Präsident Obama befahl am Freitag, 50 weitere Berater lokalen Truppen im Kampf gegen den "Islamstaat" beizugeben. Wie sein Schritt in Afghanistan, 10.000 Soldaten über 2016 zu behalten, ist beides keine Wende in seinem Kurs gegenüber dem blutigen Konflikt. Im Gegenteil, er bleibt seiner Rückzugspolitik seit September 2013 treu, keine Bodentruppen in Krieg zu senden. Am selben Tag begannen vier Länder den politischen Ansatz Genf 3.
Nachfolgetreffen zum Waffenstillstand im Syrienkrieg, jetzt im fünften Jahr, beziehen auch Jordanien, Ägypten und Iran ein. Doch bleibt es ein Tauziehen globaler und regionaler Antagonisten wie Amerika und Russland oder Saudi-Arabien und Iran. Offen ist, wie lange Präsident Bashshar al-Asad mitwirken soll. Moskau möchte ihn behalten, Washington und Paris aber verschwinden sehen oder allenfalls noch für eine kurze Übergangszeit belassen.
Steht im Krieg so ein Prozess bevor, versuchen einige Parteien durch intensivere Gefechte, ihre Positionen zu verbessern. Ankara, wo eben Präsident Erdoğans islamistische Partei am 1. November in Wahlen wieder eine parlamentarische Mehrheit erzielt hat, sandte am Vortage noch Jets gegen Positionen des "Islamstaats" in Syrien. Angeblich standen die Jihadisten hinter einem Bombenanschlag in Ankara, dem mehr als 100 Personen zum Opfer fielen. Zudem töteten iranische Milizen 23 iranische Oppositionelle der Volks-Mujahidin bei Bagdad. Al-Asad ließ über 40 Personen einer oppositionellen Gruppe im Damaszener Vorort Duma beseitigen. Seit dem 30. September, also Präsident Putins Eingriff, intensivieren sich allseits Gefechte.
Regionalblöcke
Vier Kräftegruppen sind involviert. Israel versucht, nicht verwickelt zu werden. Der Kreml leitet die Schiiten-Gruppe um al-Asad und Iran samt Hizballah. Washington hat um sich Sunniten-Gruppen mit der Türkei, den Golfstaaten und Oppositionellen geschart. Freilich kam es jüngst zu Umgruppierungen. Zudem ist auch nicht sicher, inwieweit einige Länder wie Saudi-Arabien und Ägypten noch mehr zu Präsident Obamas Rivalen Putin zuneigen, der Kräfte wie die Freie Syrische Armee bekämpft, die das Weiße Haus aufzubauen sucht. Zwar vereinbarten Obama und Putin Regeln, nicht gegenseitig hineingezogen zu werden. Doch kann dies passieren. Schließlich wirken Jihadis des "Islamstaats" ein, die sich noch halten.
Insgesamt hat Wladimir W. Putin die Initiative an sich gezogen und die Flüchtlingskrise in Europa weiter vertieft. Millionen sind auf dem Weg oder bereiten sich dafür vor. Schauen wir zurück ins Gestern um zu sehen, was nun in einem Jahrhundert anders ausgefallen ist.
Großer Krieg
Der Dresdner Davis Trietsch war Ost-West-Kulturvermittler in jüdischer Tradition. In der Dekade vor 1900 sah er in Amerika den politischen Zionismus als Lösung der Judenfrage. Doch visierte er Zypern, Südafrika oder Amerika als vorläufige Ziele auf dem Weg nach Zion an. Mit seiner Idee des Groß-Palästinas samt Zypern und al-Arish eilte er Theodor Herzl voraus, dem der Gebietsraum missfiel. Als Trietsch in Berlin lebte, gründete er 1902 den Jüdischen Verlag mit. Er war ein Publizist informativer Werke über Palästina und Mittelost. Kurz vor dem Machtantritt der Nazis ging er nach Tel Aviv. Seine Islam-Studie ist lehrreich.
Trietsch meinte, ein deutsch-osmanisches Bündnis wäre eine Garantie des Weltfriedens. Der Einwand dagegen laute, bei aller Sympathie mit den Islamvölkern sei doch die Gefahr eines Weltkriegs, der dann über Deutschland hereinbrechen könnte, zu groß. Wegen Krisen um Marokko oder Persien lohne solches Risiko nicht. Doch mit einem deutsch-türkischen Bündnis und einer Erklärung für den Erhalt von Marokko und Persien, wäre die Gefahr des Weltkriegs kleiner, auch durch ein deutsch-islamisches Bündnis, wodurch die islamischen Truppen der Franzosen unbrauchbar und die französische Macht in Afrika gefährdet wären. Im "neuen Reich der Mitte", Deutschland samt Österreich und Osmanenreich mit Integrität der Islamwelt, liege Gewähr und Zukunft des Weltfriedens, nicht im unnötigen Wettrüsten.
Der Autor zeigt fünf Konfliktachsen: Kolonien reiche versus Kolonien arme Länder; den israelischen Lösungsansatz gegen Judenhass; Unabhängigkeit für Islamländer gegen Frem-denhass; sunnitische und schiitische Konflikte; nicht nur im Osmanenreich Nationalitäten und nichtmuslimische Minoritäten. Berlin möge sich durch des Kaisers Islampolitik mit Osmanen liieren, den Weltfrieden und seine Wirtschaftsexpansion sichern. Dies tat es am Beginn des Weltkriegs. Doch dann kam alles anders.
Obwohl der Erste und Zweite Weltkrieg Imperien abbauten, zwei Dutzend Staaten im Gefolge des Osmanenreichs und viele bis 1965 staatliche Unabhängigkeit zeitigten, wirken Zwiste fort zwischen: Großmächten; Schiiten/Sunniten; Muslimen und Nichtmuslimen; Majoritäten-Minoritäten. Für ethno-religiös "reine" Staaten gab und gibt es noch versuchte, realisierte und angedrohte Genozide. Der Weg von den Kolonialreichen zu unabhängigen Staaten begünstigte diese. Welche Stränge von Hassideologien wirkten dabei fort und, von Massenmigration abgesehen, was ist heute denn wirklich anders als damals?