, vor dem sie geflohen sind. Sie wissen auch, dass es ein gefährliches Spiel ist, historische und rassistische Ressentiments zu wecken. Für den politischen Islam sind ihre Stimmen verräterisch und verheerend. Für den westlichen Multikulturalismus sind sie "ketzerisch" und lästig. Le Figaro wies auf dieses Paradoxon hin: "Von ihren Gemeinschaften als 'Verräter' angesehen, werden sie von den Eliten im Westen der 'Stigmatisierung' beschuldigt".
In The Spectator erklärte Nick Cohen:
"In der links-orientalistischen Weltsicht ist der einzige 'authentische' Muslim ein Barbar. Eine Reihe von Beleidigungen schießt auf jeden Muslim, der etwas anderes sagt. Sie sind 'Neokonservative', 'einheimische Informanten' und 'Zionisten': Sie sind so extrem wie Dschihadisten, die sie ablehnen, oder, seien wir ehrlich, noch schlimmer..."
Wie Bencheikh erinnert auch der algerische Schriftsteller Mohammed Sifaoui uns alle daran, dass "Mauretanien in Nordafrika heute dasjenige Land der Welt ist, das die Sklaverei am stärksten stützt. Auch Katar im Nahen Osten steht ebenso wie Saudi-Arabien unter dem Banner der Wächter der heiligen Stätten des Islam."
Die Autorin Ayaan Hirsi Ali, die aus ihrer Heimat Somalia floh und heute in den USA lebt, schreibt:
"Was die Medien Ihnen nicht sagen, ist, dass Amerika der beste Ort auf der Welt ist, um schwarz, weiblich, schwul, trans oder was auch immer zu sein. Wir haben unsere Probleme und müssen diese angehen. Aber unsere Gesellschaft und unser System sind alles andere als rassistisch".
Schwarz, weiblich und homosexuell, der Gipfel der "Intersektionalität". Laut Andrew Sullivan:
"'Intersektionalität' ist der neueste akademische Wahn, der die amerikanische Akademie erfasst hat. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um eine neuere neomarxistische Theorie, die argumentiert, dass soziale Unterdrückung sich nicht nur auf einzelne Identitätskategorien – wie Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Klasse usw. – bezieht, sondern auf alles zusammen in einem ineinander greifenden System von Hierarchie und Macht."
Für die intersektionellen Aktivisten sind die USA der größte Unterdrücker der Welt. Nicht Saudi-Arabien oder der Iran. Hirsi Ali, die aus Somalia geflohen ist und weibliche Genitalverstümmelung erlebt hat, kennt sich mit Unterdrückung besser aus als Anti-Statuen-Aktivisten. Wie Hirsi Ali im The Wall Street Journal schreibt:
"Wenn ich höre, dass die USA vor allem durch Rassismus definiert werden, wenn ich sehe, dass Bücher wie Robin DiAngelos 'White Fragility' ganz oben auf der Bestsellerliste stehen, wenn ich lese, dass Pädagogen und Journalisten gefeuert werden, weil sie es gewagt haben, die Orthodoxien von 'Black Lives Matter' in Frage zu stellen – dann fühle ich mich verpflichtet, etwas zu sagen... Amerika sieht anders aus, wenn man, wie ich, in Afrika und im Nahen Osten aufgewachsen ist".
Der algerische Schriftsteller Kamel Daoud hat in Le Monde und Le Point diese Heuchelei angeklagt. "In der Luft der totalen Revolution liegt ein Todestrieb", stellt Daoud fest.
"Manchen zufolge ist der Westen per definitionem schuldig, wir befinden uns nicht in einer Forderung nach Veränderung, sondern, nach und nach, in [einer Forderung nach] Zerstörung, der Wiederherstellung einer Barbarei der Rache."
Daoud bezeichnet dies als "anti-westliche Prozesse nach sowjetischem Muster".
"Es ist verboten zu sagen, dass der Westen auch der Ort ist, an den wir fliehen, wenn wir der Ungerechtigkeit unseres Herkunftslandes, der Diktatur, dem Krieg, dem Hunger oder einfach der Langeweile entfliehen wollen. Es ist Mode zu sagen, dass der Westen an allem schuldig ist."
In Le Point stellt Daoud fest, dass "mit der großen Ankündigung des Antirassismus die Inquisition zurückkehrt".
Daoud wurde in einem Appell in Le Monde von zwanzig linken Akademikern der "orientalistischen Klischees" und des "kolonialistischen Paternalismus" beschuldigt. Dieser neue Rassismusvorwurf dient dazu, einen Politiker oder Intellektuellen, der sich mit zu viel Offenheit über die Schäden des Multikulturalismus äußert, öffentlich zu beschämen, zu brandmarken und zu disqualifizieren.
Zineb el Rhazoui, ein in Marokko geborener antiislamistischer französischer Journalist, der sich mit Todesdrohungen konfrontiert sieht, sagte kürzlich:
"Der einzige Rassismus, unter dem ich leide, kommt von Nordafrikanern. Für die Algerier bin ich eine marokkanische Hure. Für die Marokkaner bin ich eine algerische Hure. Für beide bin ich eine 'Hure der Juden'."
Araber drohen anderen Arabern, weil sie die Wahrheit über echten Rassismus und Islamisierung sagen. Sie sind die unsichtbaren Opfer des Rassismus in Frankreich. Rhazoui sagte, dass "Frankreich eines der tolerantesten und am wenigsten rassistischen Länder der Welt ist", und dass die wirkliche Bedrohung nicht der Rassismus, sondern der Kommunitarismus sei [wobei der Schwerpunkt auf Gruppen und nicht auf Einzelpersonen gelegt wird], der auch vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angeprangert wurde.
Der iranische Schriftsteller Abnousse Shalmani, der in Teheran geboren wurde und jetzt in Paris lebt, sagte zu Le Figaro:
"Der neue Antirassismus ist ein als Humanismus getarnter Rassismus (...) Was in diesem Diskurs mitschwingt, ist das Gefängnis der Viktimisierung... Es impliziert, dass jeder Weiße schlecht ist – wie die kürzlich erfolgte Entlarvung der Statuen von Victor Schoelcher, dem Vater der Abschaffung der Sklaverei, auf Martinique bezeugt – und dass jeder Schwarze ein Opfer ist."
Während der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty in Le Monde den Westen zur Wiedergutmachung seiner kolonialen Vergangenheit aufrief, forderte der französisch-senegalesische Autor Fatou Diome die Aufgabe eines Diskurses über die Entkolonialisierung:
"Es ist eine Notlage für jene, die noch nicht wissen, dass sie frei sind. Ich betrachte mich nicht als kolonialisiert. Das Schlagwort von Kolonisierung und Sklaverei ist zu einem Business geworden."
Die "Ideologie" ist einfach: Der Kolonialismus ist angeblich immer noch am Werk, Menschen aus ehemals kolonialisierten Ländern werden weiterhin unterdrückt, insbesondere Muslime, die angeblich Ziele eines "rassistischen" und "islamfeindlichen" Hasses sind. In dieser Sichtweise sind "weiße westliche Männer" immer die Unterdrücker, und die Minderheiten sind immer Opfer.
Eine prominente Anti-Rassismus-Kämpferin, Rokhaya Diallo, hat gesagt, Frankreich sei "rassistisch" in einer Opposition zwischen "dem Herrscher" und "den Beherrschten". Es ist eine Ansicht, die Rassismus überall sieht, vor allem dort, wo es ihn nicht gibt. Sie hat auch viele der Katastrophen des Multikulturalismus in ganz Europa hervorgebracht, indem sie es unmöglich machte, die Folgen der Masseneinwanderung und des islamistischen Separatismus zu kritisieren. Der französische Autor Pascal Bruckner hat diese Haltung als "imaginären Rassismus" bezeichnet. Es handelt sich um eine Buße, die die Öffentlichkeit im Westen – auch wenn vermutlich niemand im Westen je Sklave war oder je einen Sklaven hatte – dazu bringt, zu glauben, dass anti-westlicher Hass verdient ist.
Die Grenze zwischen dieser marxistischen Auffassung, in der immer jemand Opfer sein muss, ist mit dem Islamismus durchlässig geworden. In der nach Adama Traoré, der "französischen George Floyd", benannten Bewegung, findet man eine Allianz von Organisationen wie SOS Rassismus und Muslimische Salafisten. Menschenrechtsorganisationen demonstrieren zusammen mit der "Union der Islamischen Organisation Frankreichs", die als fundamentalistisch gilt.
Manuel Valls, der ehemalige französische Premierminister, sagte in einem Interview mit der Zeitschrift Valuers Actuelles: "Menschenrechtsvereinigungen sind in die Irre gegangen und haben die Türen zu Tariq Ramadan geöffnet." Dies, anstatt sich auf die Seite der vielen großen muslimischen Reformer zu stellen. Ayaan Hirsi Ali schreibt:
"Reformer wie Asra Nomani, Irshad Manji, Tawfiq Hamid, Maajid Nawaz, Zuhdi Jasser, Saleem Ahmed, Yunis Qandil, Seyran Ates, Bassam Tibi und Abd al-Hamid al-Ansari müssen unterstützt und geschützt werden... Diese Reformer sollten im Westen so bekannt sein wie Solschenizyn, Sacharow und Havel Generationen zuvor. Stattdessen haben sich so genannte Menschenrechtsvereinigungen, Politiker und die Medien dafür entschieden, den politischen Islam zu unterstützen."
Im Kontrast dazu hat eine Gruppe von 12 Schriftstellern in der französischen Zeitschrift Charlie Hebdo eine Erklärung veröffentlicht, in der sie vor dem islamischen "Totalitarismus" warnten.
"Nach der Überwindung von Faschismus, Nazismus und Stalinismus sieht sich die Welt nun einer neuen globalen totalitären Bedrohung gegenüber: dem Islamismus. Wir, Schriftsteller, Journalisten, Intellektuelle, rufen zum Widerstand gegen den religiösen Totalitarismus und zur Förderung von Freiheit, Chancengleichheit und säkularen Werten für alle auf."
Von den 12 Unterzeichnern kamen acht aus der islamischen Welt.
Diese antiislamistischen muslimischen Intellektuellen sind nicht frei geboren; sie sind vor Diktaturen in Demokratien geflohen, in denen sie zwar immer noch Todesdrohungen und Misshandlungen ausgesetzt sind, in denen sie aber viel freier und stolzer auf den Westen sind als jene Westler, die nur Freiheit kennen, jetzt aber ein furchtbares Schuldgefühl praktizieren – zumeist für Dinge, die sie nicht getan haben.
Der Westen wendet sich nicht nur von den neuen Sklavenmärkten ab; der UNO-Menschenrechtsrat heißt sogar Staaten wie den Sudan willkommen, wo Zehntausende Frauen und Kinder aus überwiegend christlichen Dörfern während der Dschihadi-Überfälle versklavt wurden; Kenia und Nigeria, wo die Polizei im vergangenen Herbst Hunderte von Männern und Knaben, die in einer islamischen Schule in Ketten gelegt waren, befreit hat; Pakistan, wo Christen zur Knechtschaft verurteilt sind, und Mauretanien, wo zwei von 100 Menschen nach wie vor als Sklaven gehalten werden. Es ist derselbe UNO-Menschenrechtsrat, der nun, dank des Drucks afrikanischer Länder, "systemischen Rassismus in den USA" untersuchen will. Der US-Außenminister Mike Pompeo bemerkte:
"Wenn der Rat ehrlich wäre, würde er die Stärken der amerikanischen Demokratie anerkennen und autoritäre Regime auf der ganzen Welt dazu drängen, die amerikanische Demokratie als Vorbild zu nehmen und ihre Nationen zu denselben hohen Standards der Rechenschaftspflicht und Transparenz anzuhalten, die wir Amerikaner an uns selbst stellen."
Es ist höchste Zeit für die Vereinigten Staaten, die Finanzierung der Vereinten Nationen einzustellen. Die Vereinten Nationen werden benutzt, um Ungerechtigkeit zu perpetuieren, nicht um sie zu beenden.
Echte Sklavenhändler und Rassisten – diejenigen, die glauben, dass westliche Gesellschaften und Werte überhaupt nicht existieren sollten – sehen sich höchstwahrscheinlich die gegenwärtige Selbstgeißelung des Westens an und jubeln voller Zustimmung.
Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist ein italienischer Journalist und Autor.