Viele Menschen hofften drei Tage nach dem Terroranschlag in Paris auf Präsident Obama. Würde er nun die G20-Staatengruppe gegen den "Islamstaat" einen und seine Strategie für einen Durchbruch ändern? Immerhin waren in Antalya die Vertreter, deren Länder bis drei Viertel des Weltprodukts schaffen. Hingegen leben im "Islamstaat" – ein Begriff, den Arabisten wie Martin Hartmann seit 1912 im aktuellen Sinne benutzten – kaum fünf Millionen Menschen in Armut. Jedoch erzielt dieser ISIL noch viele Gewinne. Wie absehbar, verteidigte Barack H. Obama nur seine Strategie, die mit genügend Zeit Erfolg haben werde. Seine Rede Montag vor einer Woche überzeugte wenig.
Die Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfels in Antalya. (Foto: Wikimedia Commons) |
Präsident Obama verfängt sich. Er betont, die Ideologie sei das Problem und bleibt aber unfähig, diese zu benennen, eine Strategie dagegen abzuleiten. Im Gegenteil, er vernebelt dies, indem er sagt, dies habe "nichts mit dem Islam zu tun". Zum anderen erklärte er vor den Pariser Angriffen, ISIS wäre eingegrenzt. Doch widerlegt ihn der Alltag; und diese Ideologie wird noch lange wirken, aber auch in Amerika und Europa, wo die Basis dafür entsteht.
Obama weitet Konfessionszwiste, indem er Irans Schiiten stärkt. Ihm zufolge bedarf eine politische Syrien-Regelung des Brückenschlags unter Schiiten und Sunniten. Ebenso sagt er, Islamführer mögen besser die "verdrehte Ideologie" delegitimieren, gibt ihnen aber auf, diese wäre nicht der Islam. Er kann nicht alles wissen, muss sich dazu aber Expertise beschaffen.
US-Bodentruppen seien sinnlos ohne inklusive anti-extremistische Regierungen, die den Kriegsgewinn sichern. Diesen Anspruch hängt Obama zu hoch. Da könnte er lange warten. Aber die einzige Macht, die eine Koalition benachbarter Williger im Bodenkrieg vereinen könnte, entzieht er weiterhin. Präsident Hollandes neue Dreierachse Amerika-Frankreich-Russland scheitert an ihren Gegensätzen. Die Qual geht weiter, nun vermehrt um die Debatte über die Kriegsflüchtlinge im Westen.
Flüchtlinge aus Syrien
Vizepräsident Joe Biden sprach Samstag, am 21. November, die Worte der Woche. Flüchtlinge unterlägen der rigorosen Überprüfung. Fingerabrücke, Hintergrundcheck, Interviews und vier Agenturen zeichneten jeden ab. Syrische Flüchtlinge – bisher kaum 2.000 – warten 18 bis 24 Monate, ehe sie nach Amerika dürfen. Oppositionelle zweifeln, ob es wirklich sichere Daten aus einem Kriegsgebiet gebe. Biden zitierte den Führer des "Islamstaats", wonach Muslime im Westen nur vom Islam abfallen oder in sein Reich heimkehren können, um diesem zu entfliehen. Biden wirbt, insgesamt weder die Menschlichkeit noch die Werte zu vergessen.
Doch eine Mehrheit der Amerikaner möchte zurzeit keine neuen Flüchtlinge aufnehmen. Zu ihnen gesellten sich 31 der 50 Gouverneure, die den Zustrom für ihre Staaten abweisen. Dies gerät in den Wahlkampf und in das Gefühl, der Westen verliert im Globalkrieg. Israel ist als Demokratie in Mittelost belagert, wird noch durch Europäer mit einem Boykott bedrängt. Wo bleibt dazu Kanzlerin Merkel (Berlin zählt nicht zu den 16 Beteiligten)? Sie erklärt morgen, den 24. November, dem jährlichen Arbeitgebertag, es gebe eine Vielzahl freier Stellen. Nach dem, was sie jetzt wisse, erhalte man den ausgeglichenen Haushalt. Die Wirtschaft biete Praktika an, ein Amt Sprachkurse.
Vor der Presse zum 8. Integrationsgipfel, am 17. November zur Gesundheit und Pflege, sagte sie, was Integration sei: a) dass man sich an die Regeln, die Gesetze Deutschlands halte, dass es b) möglich ist, dass man an den Chancen dieser Gesellschaft partizipiert, und dass c) die Gesellschaft bereit ist, tolerant zu sein und vielleicht eine Sehnsucht danach hat, dass sie vielfältiger werden möchte, dass sie also ebenso andere Eindrücke aufnimmt und durchaus bereit ist, das auch als Bereicherung zu verstehen. Komme dies alles zusammen, dann sei Integration möglich ist. Und niemand verstehe Integration so, dass jemand auf seine kulturelle Prägung verzichten solle. Aber sehnen sich die Bürger heute wirklich nach der Vielfalt?
Sicher beim Fußball. Doch musste das Hannoveraner Spiel wegen Terrorgefahr abgesagt werden. Die Kanzlerin wollte dort sein, um ein "Zeichen gegen islamistischen Terror zu setzen". Sagte nicht ihr Innenminister, es gäbe keine Anzeichen, dass unter Flüchtlingen aus Syrien Terroristen wären? Also nach Paris kamen zwei Jihadis mit diesem Strom. Es wäre ein Wunder, würde der "Islamstaat" diesen sehr leichten Zugang nicht für seine Pläne B und C benutzen. Dennoch ist ein Generalverdacht falsch. Angela Merkel mag absichern, dass alle so wie in Amerika überprüft werden. Dies wird ein Test für ihr humanes Willkommen.
Die Kanzlerin spricht zudem über interkulturelle Angebote, Dolmetscher und rechtlich gleichberechtigten Zugang im Gesundheitswesen. Ihr geht es um kulturelle Sensibilität, Materialien der Information und eine kultursensible Pflege für Anspruchsberechtigte. Noch fehlen verlässliche Daten und Transparenz. Etwa 200 Migrantenorganisationen traten mit einem gemeinsamen Positionspapier auf. Viele träumen von der interkulturellen Öffnung, obwohl doch die Kanzlerin vor einigen Jahren "Multikulti" als Modell "gescheitert" ansah. Wo bleibt ihr stimmiges Konzept?
Merkels Kurs ist fraglich. Noch ignoriert sie dessen demokratische Legitimierung durch Referendum oder Vertrauensfrage. Holt sie ihr ostdeutsches Gestern ein, zumal sie kaum lange in Ausland lebte und mit Mittelost recht unvertraut blieb? Sie hegte dort keine praktikable Politik und trug durch ihre lange Abwehr eines Berliner Engagements zur Syrienkrise bei. Befragt nach einem internationalen Einsatz, verwies sie auf den Genfer Weg. Sie sollte für mehr Wissen um Kulturen, Mittelost und Europa sorgen. Wenn ISIS verfällt, wirkt noch deren Ideologie. Alle mögen lernen, damit sich wenig wiederholt.