Die 50 Mann Spezialtruppe, die Präsident Obama nach Syrien schickt, reicht nicht, um die Aufgabe zu erfüllen, zumal Luftschläge auch nicht genügten. Es gehe kaum um ein Gebäude in ar-Raqqa [dem Zentrum des "Islamstaats"], sagte Dianne Feinstein der Presse am Sonntag. Entweder Amerika bekämpfe ihn, oder es muss dies ohnehin später tun.
Das mögliche Bombenattentat auf den russischen Metrojet über Sinai mag für Amerika und Russland ein Weckruf sein, die doch kooperieren sollten. Zwar behaupte Moskau, den "Islamstaat" zu bekämpfen, doch richteten sich die meisten Angriffe auf die mit Amerika liierte Freie Syrische Armee, die gegen al-Asads Regime stehe. Feinstein hoffe, dass der Kreml sich hart gegen den "Islamstaat" wende, was er nicht tue. Aber sie sei ermutigt, dass Washington und Moskau Informationen austauschten. Diese Vizechefin des Ausschusses für Nachrichtendienste erläuterte eine vertrackte Lage neuer Rivalitäten.
Metrojet Airbus A321 (Foto: Sergey Korovkin/Wikimedia Commons) |
Obwohl Islamisten ausholen, fehlt offenbar noch die bilaterale Absprache gegen den "Islamstaat" als nun auch am Nil vermuteten Urheber des Anschlags mit 224 Toten. Nicht nur kämpfen Rivalen für sich, son-dern Präsident Putin geht gegen jene vor, die sein Amtskollege Obama aufzubauen suchte. Zwar kann dieser besser aus dem türkischen İncirlik angreifen lassen (viertel Flugstunde bis Syrien), doch neigen Mitglieder der uneffektiven Koalition aus Golfstaaten dazu, Re-bellen gegen al-Asad zu fördern. Die Sunni-Koalition zerfällt, indes Amerika in Syrien und Irak die Hauptlast trägt. Saudi-Arabien und die Emirate sind im Krieg gegen die al-Huthis in Jemen befasst. Kanada fällt unter Premier Justin Trudeau aus. Kein Kriegsende in Sicht.
Wo Einheit nötig wäre, werden Rivalitäten im Krieg ausgetragen. Zivilisten fliehen nach Europa. Gefährdet sind Mittelostländer Israel und Ägypten. Beiden droht der "Islamstaat", in Ägypten aus Sinai – siehe Attentat auf den Metrojet – und Libyen, wofür der Deutsche Martin Kobler die UN-Kommission übernimmt; in Israel von Syrien, Libanon und Gaza her.
Da sich heute Barack H. Obama und Benjamin Netanjahu im Weißen Haus treffen, steht zu hoffen, dass sie in Kernpunkten ihre Aktionsbasis finden. Viele Stolpersteine bleiben. Der Atompakt wird verschieden gesehen wie der Konflikt um Palästina. Geboten ist, praktikabel gemeinsame Ziele zu finden. Ansichten, wie die Krise unter Israelis und Palä-stinensern beizulegen wäre, differieren, wie die zum Islamismus mit vielen tiefen Folgen.
Der Widerspruch wirkt: Präsident Obama förderte Irans Regionalmacht, die sich auch unter den Palästinensern zeigt. Im Gegensatz dazu wünscht er Dialoge zum Friedenspakt am Jordan. Inzwischen kommt jedoch noch weniger aus Europa und Berlin, das mit der Migrantenkrise ringt.
Ursachen
Historiker heften Geschichte an Daten fest. In Amerika wurde Hamtramck in Michigan die erste Stadt, wo fortan der Stadtrat mehrheitlich aus Musli-men besteht. Das geschah in dem ursprünglich deutschen, dann polnisch-katholischen Teil Detroits mit 22.000 Seelen in Wahlen am 4. November. Dort, wo Muslime aus Arabien und vom Balkan die Mehrheit sind, riefen Muezzins seit 2004 aus sieben Moscheen offen übertragen zum Gebet auf. Ähnlich sind in Deutschland die Umwandlung von Kirchen in Moscheen, etwa in Berlin, Mönchengladbach, Dortmund und Hamburg. Dies wird wohl weitergehen, je mehr Migranten in Deutschland ihre Heimat finden.
Kanzlerin Merkel sprach am 4. November vor dem Düsseldorfer Industrie-Klub über Probleme. Um Krisen erfolgreich zu bewältigen, müsse man an ihren Ursachen ansetzen, sagt sie, und meint damit in Syrien und Irak. Als Beispiel führte sie das Versagen der Staatengemeinschaft an, Lebensmittelrationen für Flüchtlinge in Libanons und Jordaniens Lagern von 27 auf 13 Dollar pro Person und Monat kürzten. Dies sei sicher eine der Fluchtursachen: "Wir haben das jetzt nachgeholt." In der Türkei würden Flüchtlinge Gäste genannt, ohne Zugang zum Arbeitsmarkt. In einigen Städten gebe es mehr Flüchtlinge als Einwohner. Das hätte den Druck auf Deutschland verstärkt, da die Hoffnung vieler Syrer schwand, alsbald in ihre Heimat zurückzukommen.
Angela Merkel meinte, "Wir müssen bei den Ursachen ansetzen, um die Ströme zu ord-nen, zu steuern. Wir müssen die Ursachen bekämpfen, um in der Folge auch die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, zu reduzieren. Das ist die Aufgabe, an der wir arbeiten. Ich glaube allerdings, es wird nicht so sein, dass wir dann gar keine Flüchtlinge mehr haben." Die Zahl der Konflikte in der Türkei sei groß und ein Austausch wäre darüber ge-boten, wie ein Versöhnungsprozess mit den Kurden eingeleitet werden könne. Allein die Herausforderung, die sich durch den "Islamischen Staat" stelle, sei eine recht große.
Moratorium
Zum einen mag man die Energie der Kanzlerin bewundern, mit der sie versucht, eine selbst mit herbei geführte Bewährungsprobe zu meistern. Aber ist sie realistisch? Alles liefe besser, wenn sie sich eine demokratische Legitimation durch Referendum oder Vertrauensfrage einholte. Denn sie vergibt Riesenmittel, die der Steuerzahler und Wähler aufbringt, der sicher mitreden will. Auch ist mehr Transparenz in Wochen- und Monatsberichten geboten, woher Menschen nach Berufen kommen und wo sie bleiben.
Zweitens ist Merkels Aussage zur Ursachenbekämpfung eher Theorie. Die Konflikte währten oft hunderte Jahre und lassen sich nicht rasch regeln. Insofern greift ihr Motto zu weit. Wie gezeigt, dauern Kriege in Mittelost an. Nachdem Angela Merkel ihre Mittelostpolitik versäumt hat, kann sie diese nicht rasch nachholen. Drittens muss Berlin einen Jahreslimit finden und ansagen. Auch ein noch so guter Rechtsstaat wird durch zu viele Ankömmlinge überfordert. Zu bedenken wäre ein einjähriges Moratorium, damit die Kapazitäts-, Verteilungs- und Integrationsfragen auch europäisch erörtert und geregelt werden. Niemand sollte Konflikte unter Gruppen heraufbeschwören.