Stellen Sie sich die Szene vor: Die katholische Morgennmesse in der nördlichen französischen Stadt Saint-Étienne-du-Rouvray, eine fast leere Kirche, drei Pfarreimitglieder, zwei Nonnen und ein sehr alter Priester. Messerschwingende ISIS Terroristen unterbrechen die Messe und schlitzen den Hals des Paters Jacques Hamel auf. Diese herzzerreißende Szene beleuchtet den Zustand des Christentums in Europa.
Es passierte schon früher. Im Jahr 1996 wurden sieben französische Mönche in Algerien geschlachtet. Im Jahr 2006 wurde ein Priester im Irak enthauptet. Im Jahr 2016 nahm dieses schreckliche islamische Ritual Platz im Herzen des europäischen Christentums: Die Stadt der Normandie, wo Pater Hamel ermordet wurde, ist der Ort des Prozesses gegen Jeanne d'Arc, der Heldin des französischen Christentums.
Frankreich hatte wiederholt gewarnt: Europas Christen wird das gleiche Schicksal treffen wie ihre östlichen Brüder. Aber Frankreich weigerte sich, Europas Christen, noch diejenigen im Osten, zu schützen. Als vor einem Jahr der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, vorschlug, leere französische Kirchen in Moscheen umzuwandeln (wie diejenige in Saint-Étienne-du-Rouvray), unterzeichneten nur ein paar wenige französische Intellektuelle, angeführt von Alain Finkielkraut und Pascal Bruckner, die Protestnote mit dem Titel "rühr' meine Kirche nicht an" ("Touche pas à mon église") zur Verteidigung des französischen christlichen Erbes. Laurent Joffrin, Direktor der Tageszeitung Libération, führte eine linke Kampagne gegen die Protestnote und beschrieb die Unterzeichner als "altersschwach und faschistisch".
Seit Jahren haben die französischen sozialistischen Bürgermeister in der Tat den Abriss von Kirchen oder deren Umwandlung in Moscheen genehmigt (das gleiche Ziel wie ISIS, aber durch andere, "friedlichere" Mittel). Außer im Saint-Germain-des-Prés-Viertel von Paris und in einigen schönen Gebieten wie dem Festival von Avignon erlebt Frankreich eine dramatische Identitätskrise.
Während die Bemühungen, Frankreichs Kirchen zu retten, dämonisiert oder ignoriert worden waren, erlitten gefährdete Ostchristen, die durch ISIS ausgerottet werden, dasselbe Schicksal. "Es ist nicht mehr möglich, diese ethnische und kulturelle Säuberung zu ignorieren", liest sich ein Aufruf, unterzeichnet von den üblichen kämpferisch "islamophoben" Intellektuellen wie Elisabeth Badinter, Jacques Julliard und Michel Onfray. Im März warf die Zeitung Le Figaro der Regierung von Manuel Valls vor, die Christen, die von ISIS mit dem Tod bedroht werden, im Stich zu lassen durch die Weigerung, ihnen Visa zu gewähren.
Gehen Sie in diesen Tagen in Europa herum: Sie werden keine einzige Demonstration finden, die gegen die Tötung von Pater Hamel protestiert. Im Januar 2015, nach dem mörderischen Angriff auf Charlie Hebdo, gingen die Franzosen auf die Straße, um "Je suis Charlie" zu sagen. Nach dem 26. Juli 2016, am Tag an dem in einer Kirche ein 85-jähriger Priester ermordet wurde, sagte niemand: "Wir sind alle Katholiken". Selbst Papst Franziskus blieb im Angesicht des wichtigsten anti-christlichen Ereignisses auf Europas Boden seit dem Zweiten Weltkrieg still und sagte, dass die Islamisten "Geld suchen". Die gesamte Geistlichkeit des Vatikans weigerte sich, das Wort "Islam" zu sagen oder zu schreiben.
Wahrheit kommt nur von ganz wenigen Autoren. "Religionen überwinden andere Religionen; Polizei hilft wenig, wenn man keine Angst vor dem Tod hat." Mit diesen Worten, sechs Monate nach dem Massaker von Charlie Hebdo, sprach der Schriftsteller Michel Houellebecq mit der Revue des Deux Mondes. Unsere Elite sollte es nach jedem Massaker lesen, bevor sie Seiten füllt mit dem "Versagen der Geheimdienste."
Es ist nicht so, dass ein zusätzliches französisches Gendarmeriefahrzeug den Islamisten, der 84 Personen in Nizza schlachtete, hätte stoppen können. Vielleicht. Könnte sein. Aber das ist nicht der Punkt. Rituell wiederholen Europas Medien und Politiker nach jedem Massaker die Geschichte vom "Versagen der Geheimdienste". Im Fall des Angriffs in Saint-Étienne-du-Rouvray geht die Geschichte um einen Terroristen, der unter Überwachung gestellt wurde.
Die "Geheimdienstversagen"-Theorie ist ein Feigenblatt, um zu vermeiden, über den Islam und sein Projekt der Eroberung Europas reden zu müssen. Es ist der bekannte Verhaltenskodex nach jedem islamistischen Angriff. Dann fügen sie hinzu: "Vergeltung" schafft eine Spirale der Gewalt; Man muss für den Frieden arbeiten und gute Absichten zeigen. Dann kommt in zwei oder drei Wochen das fatale "wir haben es verdient". Wofür? Dafür, dass wir eine Religion haben, die anders ist als ihre?
Wir hören immer die gleichen Stimmen, wie in einem großen Verstellungsspiel und kollektiver Desorientierung, in dem niemand weiß, welcher Feind zu schlagen ist. Aber immerhin, ist es nicht viel tröstlicher, vom "Geheimdienst" anstelle der Islamisten zu reden, die versuchen, durch Terror und Scharia die Unterwerfung von uns armen Europäern zu erzwingen?
Europa ist anscheinend zu einen permanenten Belagerungszustand verdammt. Aber was wenn eines Tages, nach mehr Blutvergießen und Anschlägen, Europas Regierungen beginnen, mit den Mainstream-islamischen Organisationen Verhandlungen zu führen über die Bedingungen für die Unterwerfung der Demokratien unter islamisches Scharia-Recht? Cartoons über Mohammed und das "Verbrechen" der Blasphemie sind bereits aus den europäischen Medien verschwunden, und die Verurteilung Israels und der Juden als Sündenböcke für alles begann vor langer Zeit.
Nach dem Angriff auf die Kirche beschlossen die französischen Medien sogar, keine Fotos von Terroristen mehr zu veröffentlichen. Dies ist die mutige Antwort von unseren Mainstream-Medien auf Dschihad, die auch in der Charlie Hebdo Krise tödliche Zeichen der Feigheit zeigten.
Die einzige Hoffnung kommt heute von einem 85-jährigen französischen Priester, der von Islamisten ermordet wurde nach einer einfachen, noble Geste: Er weigerte sich, vor ihnen zu knien. Wird das gedemütigte und träge Europa das Gleiche tun?
Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist italienischer Journalist und Autor.