Nach den beiden tödlichen Terrorattacken in der dänischen Hauptstadt dauerte es nicht länger als ein paar Stunden, bis die übliche Phalanx der Fürsprecher des Islamismus in Aktion trat.
Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt traf um kurz nach 15 Uhr im Krudttønden-Kulturcafé ein, wo der 22 Jahre alte Omar Abdel Hamid el-Hussein an jenem Samstag auf einen der Gäste, der an einer Diskussion über Redefreiheit teilgenommen hatte, geschossen und ihn getötet hatte. Sie drückte den Familien des Opfers und des Polizisten, der im Schusswechsel mit el-Hussein verwundet worden war, ihr Mitgefühl aus. Gleichzeitig betonte sie die Notwendigkeit der nationalen Einheit in dieser Zeit des Schreckens.
An der Diskussion, gegen die sich der Angriff richtete, hatte auch der schwedische Künstler Lars Vilks teilgenommen – der berühmt ist für seine Zeichnung Mohammeds als Hund in einem Kreisverkehr, und dem der Anschlag mutmaßlich gegolten hatte –, ebenso wie der französische Botschafter.
Die erste Frage, die Thorning-Schmidt von einem der Journalisten gestellt wurde, lautete: "Wie wird dies Ihrer Meinung nach die in Dänemark lebenden Muslime berühren?" Keiner der Journalisten fragte: "Was werden Sie tun, um uns vor dieser islamistischen Brutalität zu schützen?" Oder: "Wie können Sie den derzeitigen Massenzustrom von Muslimen zulassen, wo wir offensichtlich nicht dazu in der Lage waren, diejenigen zu integrieren, die bereits hier sind?"
Diese Fragen werden nun von einer wachsenden Zahl von normalen Dänen gestellt, etwa in den sozialen Medien; doch bislang hat kein Politiker von Bedeutung irgendeine Verbindung zwischen Terror, Einwanderung, dem Aufbau von muslimischen Parallelgesellschaften und dem Islam eingeräumt – und das, obwohl Zeugen gehört hatten, wie el-Hussein auf Arabisch schrie, als er die verbleibende Munition seiner automatischen Waffe auf die Glastür des Krudttønden abfeuerte, nachdem er den 55-jährigen Filmregisseur Finn Nørgaard erschossen hatte, der draußen gestanden hatte.
El-Hussein gelang die Flucht, und viele Stunden später – kurz vor ein Uhr morgens am Sonntag – tauchte er vor der Synagoge in Krystalgade im Zentrum Kopenhagens auf. Dort standen Dan Uzan, der freiwillige Wachmann der jüdischen Gemeinde, und zwei Polizisten. Sie beschützten eine Bat Mitzvah-Party, die in einem Gebäude hinter der Synagoge stattfand. Indem er so tat, als sei er betrunken, gelang es El-Hussein, nahe an den Zaun vor der Synagoge zu kommen; dann erschoss er Dan Uzan und verwundete die beiden Polizisten, deren automatische Waffen nicht funktionierten.
Zu diesem Zeitpunkt kannte die Polizei die Identität des Täters. Er wurde einige Stunden später vor einem Gebäude des stark von Muslimen bewohnten Stadtteils Nørrebro erschossen, nachdem er das Feuer auf die Polizei eröffnet hatte.
Zwei mutmaßliche Komplizen, 19 und 22 Jahre alt, wurden kurz darauf festgenommen; ihnen soll nun der Prozess gemacht werden.
Keine Erwähnung des Islam
Nach Omar el-Husseins beiden Amokläufen hätte es den Politikern sonnenklar sein müssen, dass Dänemark das Ziel von religiös motiviertem Terror ist, und dass sich dieser, ebenso wie in Paris, gegen Redefreiheit und die jüdische Gemeinde richtet.
Gleichwohl hielt es keiner von ihnen – weder ein Vertreter der Regierung noch der Opposition – für angebracht, den Islam als eine treibende Kraft zu benennen. Statt dessen scheute niemand eine Mühe, um die Notwendigkeit der Einheit der Religionen zu betonen. Dan Rosenberg Asmussen, der Vorsitzende der Gemeinschaft des jüdischen Glaubens (Mosaisk Troessamfund), hob hervor, wie wichtig es für "Muslime, Christen und Juden" sei, in dieser Zeit der Zwietracht zusammenzustehen.
Rosenberg Asmussen wäre enttäuscht gewesen, hätte er gehört, was Imam Hadschi Saeed von der Al-Faruq-Mosche in Kopenhagen seiner Gemeinde am 13. Februar, dem Tag vor den Terroranschlägen, gesagt hatte: Imam Saeed wies jeden Gedanken an einen interreligiösen Dialog zurück und merkte an, dass der Prophet Mohammed Krieg gegen seine jüdischen Nachbarn geführt hat, statt mit ihnen in einen Dialog zu treten.
Am Tag nach den tödlichen Schüssen trat die Abgeordnete Inger Støjberg, Sprecherin der wichtigsten liberalen Oppositionspartei (Venstre), vor die Fernsehkameras und sagte: "Wir haben es mit einer kleinen Gruppe zu tun, die den Koran missbraucht."
Mit anderen Worten: Wieder einmal sehen wir uns einem oder mehreren Muslimen gegenüber, die ihre eigene Religion völlig falsch verstanden haben. Die stillschweigende Folgerung ist natürlich, dass die Dänen von der rasant steigenden Zahl von Muslimen oder der Verbreitung des Islam nichts zu befürchten hätten.
Interessanterweise machte der Mörder, Omar el-Hussein, keinen Hehl daraus, dass er im Einklang mit islamischen Lehren gehandelt hatte. Am Samstag um 15.24 Uhr, neun Minuten vor seinem Anschlag auf das Krudttønden, postete er den folgenden Kommentar auf Facebook:
"Ich folge Abu Bakr gehorsam und demütig in schlechten wie in guten Zeiten und werde die mir erteilten Befehle nicht missachten, es sei denn, ich beobachte offenen Unglauben."
Die Facebook-Botschaft wurde von der landesweit erscheinenden Tageszeitung B.T. enthüllt, die sie aus dem Arabischen ins Dänische übersetzt hatte. Die Zeitung nimmt an, dass sich "Abu Bakr" auf Abu Bakr al-Baghdadi bezieht, den selbsternannten Kalifen des Islamischen Staats.
Etwas früher, um 15.01 Uhr am selben Tag, hatte el-Hussein auf seiner Facebookseite den Koran (Sure 59, Vers 2) zitiert: "Er ist es, Der diejenigen von den Völkern der Schrift [Juden und Christen], die ungläubig sind, aus ihren Wohnstätten zur ersten Versammlung vertrieben hat. Ihr habt nicht geglaubt, dass sie fortziehen würden; und sie meinten, dass ihre Festungen sie vor Allah schützten. Da kam Allah über sie, von wo sie nicht (damit) rechneten, und jagte in ihre Herzen Schrecken, so dass sie ihre Häuser mit ihren (eigenen) Händen und den Händen der Gläubigen zerstörten. Darum zieht die Lehre daraus, o die ihr Einsicht besitzt."
Es sollte scheinen, dass Omar el-Hussein nicht irgendetwas "missbraucht" hat, sondern bloß Allah und seinem Propheten gefolgt ist.
Eine kleine Gruppe?
Woher wissen die Abgeordnete Inger Støjberg und andere Politiker, die dasselbe sagen wie sie, dass die Dänen es bloß mit einer "kleinen Gruppe" zu tun haben?
Wie sich herausstellte, haben Omar el-Hussein und seine Komplizen in und um das muslimische Siedlungsgebiet Nørrebro in Kopenhagen einen veritablen Fanclub, wie dieses französische Video beweist, welches der Blog Gates of Vienna mit englischen Untertiteln versehen veröffentlicht hat. Das dänische Fernsehen hat auch andere junge Muslime interviewt, die Unterstützung für el-Hussein bekundeten und offen erklärten, dass Leute, die es wagen, den Propheten zu kritisieren – wie etwa, in diesem Fall, der schwedische Künstler Lars Vilks – getötet werden müssten.
Die radikale muslimische Organisation Hizb ut-Tahrir, die bei ihren Demonstrationen in Kopenhagen regelmäßig über tausend Unterstützer auf die Straße bringt, weigert sich, die Terroranschläge jenes Wochenendes zu verurteilen. In einer vom Sprecher der Organisation, Junes Knock, veröffentlichten Presseerklärung heißt es:
"Es ist höchst wichtig, dass wir als Muslime uns nicht von [el-Husseins Taten] distanzieren, sondern die Dinge in den richtigen Zusammenhang stellen. Es sind vielmehr die dänischen Politiker und Medien, die sich von der Politik distanzieren sollten, die die Umstände geschaffen hat, die zu Hass, Drohungen, gewalttätigen Angriffen und schließlich zu Mord führen, egal, wer das Opfer sein mag. Wir dürfen dem Druck unter keinen Umständen nachgeben oder die Annahme akzeptieren, dass der Islam auf der Anklagebank ist."
Wie es scheint, kann Hizb ut-Tahrir ganz beruhigt sein: Niemand setzt den Islam auf die Anklagebank. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Politiker und Medien den Dänen weiterhin erzählen, dass sie vom Islam nichts zu fürchten hätten.
Die Frage ist: Werden die normalen Dänen ihnen weiterhin glauben?